Dieser Bio-Betrieb setzt auf Gemüse-Vielfalt

Vielfalt ist auf dem Bio-Betrieb Müller im zürcherischen Steinmaur Trumpf. Rund 40 Gemüse- und Kräutersorten sowie Orchideen produzieren Müllers. Ebenso diversifiziert ist der Absatz, vom Hofladen bis zum Online-Händler.
Zuletzt aktualisiert am 28. April 2023
von Jonas Ingold
4 Minuten Lesedauer
Samuel_Mueller_jin

Die Hofladen-Dichte in Steinmaur ist gross. Rund 7 stehen den gut 3000 Einwohnerinnen und Einwohnern zur Verfügung. Einer der grössten gehört zu Müller Steinmaur, einem Bio-Gemüsebetrieb. Auf 60 Hektar Freiland und 2,5 Hektar Gewächshaus bauen Müllers rund 40 verschiedene Gemüse und Kräuter an. «Wir sind breit aufgestellt und vermeiden so ein Klumpenrisiko», erklärt Betriebsleiter Samuel Müller.

Das Gemüse ist Aushängeschild des Hofladens, der von der Grösse und dem Sortiment her einem Dorfladen gleicht. Ausgebaut haben Müllers während Corona, wegen Abstandsgeboten und der hohen Nachfrage. Die Umsätze der Corona-Zeit erreicht der Laden, wie viele Direktvermarkter, nicht mehr. Im vergangenen Jahr sei der Hofladen-Umsatz um etwa 30 Prozent zurückgegangen, so Samuel Müller. Das Konsumverhalten der Menschen hat sich wieder verändert. Das merkte er auch am Salat, der letztes Jahr auf den Feldern sehr zum Leidwesen Müllers teils auf den Feldern stehen blieb.

Effizienz mit Farmy

Die Direktvermarktung ist nur ein Teil des Absatzes. Neben den Detailhändlern geht ein bedeutender Anteil des Gemüses an Farmy.ch, einem Bio-Onlinehandel. Auch dieser erlebte zu Corona-Zeiten eine Hochzeit. Die Nachfrage sei aber auch dort zurückgegangen, sagt Müller. Von der Zusammenarbeit mit Farmy.ch spricht er mit Begeisterung.  Um Mitternacht kommt die Bestellung von Farmy.ch rein, ab 6 Uhr rüsten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Ware. Um 8.15 wird diese abgeholt. «Das ist fantastisch. Die Kundinnen und Kunden erhalten erntefrisches Gemüse und wir benötigen keinerlei Zwischenlager, keine gekühlten Transporte oder ähnliches», so Müller. «Zudem bestellt Farmy.ch nur, was schon verkauft ist. Damit entsteht keinerlei Food Waste.»

Ingwer-Pioniere

Vor einigen Jahren entdeckte Stephan Müller, Samuels Vater, im US-amerikanischen Portland eine Ingwer-Produktion. Da kam der Gedanke auf, dass dies in der Schweiz auf einem ähnlichen Breitengrad auch funktionieren müsste. Vor 8 Jahren startete er deshalb das Ingwer-Projekt. Die ersten Versuche zeigten, dass es funktioniert und seither wächst im Gewächshaus der Familie Müller Ingwer. Mehr dazu erfährst du im LID-Artikel «Ingwer boomt» aus dem Jahr 2020.

Bio-Gurken wachsen in einem Gewächshaus.

Bodenschonende Arbeit

Der sorgfältige Umgang mit Ressourcen steht bei Müllers weit oben, wie sich im Gewächshaus zeigt. Die ersten Tomaten sind Ende April bald erntereif. Wie im Bio-Landbau vorgeschrieben, wachsen die Tomaten im Boden und nicht Hors-sol. Müller verzichtet dennoch auf eine Bodendesinfektion durchs Dämpfen. «Durchs Dämpfen gehen auch die Bodenorganismen ein, die für gesunde Böden sorgen», so Samuel Müller. Bisher sei er trotz fehlendem Dämpfen sehr gut gefahren. Eine wichtige Rolle nehmen im Betrieb Nützlinge ein, die Schädlinge wie Blattläuse bekämpfen, die derzeit in den Blättern der Gurken sitzen. In kleiner Menge stellten sie aber kein Problem dar, erklärt der Betriebsleiter.

Lieber Import statt Schweizer Salat

Ein Gewächshaus weiter wächst Salat. Derzeit ein Ärgernis für den Betrieb. Denn er kann den Salat schwer absetzen. Der Grund sind die aktuellen Importe und fehlende Freilandware. Weil das Schweizer Angebot aus dem Gewächshaus eher klein ist und gleichzeitig die Freilandware wegen des kühlen Wetters noch nicht zur Ernte bereit, setzen die Detailhändler lieber auf Importware statt Zürcher Salat. Der Betriebsleiter hofft, den Gewächshaus-Salat dennoch absetzen zu können. Alles andere wäre «ganz schlimm».

Bezüglich Detailhandel plädiert Müller für mehr Toleranz bezüglich der optischen Normen. So kann ein kleiner Befall mit Thripsen, rund 1mm kleinen Schädlingen, dazu führen, dass Lauch nicht mehr geliefert werden kann. «Er wäre zwar qualitativ einwandfrei, entspricht aber optisch nicht den Normen», erklärt Müller. «Es muss eine gesunde Toleranz her, damit Landwirtinnen und Landwirte nicht gezwungen sind, zu Pflanzenschutzmitteln zu greifen.»

Basilikum steht in Töpfen in einem Gewächshaus.

Regenerativ in die Zukunft

Wie sieht Müller die Zukunft des Betriebes? «Ich reisse gerne neues an, neue Produkte, neue Produktionsmethoden», sagt Müller. Derzeit interessiert ihn besonders die regenerative Landwirtschaft, die auf den schonenden Umgang mit der Ressource Boden setzt: «Gesunde Böden sorgen für gesunde Pflanzen. Und gesunde Pflanzen können sich gut selbst schützen.»

Soziale Arbeit

Müller Steinmaur ermöglicht es Menschen, denen eine Ausbildung im 1. Arbeitsmarkt nicht möglich ist, auf dem Betrieb eine Ausbildung als Zier- und Topfpflanzengärtner oder als Agrarpraktikerin zu absolvieren. Dies in Zusammenarbeit mit dem Verein axisBildung. Geführt wird der Betriebszweig, in dem auch Orchideen gezüchtet werden, von Lukas Müller, Samuels Bruder. «Es ist auch ein Auftrag der Gesellschaft, dass wir Menschen die Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen», sagt Samuel.