Herausforderungen und Zukunftsaussichten der Schweinebranche

Trotz rückläufigem Trend beim Konsum und Branchenherausforderungen wird Schweizer Schweinefleisch auch in Zukunft gegessen, davon zeigt sich Stefan Müller von Suisseporcs überzeugt. Der Zucht- und Produzentenverband verfolgt Trends anhand verschiedener Monitoring-Methoden und entwickelt daraus Strategien für Marktanpassungen und stärkere Betriebe in der Schweinebranche.
Zuletzt aktualisiert am 6. Mai 2024
von Martina Graf
4 Minuten Lesedauer
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Der Schweinefleischkonsum in der Schweiz ist rückläufig. «Der Konsum von Schweinefleisch in der Schweiz nimmt jährlich um 1 bis 2 Prozent ab; insbesondere junge Konsumentinnen und Konsumenten essen weniger Schweinefleisch», sagt Stefan Müller, Geschäftsführer von Suisseporcs. Er sieht aber trotzdem eine positive Zukunft für das heimische Schweinefleisch: «Wir produzieren vor den Türen unserer Konsumentinnen und Konsumenten ein hervorragendes Lebensmittel.»

Suisseporcs vertritt die Interessen von rund 2500 professionellen Schweineproduzenten und arbeitet aktiv in den Bereichen Politik, Marketing, Beratung, Dienstleitungen, Schweinegesundheit und Marktorganisation zur Stärkung der Branche.

Der Verband ist basisdemokratisch organisiert; wichtige Entscheide werden von Delegierten oder Vorständen gefällt. Dies wirkt sich verlangsamend auf die Prozesse aus. Umso wichtiger ist es, frühzeitig Prognosen zu erstellen, damit Stefan Müller mit seinem Team den entsprechenden Gremien rechtzeitig Änderungsvorschläge zur Entscheidungsfindung unterbreiten kann.

Datenerhebung und Monitoring, um Trends zu erkennen

Suisseporcs verfolgt die Entwicklung der Produktion und des Konsums mit verschiedenen Massnahmen sehr genau. Die Marktzahlen in der Schweiz sind aufgrund des geschützten Marktes relativ einfach zu erheben. «Wir haben sehr wenig Importe und keine Exporte. Wir wissen, was in unseren Schlachthöfen geschlachtet wird. Wir kennen diese Zahlen. Da haben wir Vergleichszahlen zum Vorjahr.»

Ein weiteres Messinstrument sind die Datenmeldungen der Betriebe und der Vermarkter – ein Prognosesystem. Dieses sei allerdings aktuell nur für einen Zeitraum von 15 Wochen sicher, helfe aber dennoch gut bei der Planung, so Stefan Müller. «Bei jedem Handel, also wenn die Mastjager vom Zuchtbetrieb in den Mastbetrieb gehen, wird vom Handel eine Meldung gemacht. Diese Zahlen bekommen wir wöchentlich anonymisiert.»

Und Stefan Müller hebt hervor, was Suisseporcs beschäftigt: «Laufen wir wieder in eine Schweinekrise? Brauchen wir Entlastungsmassnahmen, die wir planen müssen? Fragen wie diese wollen wir beantworten. Deshalb überlegen wir uns unter anderem zurzeit zusammen mit der Hochschule HAFL, wie wir ein umfassenderes Monitoring aufbauen können, um Überproduktionsphasen besser vorhersehen zu können.»

«Wir müssen akzeptieren, dass sich der Markt verändert und uns gezielt darauf vorbereiten und einstellen. Wenn uns das gelingt, bin ich überzeugt, dass wir auch morgen noch Schweizer Schweinefleisch zu einem fairen Preis im Laden kaufen können.»
Stefan Müller
Stefan Müller
Geschäftsführer Suisseporcs

Die Nachfrage nach Schwein geht kontinuierlich zurück

Der Schweinemarkt in der Schweiz kennt aufgrund des Schweinezyklus und des freien Marktes wirtschaftlich sehr gute und sehr schlechte Zeiten. Die Krise 2022/2023 – eine Überproduktion von Schweinefleisch – führte dazu, dass Schweinehälften mit Verlust nach Deutschland exportiert werden mussten. Das Ziel war, Tierschutzprobleme auf den Betrieben zu vermeiden.

Trotz der erfolgreichen Vermeidung einer Eskalation steht Suisseporcs weiterhin vor der Herausforderung, den Markt angesichts des rückläufigen Schweinefleischkonsums besser zu regulieren. Und so zukünftigen Krisen vorbeugen zu können. «Keine leichte Aufgabe», sagt Stefan Müller. «Unter unseren 2500 Mitgliedern gibt es unterschiedliche Meinungen zur Marktregulierung, von den Befürwortern eines völlig freien Marktes bis zu denjenigen, die eine bessere Kontrolle der Produktion fordern. An unserer Delegiertenversammlung im Mai werden die Produzenten über zukünftige Strategien entscheiden.»

