Erfolgreiche Roboter-Tests im Thurgau

Die Swiss Future Farm (SFF) im thurgauischen Tänikon leistet für die Forschung und Praxis bei der Digitalisierung der Landwirtschaft Pionierarbeit. Die Projekt-Bilanz ist vielversprechend.
Zuletzt aktualisiert am 9. März 2022
von Harry Rosenbaum
5 Minuten Lesedauer

Robotik spielt in der Landwirtschaft der Zukunft eine grosse Rolle. Die digitalen Feldarbeiter, mit denen die Medienleute bekannt gemacht wurden, haben ganz normale Personennamen wie «Xaver» oder verspielte Nicknamen wie «Robotti». Sie gehorchen der Software, mit der sie gefüttert werden, den Leitsystemen, die sie führen und sie reagieren bei der Arbeit diszipliniert auf die Befehlseingaben der Menschen, die sie bedienen.

Leider kann man nach Feierabend mit ihnen kein Bier trinken gehen, obwohl sie es verdienen würden. Denn die Kumpel verrichten viele Arbeiten ganz selbständig nach Plan und entlasten so den Menschen, der dabei Zeit und Raum gewinnt, um sich anderen Dingen im Landwirtschaftsbetrieb zu widmen. Die digitalen Helfer sind eine feste Crew. Sie kommunizieren miteinander, indem sie die laufend gesammelten Daten untereinander austauschen und so sehr viel präziser und schneller als ihre menschlichen Schöpfer interagieren.

Ein grosser und ein kleiner Roboter bei der SFF

Wie beim Boxen gibt es auch bei den Feldrobotern Schwer- und Fliegengewichte. Der vierrädrige Robotti 150 D vom dänischen Hersteller Agrointelli ist ein Schwergewicht. Er wirkt durch seinen Zwischenradanbau und durch die Breite von fünf Metern raumfüllend. Der Däne funktioniert fahrerlos. Laut Hersteller ist Robotti je nach Gerätebestückung ein bis zu 3 Tonnen wiegender autonomer Geräteträger und hat zwei 75-PS-Dieselmotoren. Er kann säen, pflanzen, spritzen und leichte Bodenbearbeitung ausführen. Im Feld braucht Robotti Satelliten- und RTK-Empfang, um gute Arbeit abzuliefern.

Mit 150 Kilogramm im Leerzustand ist der ebenfalls fahrerlose dreirädrige Fendt Xaver Gen 3 aus Deutschland ein Fliegengewicht. Voll beladen kann er aber bis 250 Kilogramm auf die Waage bringen. Seine Meriten im Feld hat sich Xaver beim Säen verdient. Mit einem 20-Liter-Tank fürs Saatgut kann er auf einer halben Hektare rund 90’000 Körner zentimetergenau ablegen. Dann muss er an der Basisstation wieder neues Saatgut auftanken und die Batterie für seine Weiterfahrt auf dem Spurführungs-System «Fendt VarioGuide» nachladen. Vorzugsweise arbeitet Xaver im Schwarm mit sechs oder mehr Kollegen zusammen.

Betriebsübliche Erträge

Eingesetzt hat die SFF Xaver bei einem Feldversuch mit Mais. GPS-gesteuert trat er in Aktion. Die Saat wurde von ihm in unterschiedliche Ablagetiefen (4,5; 5.0 und 5,5 cm) ausgebracht. Der Säroboter fuhr mit unterschiedlichem Gewicht von 180 und 230 Kilogramm die langen Ackerfurchen ab. Bei 180 Kilogramm Fahrzeuggewicht und der Standard-Ablagetiefe der Aussaat von 5 Zentimetern wurde der höchste Kornertrag erzielt. Zudem zeigte sich, dass die Erträge in den Versuchsstreifen, die von Xaver eingesät worden sind, ertragsmässig im betriebsüblichen Bereich liegen.

Raps profitiert von tiefgründig vorgelockertem Boden

Die Ausbildung der Rapswurzel hängt stärker von der Art der Bodenbearbeitung als von der Düngung ab. Dies zeigte ein Versuch, den die SFF mit einer Phosphat-Tiefendüngung 20 Zentimeter unter dem Boden und einer Tiefenlockerung durchführte. Eine Pflugschar mit Röhren versehen, die Stickstoff in den Boden befördern, wird von einem Traktor übers Versuchsfeld gezogen. Das Besondere am Traktor: Der Fahrer reguliert während seiner Arbeit digital den Reifendruck seines schweren Gefährts. Dadurch wird die Verdichtung des Bodens reduziert. Mit der Tiefendüngung produzieren Spross und Pflanze insgesamt auch einen höheren Trockensubstanz-Gehalt (TS).  

Konkurrenzfähig mit Herbizidverfahren

Ohne jegliche Digitalisierung und Robotik wurde alternativ zum Einsatz von Herbiziden das Jäten mit einem 15 Meter breiten Striegel in einem Maisfeld erprobt. Der mit Hunderten von Metallhaken bestückte Rechen wurde von einem Traktor gezogen. Im biologischen Landbau ist die mechanische Unkrautbekämpfung oft die einzige Möglichkeit, unerwünschte Gräser und Kräuter vom Feld fernzuhalten. Resistenzen, fehlende Wirkstoffe sowie die umweltschützende Forderung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, machen die mechanische Unkrautbekämpfung auch in der übrigen Landwirtschaft immer bedeutender. Das Team der SFF hat 2020 mit Versuchen zur mechanischen Unkrautbekämpfung beim Silomais begonnen und die Versuche 2021 weitergeführt. In einer umfassenden Deckungsbeitragsrechnung konnte gezeigt werden, dass das Striegelverfahren trotz sehr nassen Bedingungen auch 2021 wirtschaftlich konkurrenzfähig mit dem Herbizidverfahren war. Beim Versuch ging es um eine praxisnahe Gegenüberstellung von herbizidlosen, herbizidreduzierten und chemischen Beikrautregulierungsmassnahmen beim Silomais. Beim Striegelverfahren wurden nur wenige Maispflanzen ausgerissen, weil bei den Haken der Druck auf den Boden entsprechend reguliert werden kann.

