Bio-Imkerei: Zwischen Idealen und Herausforderungen

Die Schweizer Bio-Imkerei hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, doch der Weg zu einer nachhaltigen, naturnahen Bienenhaltung ist steinig. Zwei Bio-Imker der ersten Stunde gewähren spannende Einblicke in eine Imkereipraxis, die sich dem Einklang mit der Natur verschrieben hat.
Zuletzt aktualisiert am 19. Mai 2025
von Ann Schärer
6 Minuten Lesedauer
Imkerei Bienen Wanderstand Im Wald Bioimkerei Hunzinger
Wanderstand im Wald: Martin Hunzingers Bienen dürfen an unterschiedlichen Standorten Honig produzieren – hier in einem Wald. (Bioimkerei Hunzinger)

«Es ist für die Bienen von grosser Bedeutung, dass sie ihren natürlichen Bedürfnissen nachgehen und sich abwechslungsreich ernähren können», sagt Salvador Garibay, Forscher am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im aargauischen Frick und selbst begeisterter Bio-Imker. Er möchte seinen Bienenvölkern eine möglichst vielfältige Umgebung bieten. Doch stellen der grosse Biodiversitätsverlust und der hohe Pestizideinsatz in der Landwirtschaft grosse Herausforderungen dar. «Die Nahrungsquellen für Insekten werden immer knapper und die Schädlingsbekämpfungsmittel werden mit dem Wind in andere Gebiete getragen, also auch in biologisch bewirtschaftete – das schädigt nicht nur den Honig, sondern auch die Bienen selbst», sagt er.

Grundsätzlich wird in der biologischen Imkerei zwischen organisch-biologischer (Bio-Knospe) und biologisch-dynamischer (Demeter) Imkerei unterschieden. Beide Ansätze haben aufgrund ihrer geschichtlichen Prägungen eigene Richtlinien und erlauben unterschiedliche Praktiken. Salvador Garibay imkert schon seit einigen Jahren nach Demeter-Vorgaben. «Meine Bienenvölker vermehren sich über die natürliche Schwarmvermehrung», erklärt er. Die Bienen entscheiden selbst, wann sie sich teilen und neue Völker bilden. Diese Praxis macht – gemäss Überzeugung der biologisch-dynamischen Imkerei – die Bienenvölker widerstandsfähiger gegenüber Umweltveränderungen als Völker, die durch Imkerhand geteilt und mit neuen Königinnen versehen werden.

Weltbienentag: Stimme für die Bienen

Am 20. Mai ist Weltbienentag – ein Datum, das nicht nur Imkerinnen und Imker aufhorchen lässt. Denn ohne Bienen keine Bestäubung, ohne Bestäubung keine Vielfalt auf dem Teller. Der von den Vereinten Nationen ausgerufene Tag rückt die zentrale Rolle der Bienen für Biodiversität und Ernährungssicherheit ins Bewusstsein – und lenkt die Aufmerksamkeit auf ihre Bedrohung durch Lebensraumverlust, Krankheiten und Nahrungsmangel.

Ein besonderes Zeichen setzt BienenSchweiz in diesem Jahr mit einer Premiere: Erstmals wurde eine «Biene des Jahres» gewählt. Die Wahl soll die Vielfalt unter den über 600 Bienenarten der Schweiz sichtbar machen – und zugleich auf ihre schwindenden Lebensräume aufmerksam machen. Den Titel trägt 2025 die Aschgraue Sandbiene (Andrena cineraria), ein unscheinbarer, aber ökologisch bedeutsamer Frühlingsgast. Sie steht stellvertretend für viele Wildbienenarten, deren Existenz durch Überbauung, Pestizideinsatz und den Verlust von Blühflächen gefährdet ist.

Rund 45 Prozent der einheimischen Wildbienenarten gelten als bedroht. Dabei sind sie – gemeinsam mit Honigbienen, Hummeln und Schwebfliegen – unersetzliche Bestäuberinnen für Wild- und Kulturpflanzen. Ob Apfel, Kürbis oder Erdbeere: Eine vielfältige Bestäuberfauna sorgt nicht nur für bessere Erträge, sondern auch für qualitativ hochwertigere Früchte. Forschungen zeigen etwa, dass durch Insekten bestäubte Erdbeeren schwerer, fester und länger haltbar sind als solche, die nur vom Wind befruchtet wurden.

