Mehr Zeit nach der Hof- und Weidetötung

Eine grosse Hürde für die Hof- und Weidetötung fällt: Das BLV lockert die Zeitregel von der Tötung bis zur Verarbeitung im Schlachtbetrieb. Neu gibt es 90 Minuten Zeit. Damit dürfte diese Methode für deutlich mehr Betriebe praktikabel werden.
Zuletzt aktualisiert am 20. Dezember 2023
von Jonas Ingold
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Johanna Probst Fibl Weideschlachtung Bei Nils Müller Biomedialibrary

Mit der Hof- und Weidetötung soll den Tieren unter anderem der Transportstress erspart werden, sie können bis zum Ende in ihrer gewohnten Umgebung sein. Seit 2020 ist es in der Schweiz erlaubt, Tiere auf dem Hof oder auf der Weide zu töten. Die Regeln sind aber insbesondere aufgrund der Lebensmittelhygiene streng. So mussten die Tiere bisher innerhalb von 45 Minuten in den Schlachtbetrieb gebracht und ausgenommen werden.

Eine Zeitfrist, die für viele Betriebe, welche an der Hof- und Weidetötung interessiert sind, zu knapp ist. Und jene, die innerhalb der Frist zu einem Schlachtbetrieb gelangen können, setzte es unter grossen Zeitdruck. Deshalb kam die Forderung auf, diese Hürde zu senken, indem die Zeitfrist erhöht wird.

Nun hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) reagiert und die neu erlaubte Zeitspanne auf 90 Minuten verdoppelt. Der Frist stünden keine wissenschaftlichen Erkenntnisse entgegen, heisst es in den Erläuterungen des BLV zur Änderung der Verordnung über die Hygiene beim Schlachten. Mit dem Entscheid dürften künftig mehr Bäuerinnen und Bauern in die Hoftötung einsteigen.

Mehr Betriebe dürften einsteigen

«Die Verlängerung der Zeitvorschrift halten wir für sehr sinnvoll», sagt Sarah Haug, Projektleiterin beim KAGfreiland-Hoftötungsprojekt «Lebwohl». Bisher sei es in vielen Landwirtschaftsbetrieben nicht möglich gewesen, Hoftötung zu betreiben, da sich kein Schlachtlokal in unmittelbarer Nähe des Betriebs fand.

«Wir gehen davon aus, dass nun diejenigen Betriebe Hof- und Weidetötung einsetzen, die bis anhin zu weit vom nächsten Schlachtbetrieb entfernt waren, z.B. Betriebe aus Rand- oder Berggebieten sowie Regionen, in denen es nicht mehr viele Schlachtbetriebe gibt», sagt auch Milena Burri vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL).

Wie viele es sein werden, sei schwierig abzuschätzen. «Wir rechnen damit, dass einige Betriebe auf diese schonende Schlachtmethode umsteigen, es werden wohl nicht Hunderte aber einige Dutzend dürften es sein», so Burri. In letzten Jahren habe das FiBL immer wieder Anfragen von Betrieben erhalten, die gerne auf dem Hof töten wollten, dies aber nicht konnten, weil kein Schlachtbetrieb in 20 Minuten Fahrt erreicht werden konnte. «Im Moment wird es sich vor allem um direktvermarktende Betriebe handeln, weil das Fleisch bisher noch nicht im grossen Stil bei den Grossverteilern verkauft wird», so Burri.  

90 Minuten für die Schweiz ausreichend

Damit verdoppelt das BLV zwar die Zeitspanne, erhöht sie aber nicht auf das EU-Niveau, wo 120 Minuten erlaubt sind. Die 90 Minuten sind nach Ansicht von Sarah Haug von KAGfreiland genügend Zeit: «Die Verlängerung auf 90 Minuten ist ein grosser Fortschritt und erachten wir als ausreichend. Die reine Transportzeit des Tierkörpers zum Schlachtlokal kann mit der Verlängerung bis zu 60 Minuten betragen. Somit wird es den meisten Landwirtschaftsbetrieben möglich sein, ein Schlachtlokal in dieser Zeitspanne anzufahren und somit die Zeitvorschrift einhalten zu können.»

Milena Burri vom FiBL: «Obwohl auch mit einer Ausweitung auf 120 Minuten nachweislich keine negativen Auswirkungen auf die Fleischhygiene zu erwarten sind, ist unserer Meinung nach eine Verlängerung auf 90 Minuten in der Schweiz gut umsetzbar, da die Strukturen kleinräumiger sind als in der EU.»  Auch aus den Randregionen und Berggebieten sei es meistens möglich, in 90 Minuten einen Schlachtbetrieb zu erreichen. Sie ergänzt, dass dies gleichzeitig den kleineren, regionalen Schlachthäusern Aufträge bringe.

Kostenintensive Probeschlachtungen

KAGfreiland weist auf eine weitere Hürde hin, die sich den Bäuerinnen und den Bauern stellt. «Der Erhalt der Bewilligung für die Hof- oder Weidetötung ist für Landwirtschaftsbetriebe mit hohen Kosten verbunden», sagt Sarah Haug. So müssen für eine definitive Bewilligung fünf Probeschlachtungen auf dem Betrieb durchgeführt werden, die jeweils vom kantonalen Veterinäramt vor Ort kontrolliert werden.

Neben den regulären Kosten für die Hoftötung müsse der Betrieb also auch die Kosten des Veterinäramts übernehmen, sagt Sarah Haug. Um diese finanzielle Hürde zu verringern, übernimmt die Nutztierschutz-Organisation im Rahmen des Projekts «Lebwohl» für Projektbetriebe die Kosten der Veterinärämter während des Bewilligungsverfahrens. Betriebe, welche von Bio Suisse oder Demeter zertifiziert sind, können am Projekt «Lebwohl» teilnehmen.

Infos für Interessierte Landwirtinnen und Landwirte gibt es auf der Website von Bio Aktuell