Wald-Wild-Problem: Baumarten der Zukunft unter Druck
In der Schweiz stellen hohe Bestände an Wildhuftieren eine wachsende Herausforderung für die Waldverjüngung dar. Bedr...
Auf dem Betrieb der Firma Lindner Suisse ist an diesem winterlichen Nachmittag schneebedingt wenig los. Draussen werden Holzruggel mit starken Greifarmen auf Forstmaschinen auf exakte Beigen geschichtet. Die Stämme sind bereits geschält. Sie wurden vor kurzem in der Region gefällt, werden in Wattwil entrindet und in Meterstücke geschnitten. Sie lagern für 18 Monate bis zur Weiterverarbeitung.
«Wir verarbeiten nur Holz aus dem Winterschlag, weil die Holzstämme zu diesem Zeitpunkt am wenigsten Saft haben», erklärt Inhaber und Geschäftsführer Thomas Wildberger (59). Die eisigen Temperaturen der vergangenen Wochen seien hervorragend gewesen für die Holztrocknung, sagt er und ergänzt, dass die Feuchtigkeit bei der Verarbeitung nach eineinhalb Jahren nur noch ungefähr 13 Prozent betrage. So ist sichergestellt, dass sich in der abgepackten Holzwolle keine Pilze bilden.
Jährlich werden ungefähr 2000 Ster FSC- und PEFC-zertifiziertes Holz verarbeitet: Fichten, Buchen, Lärchen, Eschen, Pappeln und neu Kastanien. Das Holz stammt ausschliesslich aus Schweizer Wäldern. Da die Wälder nicht jedes Jahr durchforstet werden, brauche er rund 40 Lieferanten, sagt Wildberger.
Für ihn ist wichtig, dass diese nur qualitativ einwandfreies und astfreies Durchforstungsholz anlieferten. Das Vertrauensverhältnis habe die Firma seit Jahren mit Förstern und Waldbesitzern aufgebaut.
Mobile Schälmaschinen schälen und schneiden die Stämme auf dem Firmenareal. Das Rindenholz wird weiterverarbeitet für Gartenprodukte wie etwa Mulch. Das Sägemehl wird an Tierhalter abgegeben. Es ist so begehrt, dass eine Warteliste besteht. Ungefähr 6 Prozent der ganzen Stämme werden für die thermische Heizung genutzt. Es gelte die Devise, je näher je besser, man überlege sich jeden Transport genau und fahre keine unnötigen Strecken. Nachhaltigkeit und Regionalität seien für seine Produkte wichtig, sagt Wildberger.
Wildberger besinnt sich gerne auf das Althergebrachte und erzählt, wie der Lichtensteiger Journalist und Historiker Hanspeter Frey zum Thema Holzwolle recherchierte und erstaunliches herausgefunden habe. Sein Buch liegt bei Thomas Wildberger griffbereit und er sagt, dass man schon im vorletzten Jahrhundert wusste, welch wunderbarer und vielseitiger Werkstoff die Holzwolle sei.
Trotzdem gingen die Betriebe landauf landab ein, der immer stärker werdende Kunststoffmarkt liess der Holzwolle keine Luft, viele hatten nur ein müdes Lächeln für den natürlichen Rohstoff übrig. Als Wildberger Mitte der Neunzigerjahre als Geschäftsführer zu Lindner ins Toggenburg kam, merkte er rasch: «Wir produzieren einen Rolls-Royce, nur weiss es noch niemand.» Später übernahm er die Firma.
Seine damaligen Einschätzungen haben sich bewahrheitet. Heute beschäftigt die Firma 12 festangestellte Mitarbeiter, Freelancer und 18 Mitarbeiter aus Schweizer Betrieben, in denen Menschen mit einer Beeinträchtigung leben. In diesen Betrieben werden einzelne Produkte gewogen, verpackt und palettisiert.
Von der altbekannten Euterwolle im gelben Sack, über die Gartenwolle im Erdbeerbeet und die Chemineeanzünder im Privathaushalt kamen im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Produkte dazu. Insgesamt 180 an der Zahl, erklärt Wildberger.
Das Unternehmen habe sich über die Jahre zusammen mit der immer anspruchsvolleren Kundschaft entwickelt, habe getüftelt und sei auch unter Mitwirkung verschiedener Hochschulen und begleitet von Bundesämtern in Fachgebiete vorgedrungen, die sich Wildberger früher nicht hätte vorstellen können. Zudem ist auch das Ausland auf die Holzwolle aus dem Toggenburg aufmerksam geworden. Heute liefert die Firma nahezu die Hälfte ihrer produzierten Waren in über 20 verschiedene Länder.
Einen weiteren grossen Schub hat die Entwicklung der Holzwollvliese für den Erosions-, Mulch- und Winterschutz vor ungefähr 10 Jahren ausgelöst. Später kam der Produktionsstart für Faschinen und Drainagerohre dazu und heute beliefert die Firma auch Feuerwehren mit Holzwolle-Faschinen, die erfolgreich als Wasserschutz und Wasserumleiter eingesetzt werden.
