Herbstrübe: Mehr als Dekoration
Als Räbeliechtli sind sie berühmt, als Lebensmittel nicht mehr so. Dabei war die Herbstrübe früher ein Grundnahrungsm...
Der Ort des heutigen «Archäobotanischen Museumsgartens», mitten in der Altstadt von Frauenfeld, war bis 1994 der Innenhof des Kantonalgefängnisses. Direkt hinter dem frei zugänglichen, kontrolliert der Natur und ihrem Gestaltungswillen überlassenen Garten, befinden sich das Naturmuseum und das Museum für Archäologie.
Auf 300 Quadratmetern Fläche bietet die grüne Oase im Kantonshauptort ein Stück Natur zum Anfassen. Neben alten Getreidesorten und heute in Vergessenheit geratenen Gemüse- und Beerensorten, sind in der Anlage auch Eiweiss und Öl liefernde Pflanzen, Medizinal- und Gewürzkräuter sowie die in früheren Zeiten unentbehrlichen Färberpflanzen anzutreffen.
Was schadet – was nützt? «Das ist eine Frage der Betrachtung. Es kommt immer darauf an, auf welcher Seite man steht», sagt Museumsgärtner Marcel Sprenger zu Beginn des Garten-Rundgangs über seine Beziehung zu den erwünschten und nicht erwünschten tierischen Gartenbewohnern. Es sei das Ziel des Museumsgartens, Strukturen zu schaffen, die Lebensraum und Nahrung böten für die vielen einheimischen Nützlinge, die darin lebten, führt Marcel Sprenger weiter aus. Mit dieser Systematik ist schon vor rund zehn Jahren begonnen worden. Seither gedeiht der Museumsgarten gewissermassen in kontrollierter Wildheit.
Das Credo von Marcel Sprenger: Nur sehr zurückhaltend ins Ökosystem des Gartens eingreifen. Auch die verpönten Schnecken sollen ihren Platz darin haben. Denn sie sind Nahrungsquelle für viele andere Tiere. Zudem fressen sie verwesende Pflanzenteile und tote Tiere. Überdies helfen sie bei der Humusbildung, indem sie Pflanzenreste zersetzen. Sie brauchen Unterschlupfmöglichkeiten für ihr Überleben. Zum Gartenmanagement gehört aber in diesem Zusammenhang auch, dass die Schneckenverstecke gut unter Kontrolle gehalten werden.
Die Erhaltung ihrer Nahrungsgrundlagen sei für die Nützlinge im Garten sehr wichtig, fährt Marcel Sprenger fort. Vielfach seien das die Schädlinge. Es gehe beim Gartenmanagement um das richtige Verhältnis. Dazu gehöre eine massvolle Erhaltung von Lebensräumen für Schädlinge. So könnten sich die Nützlinge die für sie stimmigen Lebensräume selber einrichten.
Im Museumsgarten gibt es eine grosszügige Nistecke für Insekten. Auch das gehört zur durchdachten Gestaltung der innerstädtischen Naturoase. Wildbienen, Grabwespen, Ohrwürmer und viele andere Insektenarten, die als Pflanzenbestäuber und als Schädlingsfresser für ein vielfältiges Gartenleben sorgen, finden in einer aufgeräumten Landschaft kaum mehr Nist- und Unterschlupforte. Das Anbringen von Nistwänden, die im Handel erhältlich sind, hätte eine wichtige Funktion für den Schutz und die Erhaltung der Insekten, sagt der Museumsgärtner.
«Es ist wichtig für die Insekten, dass die Böden im Garten das ganze Jahr durchgehend mit Pflanzen abgedeckt sind», sagt Marcel Sprenger. Von möglichst vielen verschiedenen Pflanzen durchwachsen soll der Garten sein und nicht proper aufgeräumt. Pflanzenstängel stehen und wenn sie umgefallen sind, am Boden liegen lassen, empfiehlt Sprenger. Das dient einer neuen Generation nützlicher Insekten. «Noch immer wird in vielen Gärten im Herbst gründlich aufgeräumt. Das ist nicht förderlich. Liegen gelassenes, abgestorbenes pflanzliches Material ist für das Ökosystem im Garten wichtig», sagt der Museumsgärtner.
