Mehr Freiheit für Hobby-Hühner

In der Schweiz gibt es schätzungsweise 70’000 private Hühnerhaltungen – viele sind aber weder registriert noch halten sie sich an die Anforderungen einer artgerechten Haltung. Das eine erschwert die Seuchenprävention, das andere ist ein Verstoss gegen das Tierwohl.
Zuletzt aktualisiert am 31. März 2023
von Renate Hodel
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Legehennen LID

Hühner als Hobby oder zur Selbstversorgung zu halten, boomt offenbar: Laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sind es rund 70’000 Halterinnen und Halter, die in der Schweiz privat Hühner halten – und es werden immer mehr. «Wir haben beobachtet, dass die privaten Hühnerhaltungen insbesondere während der Coronaviruspandemie zugenommen haben», erklärt Brigitte Stuber, amtliche Fachexpertin Tierschutz beim BLV und ergänzt: «Allerdings werden die Bedürfnisse dieser Tiere leider nicht immer erfüllt.»

Informationslücken führen zu Mängel

«Grosse Probleme gibt es hauptsächlich mit viel zu kleinen Ställen», erläutert Lucia Oeschger von der Fachstelle Heimtiere beim Schweizer Tierschutz (STS). Negativ aufgefallen seien insbesondere das Nichteinhalten der gesetzlichen Stallgrössen und das Fehlen von vorgeschriebene Stalleinrichtungen. «Viele Fehler passieren, weil Halterinnen und Halter sich zu wenig gut informieren», erklärt sie weiter. Andererseits stelle auch der Verkauf von nicht geeigneten Ställen ein Problem dar: «Im Handel sind leider extrem viele Ställe erhältlich, die überhaupt nicht gesetzeskonform sind», moniert Lucia Oeschger.

So haben bei einer Stichprobenkontrolle des STS die Hälfte der kontrollierten Hühnerhaltungen von Privaten Mängel aufgewiesen und teilweise die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht eingehalten. Nebst dem Stall, der mindestens 2 m2 Bodenfläche aufweisen muss, verlangt das Tierschutzgesetz unter anderem eine Wintergartenfläche von ebenfalls mindestens 2 m2 Fläche auf zwei bis sechs Hühner.

Viel Auslauf und Pflege

BLV und STS empfehlen allerdings einen Wintergartenauslauf von 9 m2 und zusätzlich eine Weide von mindestens 50 m2, um die Bedürfnisse von Hühnern artgerecht zu erfüllen. Das stellt die private Hühnerhaltung auf kleiner Fläche grundsätzlich in Frage: Die wenigsten privaten Halterinnen und Halter können ihren Hühnern wohl 60 m2 bieten. Daneben ist auch der Zeitaufwand nicht zu unterschätzen: «Hühner brauchen tägliche Pflege und das Gehege muss regelmässig gesäubert werden – Hühner zu halten muss also gut überlegt sein», unterstreicht Lucia Oeschger.

Zwar würden die gesetzlichen Mindestanforderungen bei privaten Hühnerhaltungen durch die kantonalen Veterinärdienste kontrolliert und es würden gegebenenfalls auch Massnahmen verhängt, erklärt Brigitte Stuber vom BLV. Allerdings sei eine flächendeckende Kontrolle schwierig, da viele der privaten Haltungen nicht registriert seien und die Veterinärdienste daher auf Hinweise angewiesen seien, um entsprechende Kontrollen durchzuführen.

Registrierungspflicht und Seuchenprävention

Die Registrierung würde allerdings nicht nur den Kontrollablauf vereinfachen, sondern dient in erster Linie der Seuchenprävention. Laut Tierseuchenverordnung wäre eigentlich jede Hühnerhaltung verpflichtet, sich bei der kantonalen Koordinationsstelle zu registrieren. «Die Dunkelziffer an nicht gemeldeten privaten Hühnerhaltungen ist aber leider sehr hoch einzuschätzen», sagt Brigitte Stuber. Das macht es für die Veterinärdienste schwierig, die Geflügelhaltenden zu erreichen und über allfällige Massnahmen zum Schutz der Tiere zu informieren.

Wie das BLV betont, hätten auch private Halterinnen und Halter eine Verantwortung bei der Seucheneindämmung – wie aktuell bei der Vogelgrippe. Damit die Schutzmassnahmen möglichst wirksam seien, sei es wichtig, die privaten Hühnerhaltungen zu erreichen. Mit einer gemeinsamen Informationskampagne versuchen BLV und STS deshalb die Wissenslücken bei den Halterinnen und Haltern zu schliessen, das Bewusstsein für das Tierwohl zu schärfen und insbesondere die privaten Hühnerhaltungen dazu aufzurufen, ihre Registrierungspflicht wahrzunehmen.

Massnahmen gegen die Vogelgrippe und Tierwohl – geht das zusammen?

Ein besonderes Augenmerk der aktuellen Informationskampagne des BLV und STS gilt sowohl dem Tierwohl als auch der Prävention von Tierseuchen. Während der aktuell geltenden Massnahmen zum Schutz vor der Aviären Influenza wird aber der Auslauf von Hausgeflügel stark eingeschränkt: Seit November 2022 muss dieses entweder im Stall bleiben oder darf nur in einen vor Wildvögeln geschützten Auslauf – unabhängig davon, ob es sich um Nutztier- oder Hobbyhaltungen handelt.
Trotzdem könne das Tierwohl gewährleistet werden, ist das BLV überzeugt. Geflügel dürfe weiterhin ins Freie, wenn Schutzmassnahmen getroffen würden, damit Wildvögel nicht in den Auslauf eindringen könnten. «Wir rufen alle Haltenden dazu auf, eine solche Voliere einzurichten, damit die Tiere nicht im Stall bleiben müssen», heisst es vom BLV. Mit einem guten Stall und einer grosszügigen, zweckmässig eingerichteten Voliere könnten Hühner auch auf eingeschränkterem Raum viele arttypischen Verhaltensweise zeigen und sich beschäftigen, bekräftigt auch der STS. «Natürlich biete eine Weide den Hühnern zusätzliche Qualitäten und es bleibt zu hoffen, dass eine erneute Verlängerung der Massnahmen nicht mehr nötig sein wird», so der STS.
Grundsätzlich gehe es um eine Güterabwägung, ergänzt das BLV: «Will man die Tiere vor einem tödlichen Virus schützen und dazu ihren Bewegungsfreiraum einschränken oder will man sie ungeschützt ins Freie lassen, mit dem erhöhten Risiko, dass sie sich anstecken und dadurch ganze Bestände getötet werden müssen.» Eine geschützte Voliere sei in diesem Fall der beste Weg, um das Tierwohl zu gewährleisten und das Geflügel gleichzeitig vor der Vogelgrippe zu schützen.