Zum Schutz der Bienen braucht es daher mehr als symbolische Gesten: Wildblumen statt Schottergärten, mehrjährige Blühstreifen auf Feldern, Hecken und ungemähte Wiesen – solche Strukturen bieten Nahrung und Nistplätze. Mit Projekten wie dem Blühflächenprogramm schafft BienenSchweiz in Zusammenarbeit mit der HAFL gezielt neue Lebensräume im landwirtschaftlichen Raum. Bereits konnten so fast eine Million Quadratmeter insektenfreundlich gestaltet werden.

Marktpotenzial und wirtschaftliche Realität

Obwohl sich das Bewusstsein für nachhaltige Produkte erhöht hat, bleibt die Bio-Imkerei wirtschaftlich herausfordernd. «Es ist ein gewisses Marktpotenzial für Bio-Honig und biologische Bienenprodukte wie Pollen, Propolis und Bienenwachs vorhanden – aber der Markt ist noch nicht bereit, höhere Preise für Bio-Honig zu bezahlen», sagt Salvador Garibay, der selbst seit den Anfängen der Bio-Imkerei in der Schweiz im Jahr 2003 auf die naturnahe Gewinnung von Honig setzt.

Auch Martin Hunzinger, Bio-Imker aus dem bernischen Finsterhennen, hat sich bereits vor Jahren der Bio-Imkerei verschrieben. «Als vor 15 Jahren zwei gute Honigjahre aufeinander folgten, entschied ich mich gemeinsam mit meiner Frau Kornelia, voll und ganz auf die Imkerei zu setzen», erzählt er. Heute betreibt das Paar mit fast 250 Bienenvölkern eine professionelle Bio-Imkerei. Besonders wertvoll ist ihm die Möglichkeit, seine Bienen ohne den Einsatz von jeglichen Medikamenten zu pflegen.

Imkerei Bienen Bienenvolk Salvador Garibay Fibl
Tolerantes Bienenvolk: Die Bienenvölker von Salvador Garibay haben sich mit der Varroamilbe arrangiert. (Salvador Garibay, FiBL)

Varroamilbe: Natürliche Abwehr statt Chemie?

Ein zentrales Problem in der Imkerei ist die Varroamilbe. «Dieser Schädling verursacht bereits seit Jahren grosse Probleme bei den Bienenvölkern», sagt Salvador Garibay. In der biologischen Imkerei sind lediglich Oxalsäure und Ameisensäure zur Bekämpfung erlaubt.

Martin Hunzinger verfolgt hier einen anderen Ansatz: Er investierte über zehn Jahre in die Zucht von Bienen mit einem besonderen Hygieneverhalten gegenüber der Varroamilbe, auch VSH genannt: «Varroa Sensitive Hygiene». «Diese Bienen öffnen selbstständig befallene Brutzellen und entfernen die Milben – das unterbricht den Fortpflanzungszyklus der Varroamilbe», erklärt der passionierte Bio-Imker. Seit der Saison 2023 benötigt er keine Varroa-Behandlung mehr. Doch der Weg dahin war mühsam und nur möglich mit künstlicher Besamung. «Jede Königin wird nur einmal in ihrem Leben begattet – dies muss also gezielt geschehen», sagt Martin Hunzinger. Da künstliche Besamung in der Bio-Imkerei nur in Ausnahmefällen erlaubt ist, benötigte Martin Hunzinger dafür eine Sonderbewilligung. «Für mich war es die einzige Möglichkeit, das Problem nachhaltig zu lösen», erklärt er. Heute kann er mit Stolz sagen, dass seine Bienenvölker sich selbst schützen können – ohne organische Säuren, die im Biobetrieb zugelassen wären, seiner Meinung nach jedoch den Bienen schaden.