Den Garten das ganze Jahr hindurch gut beobachten ist laut Marcel Sprenger sehr wichtig. Je nach Ort, wo sich der Garten befindet, können über kurze oder längere Zeit Populationen tierischer Nützlinge entstehen. Deshalb solle man bei der Entdeckung von Schädlingskolonien nicht sofort reagieren, sondern abwarten, ob sich Nützlinge einfinden, empfiehlt er.
Wenn das nicht geschieht, können Gärtnerinnen und Gärtner gezielt Nützlinge einsetzen. Diese können im Gartenhandel gekauft werden. Auch Schmierseife ist nach den Erfahrungen von Marcel Sprenger im Museumsgarten ein probates Bio-Bekämpfungsmittel gegen verschiedene Arten von Schädlingen.
Blattläuse
Davon gibt es in hiesigen Gärten Unmengen verschiedener Arten. Mit ihren Saugrüsseln stechen die Tierchen in die Zellen der Pflanzen, die sie befallen haben und saugen so den süssen Saft heraus. Das schwächt die Pflanzen. Durch die Einstichlöcher können zudem Viren und Bakterien eindringen. Die Blattläuse scheiden mit dem Kot Honigtau aus. Dieser ist zuckerig. Ameisen sind scharf darauf und melken die Läuse deswegen. Der Honigtau überzieht die Pflanzenblätter und schädigt sie. Über die Feuchtigkeit breiten sich Krankheiten aus. Ist eine Pflanze stark von Blattläusen befallen, stirbt sie allmählich ab. Dadurch verlieren die Schädlinge ihre Nahrungsquelle. Weil sie in solchen Situationen keine Überlebensperspektive mehr haben, hat die Natur die flügellosen Insekten dazu befähigt, in der Not Nachfolgegenerationen zu produzieren, die mit Flügeln ausgerüstet sind und dadurch neue Wirtspflanzen anfliegen können. Eier der Blattläuse sind in den Pflanzenknospen oder Pflanzentrieben abgelegt. Im Frühjahr, wenn es warm genug ist, schlüpfen die Jungläuse aus. Jede erwachsene Blattlaus produziert innerhalb von 14 Tagen eine neue Generation. Eine Blattlaus kann bis zu 100 Jungläuse hervorbringen. Dadurch entsteht eine immense Population.
Engerlinge
Bei diesen Gartenbewohnern wird zwischen Guten und Bösen unterschieden. Auch Spassige sind darunter. Beispielsweise solche, die sich komischerweise auf dem Rücken liegend fortbewegen. Sie verwandeln sich in metallisch schillernde bis goldglänzende Rosenkäfer, die mal als Schädlinge, mal als Nützlinge in Erscheinung treten. Im Garten sind sie nicht problematisch. Sie fressen hauptsächlich totes Material. Anders, wenn sie sich bei Topfpflanzen auf dem Balkon oder in der Wohnung bei Zimmerpflanzen breit machen. Ist das tote Pflanzenmaterial als Futterquelle aufgebraucht, bedienen sich die Rosenkäfer am lebendigen Pflanzenmaterial. Das bedeutet Schaden. Der Engerling des Käfers ist in der Topferde. Ist er einmal entdeckt, herausnehmen und auf den Boden legen. Dreht sich der Engerling auf den Rücken und will sich unbeholfen davonmachen, ist es der Rosenkäfer. Hat man einen Garten, den Topfbewohner dort aussetzen und vergessen. Er ist in freier Natur kein Schädling.