Der Rückgang des Schweinefleischkonsums führt auch zur Schliessung von Betrieben oder zur Umstellung auf andere Produktionszweige. Doch das ist nicht so einfach, wie Stefan Müller erklärt: «Schweinehaltende Betriebe stehen vor der Herausforderung, dass die vorhandenen Ställe nicht einfach für andere Zwecke umgenutzt werden können, zum Beispiel für die Geflügelproduktion oder die Rinderhaltung. Bestenfalls kann ein Stall für die Pilz- oder Fischzucht umgenutzt werden.» Der Abriss von nicht amortisierten Ställen ist nicht sinnvoll; eine Produktionsumstellung ist – je nach Kanton – aus bewilligungstechnischen Gründen eine grosse Herausforderung.

Gesellschaftliche Trends und Tierwohl

Der anhaltende Trend zu weniger Fleischkonsum in den Industrieländern trifft vor allem die Schweinebranche. Es besteht ein grosser Zielkonflikt zwischen dem Wunsch nach mehr Tierwohl und der Zahlungsbereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten. Obwohl diese eine tierfreundlichere Schweinehaltung wünschen, die auch entsprechende Mehrkosten z. B. durch den Stallbau und Mehrarbeit verursacht, ist ihre Bereitschaft gering, diese Kosten mitzutragen. «Label bedeutet Mehrflächensysteme mit eingestreuten Liegeflächen und Auslauf», so Müller. «Jetzt hat die Migros angekündigt, den Anteil an Label-Schweinefleisch zu reduzieren, weil die Nachfrage an der Ladentheke zurückgeht.»

Eine grosse Herausforderung sei die Kommunikation: «Wie können wir den Konsumentinnen und Konsumenten zeigen, dass die tierfreundliche Haltung höhere Kosten verursacht und sich das im Produktpreis niederschlägt? Hier sind wir gefordert, die Leute abzuholen und den Trend zu brechen.»

Stefan Müller ergänzt: «Bei verarbeitetem Fleisch, z.B. Charcuterie-Produkten, gibt es keinen Rückgang, während der Verzehr von traditionellem Frischfleisch wie Kotelett, Steak und Schnitzel zurückgeht. Hier könnten vor allem die Verarbeiter ansetzen. Allerdings gibt es in Sachen Innovationsfreude bei der Entwicklung neuer Fleischprodukte noch Potential, insbesondere bei Produkten für junge Konsumentinnen und Konsumenten.»

Futtertrends und -entwicklungen

Geschätzt 75 % der Schweizer Schweinehalterinnen und -halter kaufen Alleinfuttermittel aus der Mischfutterindustrie. Sie verwerten 150'000 Tonnen Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie. Dabei handelt es sich um Käsereiabfälle, Kartoffelabfälle und Abfälle aus der Brotgetreideproduktion. Dazu kommen rund 1,5 Millionen Liter Schotte von der Käseproduktion. Stefan Müller dazu: «Es gibt Überlegungen, K3-Abfälle, das sind tierische Abfälle aus Schlachthöfen, thermisch zu behandeln und als Futtermittel einzusetzen, um Soja einzusparen und Nährstoffkreisläufe zu schliessen.»

Das sind grosse Mengen an Protein, die derzeit im Abfall landen. Konkret würden Geflügelabfälle thermisch behandelt, hygienisiert und in Pulverform an Schweine verfüttert. Und weiter: «Das wäre ganz im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Allerdings birgt ein solches Projekt einige Herausforderungen, was die Akzeptanz bei den Konsumenten und die Logistik betrifft.»

Das Schweinefleisch bleibt

Stefan Müller hat klare Vorstellungen, wie sich die Schweinebranche in Zukunft entwickeln wird und welche Trends sich abzeichnen. «Die Schweizer Schweineproduktion hat dank der Nähe zu den Konsumenten und der Ausrichtung auf Nachhaltigkeit eine Chance, sich auf dem geschützten Markt zu behaupten. Das Ziel, 90 Prozent des Inlandkonsums abzudecken, bleibt bestehen. Die Anpassung an die veränderten Ernährungsgewohnheiten und der - unnötige - politische Druck auf die Nutztierhaltung werden aber die Nachfrage weiter reduzieren und damit zu weniger Schweinebetrieben führen», sagt er und ergänzt: «Der Trend geht zu weniger, aber stärkeren Betrieben. Denn die jungen Schweinehalter zeigen trotz der schwierigen Marktlage grosses Interesse und Engagement. Sie bilden sich weiter, was zu einer Professionalisierung führt. Sie haben grosses Herzblut für ihre Schweinehaltung.»

Trotz des Konsumrückgangs zeigt sich Stefan Müller optimistisch: «Wir müssen akzeptieren, dass sich der Markt verändert und uns gezielt darauf vorbereiten und einstellen. Wenn uns das gelingt, bin ich überzeugt, dass wir auch morgen noch Schweizer Schweinefleisch zu einem fairen Preis im Laden kaufen können – immer vorausgesetzt, der Markt bleibt geschützt.»