Vom Feld in die Flasche: Das Tessiner Biomalz aus Cadenazzo

Es ist eine der unentbehrlichen Zutaten für das Bierbrauen: Die Rede ist von Braumalz, das dank eines Verfahrens gewonnen wird, das nun auch im Tessin durchgeführt wird, mit in der Magadinoebene angebautem Getreide. Unweit von Bellinzona wird in einer kleinen Mälzerei Biogerste zu hundertprozentig biologischem Tessiner Malz verarbeitet.
Zuletzt aktualisiert am 21. September 2023
von Renate Hodel
4 Minuten Lesedauer
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In Cadenazzo, im Herzen der Magadinoebene, liegt inmitten von Gersten-, Weizen-, Mais- und Sojafelder die Masseria Ramello. Der Biobetrieb kann auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurückblicken und wird heute von Adrian Feitknecht in der dritten Generation geführt. 2020 wurde dort eine kleine Mälzerei in Betrieb genommen, die es den regionalen Brauereien ermöglicht, hundertprozentig biologisches Tessiner Malz für ihre Biere zu verwenden.

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Bei einem Bier kam Adrian Feitknecht und Manuel Bolliger die Idee für die regionale Mälzerei. (rho)

Die Idee entstand bei einem Bier

«Wir sind beide Bierliebhaber und das Projekt entstand aus einer Schnapsidee heraus», erklärt Manuel Bolliger. Es begann alles bei einem gemütlichen Bier, als sich Adrian Feitknecht und Manuel Bolliger die Frage stellten, warum es zwar Tessiner Bier gibt, dieses aber nicht aus Tessiner Malz hergestellt wird. «Wir haben uns gesagt: Lass uns die Bierbrauereien mit Tessiner Malz beliefern – so ist die Idee der Mälzerei entstanden», erzählt Manuel Bolliger weiter.

Als Landwirt verfügte Adrian Feitknecht über das nötige Ackerbauwissen und so entschieden sich die beiden, Braugerste anzubauen und daraus gleich selbst Malz herzustellen. In der Scheune wurde eine kleine Mälzerei eingebaut und nach zahlreichen Tests und Experimenten präsentierten sie schliesslich ein zufriedenstellendes Produkt – so nahm die Malteria Ticinese 2020 offiziell ihren Betrieb auf.

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Die Kunst des Mälzens

Die Gerste, Hirse oder Weizen stammen direkt von den Feldern von Adrian Feitknecht und durchlaufen eine sorgfältige Reinigung und Klassifizierung. Sobald die Trennung zwischen Futter- und Braugetreide erfolgt ist, beginnt der Mälzungsprozess. Das Getreide, das anfangs etwa 12 Prozent Feuchtigkeit aufweist, wird eingeweicht, bis es etwa 48 bis 49 Prozent Feuchtigkeit hat und zu keimen beginnt. Der Keimprozess wird dabei mit der Zufuhr von kalter Luft kontrolliert und schliesslich mit einer Heisslufttrocknung unterbrochen. «Beim Mälzen holen wir die besten Eigenschaften fürs Brauen aus dem Korn heraus», erklärt Manuel Bolliger.

Nachdem das Korn getrocknet ist, erfolgt die Reinigung und Verpackung des Braumalzes je nach den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden. «Vom Feld bis zum fertigen Malz dauert es ungefähr eine Woche», erklärt Manuel Bolliger.

Für ihre Mälzerei mussten Adrian Feitknecht und Manuel Bolliger ihr eigenes Rezept austüfteln respektive ausprobieren bis alles gestimmt hat. «Wir mussten herausfinden, wie lange das Getreide eingeweicht, wie lange es mit Kaltluft gekeimt und bei welchen Temperaturen es getrocknet werden muss», erklärt Manuel Bolliger. So haben die beiden sich ihr Knowhow selbst erarbeitet – allerdings mit Schützenhilfe: «Wir haben sehr offene Gespräche mit anderen Kleinmälzereien in der Schweiz geführt und konnten so unser Basisrezept zum Mälzen aufbauen.»

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Die ersten Mälzversuche haben Adrian Feitknecht und Manuel Bolliger in diesem Betonmischer gemacht. (rho)

Ein Malz für jede Brauart

Dieser komplexe Mälzungsprozess ermöglicht es der Malteria Ticinese, sowohl Basis- als auch Spezialmalze anzubieten, ideal zum Brauen unter anderem von Amberbier und anderen Sorten. Aus Braugerste wird Pilsner, Pale-Ale-, Münchner und Spezialmalz produziert und aus Weizen entsteht zusätzlich ein Weizenmalz – insgesamt also fünf Sorten. Die Malzfarbe wird hauptsächlich durch die Trocknungstemperatur beeinflusst. «Bei einem hellen Basismalz sind wir ungefähr zwischen 70 und 80 Grad – je höher wir mit den Temperaturen gehen, desto dunkler wird das Malz», erläutert Manuel Bolliger.

Bei den Spezialmalzen wird dann auch das Rezept leicht angepasst: «Beispielsweise beim Münchner Malz, das einen Karamellgout hat, gibt es eine feine Kristallisierung des Restzuckers im Korn – das heisst, wir führen etwas mehr Wasser zu, trocknen es dann aber auch schneller, dass der Restzucker schneller karamellisiert», erklärt Manuel Bolliger.

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500 Kilogramm Getreide verarbeitet die Malteria Ticinese jede Woche zu hochwertigem Braumalz. (rho)

Lokal, nachhaltig und hochwertig

So produzieren Adrian Feitknecht und Manuel Bolliger in ihrer Kleinmälzerei rund 500 Kilogramm Malz pro Woche – ein sehr kleiner Tropfen für die Schweizer Brauereien, die jährlich mehr als 70’000 Tonnen Braumalz benötigen. So wird die Amortisierung des Projekts auch noch eine Weile dauern und hat sich aufgrund der Herausforderungen in der Gastronomie, die durch die Coronaviruspandemie verursacht wurden, sicher auch noch etwas verzögert. Adrian Feitknecht und Manuel Bolliger schätzen, dass es noch 10 bis 15 Jahre dauern wird, bis sich das Projekt vollständig amortisiert hat.

Trotzdem ist die Erweiterung der Mälzerei ein langfristiges Ziel der beiden. Die Qualität stehe aber im Vordergrund, sagt Manuel Bolliger: «Unser Ziel ist es, vor allem lokal zu arbeiten und mit unserem Biomalz und den kleinen Chargen uns in unserer Nische zu etablieren.» So vermag das Malz aus Cadenazzo preislich auch nicht mit ausländischen Produkten konkurrieren, aber es übertrifft diese in punkto Qualität und damit punkten sie bei ihren Kunden. Rund zwanzig fixe Kunden beliefert die Malteria Ticinese regelmässig mit hochwertigem Biomalz – von Kleinbrauereien, die ein paar 100 Liter pro Jahr brauen, über mittelgrosse und sogar grosse Brauereien. So beispielsweise die Birreria San Gottardo, die ihre Biere derzeit noch in der Brauerei Rosengarten in Einsiedeln brauen lässt, bis sie die Mindestproduktion von Hektolitern erreicht, die erforderlich ist, um die Produktion im Tessin zu etablieren. Das Mälzereiprojekt von Adrian Feitknecht und Manuel Bolliger trägt also auch dazu bei, die regionale Bierkultur zu fördern und die Nachhaltigkeit im Bierbrauen voranzutreiben.

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