«Ich hoffe, dass das Vertrauen wieder gestärkt wird»

Die künftige Ausrichtung der Agrarpolitik bewegt. In welche Richtung und in welchen Schritten sie vorangehen soll, wurde am Agrarpolitik-Forum an der Hochschule HAFL diskutiert.
Zuletzt aktualisiert am 2. September 2022
von Jonas Ingold
3 Minuten Lesedauer

Eine Revolution oder Evolution der Landwirtschaft? Das Agrarpolitik-Forum an der HAFL in Zollikofen ging dieses Jahr bereits in die 5. Runde. Peter Spring, Leiter Agronomie HAFL, räumte ein, dass das Forum noch nicht alle Probleme der Agrarpolitik gelöst habe, aber viele wertvolle Denkanstösse und Lösungsansätze zur Diskussion stellen konnte. Spring ist überzeugt davon, dass es einen Systemansatz braucht, um das Schweizer Ernährungssystem nachhaltig zu entwickeln.

Wer schreitet voran? Politik oder Branche?

Soll es in kleinen oder grossen Schritten weitergehen? «Manchmal macht es den Anschein als trete man bei kleinen Schritten an Ort. Da stellt sich die Frage, ob es einen grossen Schritt braucht, bei der die Stufe aber hoch liegt», so Spring zum Eingang der Veranstaltung. Und: «Sollen die Schritte aus der Politik kommen, oder wäre es nicht an der Branche, diesen zu machen?»

Spring zeigte sich positiv: «Die Landwirtschaft wird und muss der erste energieautarke Sektor sein. Es bietet sich die Chance, einen Pflock einzuschlagen, Vorreiterin zu sein und einen Schritt vorauszugehen.»

Die Agrarpolitik alleine bringt's nicht

Wieso braucht es eine neue Agrarpolitik? Martin Pidoux, an der HAFL verantwortlich für Agarpolitik und -märkte verwies bei dieser Frage auf den politischen Kontext. Dieser sei derzeit aufgrund der Vielzahl von Initiativen unbeständig. Dass eine Debatte mit der Bevölkerung geführt werde, sei zwar positiv, doch jede Initiative hinterlasse ihre Spuren. Wie Spring zeigte sich auch Pidoux überzeugt, dass es mehr als eine reine Agrarpolitik braucht. «Es geht um die Ernährungssicherheit durch Nachhaltigkeit – und zwar von der Produktion bis zum Konsum.» Die Schweiz könne nicht nur auf die Landwirtschaft und ihre Produktion schauen, sondern müsse das gesamte Ernährungssystem miteinbeziehen.

Diskussion auch in der EU

Das gilt nicht nur für die Schweiz, sondern auch für die EU. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) könne nicht alles richten, sagte Cécile Détang-Dessendre, stv. Wissenschaftliche Direktorin beim französischen Agrar-Forschungsinstitut Inrae. Die künftig grüner ausgerichtere GAP führe zu weniger Produktion und mehr Importen und Konkurrenz für die EU-Landwirte. «Wenn wir eine grünere GAP wollen, dann brauchen wir auch eine darauf ausgerichtete Handelspolitik», so Détang-Dessendre, die damit aufzeigte, dass Agrarpolitik nicht für sich alleine gesehen werden kann.

Können Kommissionen es richten?

Für eine integrale Ernährungssystemstrategie sprach sich Lukas Fesenfeld, der an der Universität Bern und der ETH Zürich tätig ist, aus. Es bleibe nicht mehr viel Zeit, dass Ruder herumzureissen, betonte Fesenfeld. Es komme sonst der Punkt, wo das Ruder etwa im Klimabereich nicht mehr rumgerissen werden könne.

Ein Problem sei, dass keine gemeinsamen Visionen entwickelt würden. Alle pochten auf das Maximum, so lande man in einer Sackgasse. Als mögliche Plattformen, um Lösungen zu entwickeln sieht er Ernährungskommissionen wie die Zukunftskommission Landwirtschaft in Deutschland.

Hj Walter Jin
Hansjörg Walter war von 2000 bis 2012 Präsident des Schweizer Bauernverbandes. (ji)

Grosse Änderungen gab es immer wieder

Hansjörg Walter, ehemaliger Bauernverbands- und Nationalratspräsident, warf einen Blick auf die Unterschied der vergangenen und der aktuellen Agrarpolitik. Es habe immer wieder Änderungen gegeben hat, die einschneidend gewesen seien. In seine Amtszeit fiel etwa das Ende der Milchkontingentierung, das damals von etlichen Bauern bekämpft worden war. «Als jedoch Diskussionen um deren Wiedereinführung aufkamen, wehrten sich ebenfalls Bäuerinnen und Bauern dagegen», so Walter, der damit aufzeigte, dass sich die Landwirtschaft stets verändert und auf neue Gegebenheiten eingeht.

Gestörtes Verhältnis kitten

Er stelle aber fest, dass es in der Agrarpolitik nicht mehr so laufe wie früher, so Hansjörg Walter. Es sei heute teils nicht mehr das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), dass die Politik mache, sondern das Parlament. Dabei verwies er auf die zurückgewiesene Gesamtschau Landwirtschaft oder die versenkte Agrarpolitik 22+. «Die AP22+ war nicht gut vorbereitet. Sie wurde mit den Akteuren nicht besprochen. Das funktioniert in der Schweiz so einfach nicht», erklärte Walter.

«Wir hatten früher einen konstruktiven Dialog auf Vertrauensbasis mit dem Bundesrat», so der ehemalige Bauernpräsident. «Später war dann das Verhältnis gestört. Das BLW entschied allein, scheiterte aber schon in den Vernehmlassungen.» Das Parlament habe sich durchgesetzt und korrigiert.

«Ich hoffe, dass das Vertrauen wieder gestärkt und ein neuer Konsens gefunden werden kann. Lichtblicke dabei sind BLW-Direktor Christian Hofer und SBV-Direktor Martin Rufer», sagte Hansjörg Walter.