Robotti Rosenbaum

Digitale Landwirtschaft macht Investmentbanker hellhörig

Die Bank Vontobel wirbt bei Investoren für das «Smart Farming». In einem Beitrag auf der Website heisst es: «Die digitale Landwirtschaft will den Ertrag optimieren. Dafür kombiniert sie neue Technologien (GPS-Dienste, Sensoren und Robotik) und eine neue Art der Informationsverarbeitung (Big Data).» Das Ziel der Landwirte sei es, auf gleicher Fläche mehr Lebensmittel zu produzieren. Dafür kämen hochpräzise Pflanz-, Dünge- und Bewässerungsmethoden zum Einsatz oder fortschrittliche Traktoren, die grosse Mengen an Daten sammelten, analysierten und dann verarbeiteten. Der Digitalisierungs- und Robotikschub in der Landwirtschaft sei eine reale Chance zur Verbesserung der Ernteerträge. – Für Investoren ein interessantes Thema, weil sich so im Agrobusiness neue Geschäftsfelder auftun.

In Grossbritannien werden solche Geschäftsfelder bereits angedacht. Das «Precision Farming» liegt im Trend. «Die Zeit ist reif für Roboter im Abo», wird Fabian Wallace-Stephens im britischen Magazin «Wired UK» zitiert. Wallace-Stephens ist Senior Researcher beim Think Tank RSA. Viele britische Landwirte hätten Kleinbetriebe, denen das nötige Kapital fehle, um in die Digitalisierung und Robotik zu investieren, wird der Ökonom von dem Magazin weiter zitiert. Wallace-Stephens schlägt vor, die Risiken dieser grossen Vorabinvestitionen abzumildern, indem man «Robots as a Service» anbiete. Ein Modell, das nicht das gleiche Mass an Vorabinvestitionen erfordere, sondern durch Transaktionsgebühren getragen würde. Die «Small Robot Company», ein innovatives IT-Unternehmen im Vereinigten Königreich, will bis 2024 Roboter als Service für die Landwirtschaft anbieten und dafür ein Leasing-System einführen.

Fragen zur Digitalisierung in der Landwirtschaft

Alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann hatte im Juni 2018 in Tänikon die «Charta zur Digitalisierung der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft» unterzeichnet. An der Ausarbeitung der Erklärung waren auch Agroscope und führende Mitarbeitende der seit zwei Jahren aktiven SFF beteiligt. Mit der Charta soll die technologische Entwicklung sowohl der Innen- als auch der Aussenwirtschaft vorangebracht werden.

Ist diese Charta für die SFF ein Leitfaden für Forschung und Praxis bei der Digitalisierung in der Landwirtschaft? Nils Zehner von der SFF bejaht die Frage. «Die Charta und die Ziele der SFF sind deckungsgleich. Bei der Forschung und ihrer praktischen Umsetzung steht für uns vor allem Artikel 11 im Fokus.» Dazu heisst es: «Wir unterstützen Forschungsaktivitäten, zielgruppengerechte Weiterbildungs- und Beratungsdienstleistungen sowie innovative Geschäftsideen. Synergien sollen genutzt, Ressourcen gebündelt und Wissen übertragen werden, um Innovationen anzustossen.» Bei der SFF würden beispielsweise Roboter ausgetestet und die Ergebnisse an die Hersteller weitergeleitet, führte Nils Zehner weiter aus. «Wir sind auch bestrebt, Pilot- und Leuchtturmbetriebe in der Landwirtschaft auf die Beine zu bringen.»

Ackerland, Süsswasser und andere Ressourcen für die Landwirtschaft sind beschränkt, teilweise sogar knapp. Kann die Digitalisierung die Erträge des Ackerlandes erhöhen, ohne die natürlichen Ressourcen weiter zu belasten? Nils Zehner sagt: «Digitalisierung ermöglicht teilflächenspezifische Düngung, weil über Drohnen- und Satellitenaufnahmen ertragreiche und ertragsschwache Böden ausgewiesen werden können. Das verhindert eine Düngung an den falschen Orten und somit auch die Belastung des Grundwassers.» Die Sicherstellung der Nachhaltigkeit sei gerade in der Landwirtschaft sehr wichtig, denn jeder Quadratmeter Boden sei kostbar.

«Aufgebauschtes Schreckgespenst»

In der Schweiz sind Arbeitskräfte – vor allem in der Erntezeit – Mangelware. Wird die Landwirtschaft durch die Digitalisierung letztlich gar keine Arbeitskräfte mehr brauchen? «Dass die Arbeitsplätze durch die Digitalisierung und Robotik wegrationalisiert werden, ist ein aufgebauschtes Schreckgespenst. Ein Teil der Erntehilfskräfte ist durch den Mähdrescherfahrer ersetzt worden. Und durch Digitalisierung und Robotik wird der chronische Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft kompensiert werden können», sagt Nils Zehner. Vollautomatisierte Landwirtschaftsbetriebe, auf denen keine Menschen mehr nötig seien, werde es aber nicht geben, meint der Agronomy and Farm Solutions Manager bei der SFF. «Die Produktionskette braucht Menschen als Arbeitskräfte, sowohl in der Logistik wie auch in der Verwaltung und in der Planung. Und dort wo technische Lücken bestehen, können sie nur durch Menschen geschlossen werden.»