Maikäfer, Junikäfer, Gartenlaubkäfer
Im Club der Engerlinge gibt es auch sehr problematische Gesellen. Das sind der Maikäfer, der Junikäfer und der Gartenlaubkäfer. Man kann ihnen erfolgreich mit biologischen Produkten zu Leibe rücken, die im Gartenhandel erhältlich sind. Gerstenkörner werden vom Produkthersteller mit Pilzen geimpft. Diese werden im Garten ausgestreut: Erde auflockern, geimpfte Gerstenkörner eingraben, im Abstand von 30 Zentimetern. Wenn eine grosse Gartenfläche von den schädlichen Engerlingen befallen ist, kann das mühsam werden. Die Landwirtschaft hat es da eindeutig einfacher. Die geimpften Gerstenkörner werden mit der Saatmaschine ausgebracht. Ist der Pilz im Boden, braucht er Feuchtigkeit. Bei einer Temperatur zwischen 20 und 30 Grad breitet er sich optimal aus. Die Pilzsporen dringen in die Engerlinge ein, denen sie unter der Erde begegnen, wachsen weiter und verdauen dabei die Schädlinge.
Dickmaulrüssler
Zu den bösen Gesellen zählen auch die Dickmaulrüssler. Sie treten vor allem am Flieder und am Kirschlorbeer (Verkaufsverbot in der Schweiz) auf. Bekämpft wird dieser Tunichtgut mit Nematoden. Im Gartenhandel sind die mikroskopisch kleinen Fadenwürmer in Pulverform erhältlich. Sie werden im Wasser aufgelöst und beim Pflanzengiessen ausgebracht. Die Nematoden leben in Symbiose mit einem Bakterium. Sie können sich im Boden fortbewegen, im Gegensatz zum Bakterium. Trifft die Nematode auf eine Schädlingslarve, dringt sie in diese ein und sondert dabei das Bakterium ab. Es macht dann der Larve den Garaus. Biologische Schädlingsbekämpfung als Science Fiction. Mit blossem Auge sind die Fadenwürmer nämlich nicht zu erkennen, jedoch ist der Effekt der Behandlung gut sichtbar.
Buchsbaumzünsler, Kohlweissling
Zwei weitere Schädlinge, die Panik im Garten auslösen, sind die gefrässigen Raupen des Buchsbaumzünslers und des Kohlweisslings. Der Buchsbaumzünsler ist ein nachtaktiver Falter, der seine Eier auf der Blattunterseite der Buchspflanzen ablegt. Die grünliche Raupe mit der quadratisch-schwarzen Musterung auf dem Körper, frisst innert kurzer Zeit Buchsbäume völlig kahl. Der Kohlweissling ist als Schmetterling ein Sympathieträger. Als Raupe im Gemüsegarten und im landwirtschaftlichen Gemüseanbau hingegen ist er ein grosser Schadenverursacher. Typisch für die grünliche Raupe sind der Lochfrass in den Kohlblättern und die Verschmutzung der Kohlköpfe mit Kot. Für die Bekämpfung der Schädlinge gibt es im Gartenhandel Präparate, die auf Bakterienbasis aufgebaut sind. Sie werden im Wasser aufgelöst und die Unter- und Oberseite der befallenen Pflanzenblätter mit einem Gartensprühgerät behandelt.
Spinnmilben, Weisse Fliegen
Die Spinnenmilben treten vor allem in Treibhäusern auf. Gelegentlich befallen sie aber auch Wohnzimmerpflanzen. Das Markenzeichen der Spinnentiere ist ein feines, kaum sichtbares Gespinst, mit dem sie die Pflanzenblätter überziehen. Sie lieben Wärme und Trockenheit. Geschlossene und geheizte Innenräume sind ein ideales Winterquartier für die Millimeter-Tierchen. Die Spinnmilben siedeln sich gerne an den Blattunterseiten der Wirtspflanzen an und fügen diesen durch ihre Saugtätigkeit Schaden zu. Der Befall wird durch die Verfärbung des Blattwerks gut sichtbar. Raubmilben sind die Fressfeinde der Spinnmilben. Falls diese nicht selbst anmarschieren, können sie als Präparat beim Gartenhandel bezogen werden. Die Weisse Fliege legt ihre Eier auf der Unterseite der Blätter der Wirtspflanze ab. Die Larven ernähren sich von den Pflanzensäften und richten dabei grossen Schaden an. Verschiedenes Gemüse, aber auch Zierpflanzen können von diesem Schädling befallen werden.
