Schmalblättriges Greiskraut: Giftige Gefahr auf der Weide

Das invasive Schmalblättrige Greiskraut breitet sich in der Schweiz aus und gefährdet durch seine Giftigkeit Mensch und Vieh. Besonders entlang von Verkehrswegen hat die Pflanze das ganze Land erobert. Trotz intensiver Bekämpfung und hoher Sensibilisierung bleiben weitere Massnahmen notwendig, um die Ausbreitung zu kontrollieren und die Landwirtschaft sowie die Biodiversität zu schützen.
Zuletzt aktualisiert am 7. Juni 2024
von Renate Hodel
4 Minuten Lesedauer
Neobiota Neophyt Schmalblaettriges Greiskraut Senecio Inaequidens Flickr Andreas Rockstein

Das Schmalblättrige Greiskraut ist ein invasiver Neophyt, der in der Schweiz zunehmend Probleme verursacht. Die Pflanze, ursprünglich aus Südafrika stammend, hat sich aufgrund ihrer effizienten Verbreitung durch den Wind und den Verkehr über das gesamte Land ausgebreitet. «Das Schmalblättrige Greiskraut ist zurzeit in der ganzen Schweiz vorhanden – insbesondere entlang der Verkehrswege», erklärt Brigitte Marazzi, von der Abteilung Neophyten bei InfoFlora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Die Samen der Pflanze werden durch die durch den Verkehr verursachten Turbulenzen – sowohl Autos als auch Züge – weit verbreitet. Die Pflanze gedeiht auch in Höhenlagen über 1000 Metern gut und überlebt längere Trockenphasen besser als viele einheimische Pflanzen.

Gründe für die starke Verbreitung

Die Verbreitung des Schmalblättrigen Greiskrauts in der Schweiz, insbesondere im Grossraum Zürich und entlang des Genfersees, ist auffällig. «Die Verbreitungskarte von InfoFlora bestätigt, dass sich das Schmalblättrige Greiskraut in der Schweiz insbesondere entlang der Autobahnen und der Schienenwege verbreitet», erläutert Daniel Fischer vom Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich. Er weist jedoch darauf hin, dass die Karte das tatsächliche Vorkommen nur näherungsweise abbildet, da die Erfassung massgeblich auf freiwilliger Basis erfolgt. «Die Dichte der erfassten Standorte hängt auch davon ab, in welchen Gebieten engagierte Kartierer tätig sind», fügt Daniel Fischer hinzu.

Die Probleme des Schmalblättrigen Greiskrauts

Das Hauptproblem des Schmalblättrigen Greiskrauts liegt in seiner Giftigkeit. «Die Pflanze ist giftig für Menschen und Vieh und kann sogar tödlich sein», erklärt Brigitte Marazzi. Und die Giftigkeit bleibt auch in getrocknetem Zustand – also im Heu – erhalten. Dies stellt eine erhebliche Gefahr für die landwirtschaftlichen Betriebe dar, da das Vieh durch den Verzehr der Pflanze vergiftet werden kann. In Südafrika, dem Ursprungsland der Pflanze, gilt das Schmalblättrige Greiskraut ausserdem als Unkraut in Getreidekulturen und kann sogar das Brot durch seine Giftstoffe kontaminieren.

«Das Schmalblättrige Greiskraut ist ähnlich giftig wie das einheimische Jakobskreuzkraut – beide Pflanzen enthalten ein Gift, das im Falle eines Verzehrs bei Tieren und Menschen Leberschäden verursacht und im schlimmsten Fall Krebs auslösen kann», ergänzt Daniel Fischer. Kühe meiden die Pflanze auf der Weide zwar, aber wenn das Gras als Heu oder Silage verwendet wird, können sie es nicht mehr aussortieren und nehmen das Gift auf. Dies kann sogar zu Kontaminationen in Milch und Milchprodukten führen und deshalb gilt ein sehr tiefer Toleranzwert für Milch, um eine Gefährdung von Menschen zu vermeiden.

«Entlang stark verseuchter Verkehrswege droht eine Ausbreitung auf die benachbarten Wiesen – dies erfordert dann Vorkehrungen bei der Bewirtschaftung durch die Landwirtinnen und Landwirte und, wenn die Eindämmung nicht klappt, eine Intensivierung des Giftmonitorings in den Milchprodukten», erklärt Daniel Fischer weiter. Auch für die Honigproduktion stellt die Pflanze ein Problem dar, da der Giftgehalt im Honig zu hoch werden kann, wenn die Bienen Pollen und Nektar von der Pflanze sammeln. «Wenn rund um den Bienenstock zu viel Greiskraut vorkommt, muss der Honig vernichtet werden», warnt Daniel Fischer.