Imkerei Bienen Varroamilben Zaehlen Martin Hunzinger Bioimkerei Hunzinger
Varroamilben zählen: Der Weg zur spritzmittelfreien Varroamilben-Bekämpfung führt über das Auszählen von deren Larven. (Bioimkerei Hunzinger)

Künstliche Eingriffe: Ethik versus Effizienz

Die Frage, wie stark in die natürliche Entwicklung der Bienen eingegriffen werden darf, ist umstritten. Salvador Garibay lehnt beispielsweise die künstliche Besamung strikt ab. «Es ist aus meiner Sicht ein sehr konventioneller Gedanke», sagt er und ergänzt: «Ich persönlich setze – ganz im Sinne der Demeter-Philosophie und einer möglichst naturnahen Imkerei – auf die natürliche Schwarmvermehrung.» Dabei arbeitet er nicht mehr mit gezüchteten Königinnen, sondern mit der Selektion von resilienten Bienenvölkern. Noch sei es nicht so weit, sagt er, aber die Vision sei, dass sich die Bienen künftig mit der Varroamilbe arrangieren, sich allgemein gegen Räuber besser selbst verteidigen können und ein besseres Hygieneverhalten zeigen.

Gleichzeitig sollten zukünftige Bienenvölker eine bessere Anpassung an Klimaveränderungen und Nahrungsknappheit zeigen, was nur dank einer idealen Anpassung an ihren Standort möglich sei.

Für Martin Hunzinger hingegen war die Vermehrung über die künstliche Besamung, das gezielte Teilen von Völkern und die Königinnenzucht der Schlüssel zur Lösung des Varroa-Problems. «Wir müssen uns stets fragen: Wollen wir Symptome bekämpfen oder die Ursachen?», gibt Martin Hunzinger zu bedenken. «Ich habe mich für Letzteres entschieden», ergänzt er. Trotzdem bleibt er sich der Fragilität seines Erfolgs bewusst: «Kaum hat man ein Problem gelöst, wartet das nächste – ob es nun der Beutekäfer ist, die asiatische Hornisse oder neue Viren.» Hier geht Salvador Garibay mit ihm einig. «Die Probleme in der Imkerei werden künftig wohl eher mehr als weniger», meint er.

Bio-Imkerei

Mehr zur Bio-Imkerei gibt es unter anderem im FiBL-Merkblatt «Biologische Imkerei» zu entdecken.

Standortwahl und Biodiversität

Ein weiterer Faktor für gesunde Bienen ist der Standort der Bienenvölker. «Als Bio-Imker sucht man Standorte möglichst abseits von landwirtschaftlichen Flächen», sagt Salvador Garibay. Doch bleibe das Risiko von Pestizidrückständen auch dort hoch. Besonders problematisch seien Regionen mit hohem Graslandanteil, wo bereits im Juni alle Wiesen geschnitten werden, sagt der Forscher: «Dann gibt es für die Bienen keine Nahrung mehr.» Diese Phänomen wird auch die «grüne Wüste» genannt.

Martin Hunzinger setzt deshalb auf Wanderimkerei, um seinen Bienen bestmögliche Bedingungen zu bieten. «Für unseren Bergblütenhonig wandern wir mit den Bienen in Berggebiete über 1’400 Meter Höhe und für Akazien- und Kastanienhonig bis ins Tessin», erläutert er. Dadurch erhalten seine Bienen Zugang zu einer grösseren Vielfalt an Blüten und Pollen.

Imkerei Bienen Arbeit Am Bienenvolk Martin Hunzinger Bioimkerei Hunzinger
Arbeit am Bienenvolk: Dank dem friedlichen Wesen seiner Bienen kann Martin Hunzinger ungeschützt mit seinen Völkern arbeiten. (Bioimkerei Hunzinger)

Die Zukunft der Bio-Imkerei

Fest steht: Bio-Imkerei bedeutet weit mehr als Honigproduktion. Sie stellt hohe Anforderungen an Wissen, Geduld und Idealismus. «Es geht darum, den Bienen ein möglichst natürliches Leben zu ermöglichen», sagt Salvador Garibay abschliessend. Die Zukunft der Bio-Imkerei wird also letztlich vor allem davon abhängen, inwieweit Konsumentinnen und Konsumenten bereit sind, für nachhaltige und tierfreundliche Produkte höhere Preise zu zahlen. Nur dann kann eine Imkerei im Einklang mit der Natur langfristig bestehen.