Trauermücken
Auch Trauermücken sind oft als Untermieter in Gewächshäusern und bei Topfpflanzen anzutreffen. Sie werden über die Gärtnereien, wo die Pflanzen gekauft wurden, in die Wohnung eingeschleppt. Die schwarze Mücke mit den langen Beinen ist selbst kein Schädling, aber lästig. Sie hockt im Dutzend auf der Pflanzenerde oder direkt auf der Zimmerpflanze und fliegt bei jedem Giessen in Schwärmen auf. Die Larve der Mücke hingegen schädigt das Topfgewächs. Verborgen in der Erde knappert sie das Wurzelwerk der Pflanzen an und kann dadurch ein Absterben bewirken.
Marienkäfer
Vor allem die asiatischen Marienkäfer haben die Blattlaus zum Fressen gern. Sie sind dabei hoch effizient und futtern bis zu 100 Läuse am Tag. Allerdings haben sich die einst eingeführten Nützling dermassen verbreitet, dass sie auch andere Insekten gefährden. Der zwar langsamer fressende Zweipunkt-Marienkäfer ist deshalb die nachhaltigere Wahl.
Ohrwürmer, Schwebefliegen
Bei weiteren Nützlingen, etwa den Ohrwürmern und Schwebefliegen, stehen Blattläuse auch ganz oben auf dem Menüplan. Die Ohrwürmer wechseln ab zwischen Pflanzenkost und Blattläusen. Mit den Zangen am Kopf ergreifen sie die Läuse, wehren damit aber auch Feinde ab. Die Larven der Schwebefliege sind recht räuberisch. Bis zur Verpuppung saugen sie hunderte von Blattläusen aus. Ausgewachsen als Schwebefliegen stellen sie um auf Nektar, Blütenpollen und Honigtau von verschiedenen Pflanzen.
Florfliege, Holzbiene, Schlupfwespe
Als eigentlicher «Blattlauslöwe» setzt sich die Florfliege in Szene. Ihre Larve hat einen ungezügelten Appetit auf Blattläuse. Auch bei anderen Schädlingen, wie Spinnmilben, Wollläusen und Raupen, steht sie nicht im Ruf als Kostverächterin. Die einheimische Holzbiene ist als emsige Bestäuberin von Pflanzen ein gern gesehener Gast im Garten, weil sie sich als Erhalterin der Flora nützlich macht. Bei verbautem Holz kann sie aber zum Problem werden. Vor allem in die Balken von altem Fachwerk bohrt sie gerne ihre Nisthöhle. Mit einer Lackierung oder Lasierung des Holzes kann das aber vermieden werden. Die Schlupfwespe ist eine begabte Trickserin und der Feind der Weissen Fliege. Die Schlupfwespe wiederum legt ihre Eier in die Larve des Schädlings. Anstatt einer Weissen Fliege schlüpft dann eine Schlupfwespe aus.
Raubmilben
Sie sind Mehrzweck-Nützlinge. Als Allesfresser ernähren sie sich von einer Vielzahl am Boden lebender Schädlinge oder von deren Eiern. Mit ihrem spitzen Mundwerk stechen sie ihre Beute an und saugen sie aus.
Igel, Eidechsen, Blindschleichen
Diesen Nützlingen fehlen heute in vielen Gärten die nötigen Lebensstrukturen. Sie ernähren sich von Schnecken, Insekten und anderen Gartenschädlingen. Verirrt sich ein Igel in den Museumsgarten in Frauenfeld, wird er vom Museumsgärtner weggebracht, an einen Ort, der weit weg ist von Strassen und Fahrzeugen. «In der Museumsumgebung wäre er sonst in kurzer Zeit platt», sagt Museumsgärtner Marcel Sprenger.
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