Erosionsschutzvliese zur Stabilität eines Hanges werden immer wichtiger. Bedingt durch Umwelteinflüsse nehmen Schutt- und Gerölllawinen zu und deshalb seien auch Fachleute interessiert, zusammen mit ihm entsprechende Neuentwicklungen voranzutreiben, erzählt Wildberger. Auch die natürlichen Vegetations-Faschinen, im Einsatz bei Renaturierungen oder Wassererosion, werden erfolgreich verbaut.
Thomas Wildberger ist oft in eigener Mission bei Bund, Kantonen und Gemeinden unterwegs. Weil er der einzige ist, der in der Schweiz Holzwolle produziert, kann er bei der Lobbyarbeit auf keinen Verband zurückgreifen. Er ärgert sich, dass die öffentliche Hand noch zu oft ausländisches Holz einsetzt.
Auch wenn er allein für den Schweizer Markt seit fünf Jahren rund 10 000 Kubikmeter Schweizer Holz aus Durchforstung verarbeitet habe, hätten es gut und gerne auch das Doppelte für den Erosionsschutz sein können, wenn man konsequent auf Schweizer Holz gesetzt hätte, ist er der Meinung.
«Zu oft wird noch auf ausländische Kokos- und andere Fasern zurückgegriffen.» Sein Wunsch ist, dass die öffentliche Hand mehr auf Funktionalität, Ökologie und Nachhaltigkeit schaut. «Ob das neu in Kraft getretene Beschaffungsrecht eine Änderung bewirkt, bleibt abzuwarten», erklärt Wildberger weiter.
Wo steckt denn das Geheimnis der Schweizer Holzwolle, die in den unterschiedlichsten Produkten verwendet wird? «Wir haben das Holz der verschiedenen Laubbäume der Schweiz, dann haben wir Hobelmaschinen, welche auf den hunderstel Millimeter genau justiert werden. Die Messer werden meist im 4-Stunden-Rhythmus scharf geschliffen. »
Weiter seien es das Fingerspitzengefühl und die scharfe Beobachtungsgabe des Hoblers, die den Druck und die Geschwindigkeit des Hobels beeinflussen und so die beste Holzwolle entstehen lasse, schildert der Patron den Arbeitsvorgang.
Wenn die geschnittene Holzwolle anschliessend in den Kanal fällt und mit einem Luftzug nach oben gesogen wird, wird sie im gleichen Arbeitsgang geschüttelt, gemischt und entstaubt. Dadurch trocknet die Holzwolle auf neun Prozent Feuchtigkeit und wird direkt in die gelben Säcke verpackt.
Das Geheimnis liege in der Zusammensetzung der unterschiedlichen Hölzer und der unterschiedlichen Hobelmesser, verrät Wildberger. Nur so sei es möglich, die kuschelig weiche Euterwolle für die feinen Zitzen der Tiere, wie auch die ruppig derbe Wolle für die Erdbeeren oder den Weinbau herzustellen, über die nicht mal eine schleimige Schnecke kriechen möge.
Wer früher beim Lottospiel des Turnvereins den Hauptpreis gewann, konnte oft einen Früchtekorb nach Hause tragen. Gefüllt war dieser mit Leckereien, gepolstert mit Holzwolle. Auch der gute Cognac wurde schon vor Jahrzenten in mit Holzwolle gepolsterten Holzkisten verschenkt. Dann kam der Kunststoffboom, die Holzwolle verschwand. Heute haben die Direktvermarkter wie auch verschiedene Detailhändler die Holzwolle wiederentdeckt.
Gerade durch Covid-19 haben viele Hofläden an Aufmerksamkeit gewonnen. Heute liefern diese im Onlineverkauf vermehrt auch delikate Waren der Kundschaft nach Hause und tun dies häufig in mit Holzwolle gepolsterten Behältnissen. Nachhaltigkeit und Ökologie seien wichtige Attribute, die sich Direktvermarkter auf die Fahne schreiben, sagt Wildberger. Aber auch Detailhändler haben wieder angefangen, delikate Früchte und Gemüsesorten auf Holzwolle in den Läden zu präsentieren.
Als vor einem knappen Jahr die Atemschutzmasken in der Schweiz fehlten, erinnerte sich der innovative Geschäftsmann an die antiseptische und hygroskopische Eigenschaften von Holz. Wildberger liess zu Beginn des ersten Lockdowns, als Atemschutzmasken fehlten, seine Holzhobelmaschinen aus Hygienegründen reinigen und stellte eine Wolle aus dem wertvollsten und härtesten Stück des Holzes her, dem Kernholz. Insgesamt habe man 1,5 Tonnen Maskenwolle produziert, genug, denn eine Maskenfüllung wiegt nur fünf Gramm und kann ungefähr 30-mal ausgewechselt werden. Eine Näherin fand Wildberger auch in der Region und zusammen mit vier weiteren Näherinnen fertigte man eine erste Serie an. Die Nachfrage war gross. Man schaltete einen Online-Verkauf auf, der richtig gut lief. Nun aber sei der Boom etwas vorbei, man lasse das Produkt auslaufen, sagt der Geschäftsführer.
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