
Der Konsum im Wandel
Das diesjährige Swiss Forum Agro.Food. widmete sich dem Wandel des Konsums. Wie kaufen die Schweizerinnen und Schweiz...
Wie verändert sich unser Konsum? Und wie können Wirtschaft, Landwirtschaft und Gesellschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen? Beim SWISS FORUM: AGRO. FOOD. trafen sich Unternehmerinnen, Experten, Politiker und Pioniere, um über die Herausforderungen der Zukunft zu diskutieren. Eines wurde schnell klar: Der Wandel ist überall – und er braucht Orientierung, Mut und Weitsicht.
Christof Schenk, Inhaber der Holderhof Produkte AG, nahm die Teilnehmenden mit auf eine Reise durch die Entwicklung seines Unternehmens – vom ersten Holundersirup bis zur nationalen Marktführerschaft im Sirupbereich. «Wenn du als Neuer in einen gesättigten Markt kommst, musst du anders denken», so Christof Schenk. Die Holderhof Produkte AG setzt heute auf flexible Produktionsprozesse und direkte Kundenorientierung statt auf klassische Markenwerbung.
Die Getränkewelt sei im Wandel, aber gewisse Dinge blieben konstant: «Wir werden auch in 20 Jahren Orangensaft, Apfelsaft und Eistee trinken – einfach in anderer Form», sagte er. Gleichzeitig entstehen neue Getränketrends wie das Mate-Getränk «El Tony», das bereits in einzelnen Kanälen mit Red Bull gleichzieht. Christof Schenk ist überzeugt: «Solche Produkte setzen sich durch, weil sie Knowhow und Handwerk erfordern – das lässt sich nicht so einfach kopieren.»
Was hat eine Uhrenmarke mit der Zukunft des Konsums zu tun? Eine ganze Menge, wie Claudine Gertiser, Co-CEO von Oris SA, zeigte. Die Traditionsmarke aus Hölstein im Kanton Basel-Landschaft entwickelt seit über 120 Jahren mechanische Uhren – und steht dennoch für Innovation. «Wir zelebrieren die Uhr als Erlebnis», sagte Claudine Gertiser. Dabei setzt die Oris SA auf Unabhängigkeit, Nachhaltigkeit und Handwerkskunst: Armbänder aus Hirschlederabfällen, Ziffernblätter aus recyceltem PET – und ein Uhrwerk mit fünf Tagen Gangreserve.
Auch die Beziehung zum Kunden hat sich gewandelt: «Der Konsument erwartet heute ein Erlebnis – egal, welches Budget», erklärte Claudine Gertiser und ergänzte: «Darauf müssen wir eingehen.» Die Konkurrenz durch Smartwatches sieht Claudine Gertiser allerdings gelassen: «Eine mechanische Uhr ist Emotion, eine Smartwatch ist Technik – das sind zwei völlig verschiedene Welten.»
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Lino Guzzella, ehemaliger ETH-Präsident, brach in seinem Vortrag eine Lanze für die Wissenschaft – und gegen politische Illusionen. Mit anschaulichen Grafiken und zugespitzten Thesen zeigte er, dass der Energiehunger der Menschheit in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen wird – und dass dieser Hunger mit aktuellen Strategien kaum zu stillen ist.
«Wenn wir in der Schweiz bis 2050 auf fossile Energieträger verzichten wollen, brauchen wir 50 Prozent mehr Strom – im Winter wohlgemerkt», so Lino Guzzella. Photovoltaik allein reiche nicht, besonders nicht im Mittelland, wo der Winterertrag gering sei. Seine Mahnung: «Energie ist kein Spielzeug – sie ist eine Voraussetzung für ein sicheres Leben.» Gleichzeitig rief er dazu auf, Denkverbote zu vermeiden und realistische Lösungen zu finden. «Absichtserklärungen sind gut, Resultate sind besser und Denkverbote sind schlecht», so sein klares Plädoyer. Der Wissenschaftler machte deutlich: Der Weg zu einer CO₂-armen Zukunft ist nur mit massiven Investitionen in Stromproduktion – und realistischem Blick auf die Möglichkeiten – zu schaffen. Ein Punkt, der auch für die Landwirtschaft zentral sei: «Die Landwirtschaft ist der beste Staubsauger für CO₂ aus der Luft», betonte er.