Bekämpfungsmassnahmen und deren Aufwand

Die Bekämpfung des Schmalblättrigen Greiskrauts erfordert erhebliche Anstrengungen. Die Bekämpfungsmassnahmen beinhalten unter anderem mechanisches Ausrotten, bei dem die Pflanzen ausgerissen werden. Daneben wird der Bestand mechanisch stabilisiert, das heisst wiederholte und möglichst bodennahe Mahd bis zu siebenmal im Jahr. «Ausreissen kann gut und gerne ebenso häufig und bestimmt bis in den November hinein betrieben werden», betont Sascha Gregori vom Cercle Exotique und Mandatsträger beim Kanton Graubünden, was Neobiota respektive Neophytenmanagement betrifft. Die Pflanzen, welche nämlich bis im Oktober womöglich bis zu fünf Mal geschnitten würden, können bis in den Dezember hinein Blüten produzieren und würden schlussendlich trotzdem versamen. «Wir erachten deshalb das Ausreissen als viel wichtiger und effektiver», erklärt er.

Schliesslich gibt es noch die chemische Bekämpfung, wobei aber die gesetzlichen Bestimmungen zum Einsatz von Herbiziden und insbesondere die Chemikalien-Risikoreduktionsverordnung eingehalten werden müssen. Der Aufwand ist hoch, da die Samen im Boden mehrere Jahre keimfähig bleiben und die Bekämpfung entlang von Autobahnen oder Gleisen kompliziert und teuer ist.

«Mit Artikel 52 der Freisetzungsverordnung werden die Kantone angehalten, die Bekämpfung von Organismen anzuordnen, welche die Gesundheit von Mensch und Tier, die Umwelt oder die Biodiversität gefährden», erklärt Daniel Fischer. Im Kanton Zürich wird die Pflanze seit über 10 Jahren bekämpft. Die Unterhaltsdienste entlang der Verkehrswege sind sensibilisiert und jäten die Pflanzen, wo es möglich ist. Regelmässiges Mähen wird zur Reduktion der Samenmenge eingesetzt. Im Jahr 2023 konnte im Kanton Zürich laut Daniel Fischer erstmals ein Rückgang der Anzahl Standorte und des Aufwands für das Absuchen und Jäten festgestellt werden. Es dauert aber rund sechs Jahre, bis ein Samenvorrat im Boden abgebaut ist und während dieser Zeit muss die verseuchte Fläche mindestens sechs Mal pro Jahr abgesucht und jede Pflanze ausgerissen werden. «Schweizweit dürften wahrscheinlich pro Jahr mehrere Millionen Franken für die Greiskrautbekämpfung aufgewendet werden», schätzt Daniel Fischer.

Sensibilisierung ist der Schlüssel

Die Sensibilisierung der Behörden, der Landwirtinnen und Landwirte sowie der Bevölkerung für das Problem der invasiven Arten ist in der Schweiz relativ hoch, jedoch immer noch ausbaufähig. «Man könnte immer sagen, dass man nie genug sensibilisiert ist, aber gegenüber anderen Ländern in Europa würde ich schon meinen, dass wir in der Schweiz mehr sensibilisiert sind», betont Brigitte Marazzi. Die Medienberichterstattung und die Einbindung des Themas in den (Fach)Schulen hätten zur erhöhten Aufmerksamkeit beigetragen, ist Brigitte Marazzi überzeugt. Seit 2008 gehört das Schmalblättrige Greiskraut auch zu den verbotenen Arten der Freisetzungsverordnung, was zur längeren Bekanntheit und Sensibilisierung beigetragen hat.

Daniel Fischer sieht aber noch Potential bei der Sensibilisierung. «Bei den Behörden ist die Sensibilisierung sehr unterschiedlich und hängt auch davon ab, welchen Stellenwert die Pflanze in der jeweiligen kantonalen Neophytenstrategie hat», erklärt er und ergänzt: «Bei einer breiten Bevölkerung ist die Sensibilisierung noch wenig ausgeprägt, da andere Neophyten wie das Berufkraut präsenter sind.»

Das Schmalblättrige Greiskraut stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Landwirtschaft und die Biodiversität in der Schweiz dar. Die Pflanze ist nicht nur giftig, sondern auch schwer zu bekämpfen. Trotz der bereits getroffenen Massnahmen und der relativ hohen Sensibilisierung bleibt viel zu tun, um die Ausbreitung dieser invasiven Art zu kontrollieren und die damit verbundenen Risiken zu minimieren.