Auch im Schwingsport weht ein neuer Wind. Matthias Sempach und Matthias Glarner, beide Schwingerkönige, sprachen über den Wandel im Schweizer Nationalsport. Während früher Beruf und Schwingen mühsam unter einen Hut zu bringen waren, komme heute eine neue Generation mit völlig anderen Ansprüchen: «Die Jungen sagen: Sag mir, wie ich trainieren soll – den Rest plane ich drumherum», erzählte Matthias Glarner.
Diese Professionalisierung sei ein Gewinn für Technik und Athletik, aber auch eine Herausforderung für die Tradition. Matthias Sempach betonte: «Werte wie Respekt und Fairness müssen bestehen bleiben.» Gerade im Vergleich mit anderen Sportarten sei das Schwingen ein Vorbild – auch im Umgang mit Emotionen. Einig waren sich beide: Die Entwicklung muss mit Augenmass geschehen – und das Format des Schwingfests als gesellschaftliches Erlebnis soll unangetastet bleiben. Schwingen müsse trotz Wandel seinen Charakter bewahren – bodenständig, respektvoll, gemeinschaftlich.
Ralph Siegl, CEO von Hochdorf Swiss Nutrition, blickte auf bewegte Jahre zurück. Noch vor kurzem stand die traditionsreiche Firma vor dem Aus. «Auch Turbulenzen sind ein Zeichen von Wandel», sagte er. Dank einem Investor und einer klaren Neuausrichtung gehe es nun wieder aufwärts. «Die Zukunft der Milch liegt nicht in der Masse, sondern im Mehrwert», erklärte er weiter. Statt klassischer Molkereiprodukte setzt Hochdorf zunehmend auf funktionale Milchpulver, Babynahrung und Spezialprodukte für medizinische Ernährung.
«Milchproteine sind wertvolle Bausteine moderner Ernährung», so Ralph Siegl. Um Kapital und junge Talente für die Branche zu gewinnen, brauche es aber ein Umdenken: Weg von der Vergangenheit, hin zu einem modernen Selbstverständnis als Nahrungsmittelunternehmen mit Fokus auf Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit.
Auch der Fleischmarkt steht unter Druck – durch verändertes Konsumverhalten, neue Produktionsformen und wachsende ethische Anforderungen. Reto Sutter, CEO der Ernst Sutter AG, und Andreas Bernhard, Zentralpräsident von Suisseporcs, analysierten gemeinsam die Transformation der Branche. Reto Sutter berichtete, wie sich Produktionsprozesse durch IT und Automatisierung stark verändert haben. Gleichzeitig sei das Konsumverhalten spontaner und die Portionierung kleinteiliger geworden.
«Heute zählt Convenience und Flexibilität – aber auch Verantwortung», so Reto Sutter. Und für Andreas Bernhard ist klar: «Labels mit Tierwohlbezug haben viel bewegt – und zum Glück haben wir das Thema in der Schweiz aufgenommen.» Beide sehen im Schweizer Fleisch – produziert unter strengen Bedingungen – ein Qualitätsprodukt, das seinen Platz auch in der Zukunft hat. Wichtig sei nicht die Quantität, sondern die Frage: «Wie und wo wurde das Fleisch produziert?»
Das SWISS FORUM: AGRO. FOOD. machte klar: Der Wandel ist überall – in der Landwirtschaft, in der Industrie, in der Gesellschaft. Aber ob Getränke, Milch, Fleisch, Energie oder Sport: Der Wandel muss gestaltet werden. Die Referentinnen und Referenten zeigten auf, wie unternehmerisches Denken, wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Werte zusammenwirken können, um tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Oder wie es Schwingerkönig Matthias Glarner auf den Punkt brachte: «Jede Generation soll prägen – aber die Werte müssen bleiben.»
Hinweis: Der LID ist Mitglied des Trägerschaftsvereins des SWISS FORUM AGRO.FOOD.
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