Mehr Schub für SchuB

Das Angebot «Schule auf dem Bauernhof» existiert auf nationaler Ebene seit nahezu 40 Jahren. Insbesondere in städtischen Regionen wie rund um Bern oder Zürich erfreut sich das Angebot grosser Beliebtheit. Nach einem Rekordjahr im Kanton Bern will man dort den Schwung nützen, während in anderen Kantonen noch an der Basis gefeilt wird.
Zuletzt aktualisiert am 24. Februar 2023
von Renate Hodel
6 Minuten Lesedauer
Schub Horbermatt BE Rho

Letztes Jahr hat eine Rekordzahl von 513 Berner Klassen mit 12’283 Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Projekts «Schule auf dem Bauernhof» – SchuB – einen Landwirtschaftsbetrieb besucht und dort einen Einblick aus erster Hand in die hiesige Lebensmittelproduktion erhalten.

«Schule auf dem Bauernhof»

«Der ausserschulische Lernort Bauernhof trifft den Nerv der Zeit. Dies zeigen uns die Jahr für Jahr steigenden Schülerinnen- und Schülerzahlen. Das Bedürfnis aus der Landwirtschaft heraus, einer Bevölkerung mit zunehmender Distanz zur landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion, seine Arbeit zu erklären war bereits in den Anfängen vor 40 Jahren ein wichtiges Motiv, warum Bäuerinnen und Bauern begonnen haben, ihre Höfe für Schulklassen zu öffnen. Sie entwickelten ein pädagogisches Programm, zuerst als einzelne Höfe, ab den 1990ern schlossen sie sich immer mehr zusammen um sich auszutauschen und das Programm bekannt zu machen. So kann SchuB heute beinahe flächendeckend angeboten werden. Dieses Motiv aus der Landwirtschaft heraus trifft heute auf eine zunehmende Sehnsucht nach Natürlichkeit und Nachhaltigkeit. Das Landleben und die Arbeit auf dem Hof wird teils romantisiert, aber auch kritisch hinterfragt – beides oft klischeehaft ohne viel reales Verständnis. Die vielfältigen SchuB-Themen ermöglichen Lehrerinnen und Lehrern im Rahmen des Lehrplans mit ihren Schülerinnen und Schülern ein vertieftes Verständnis für Kreisläufe und Zusammenhänge aufzubauen. Durch den Blick hinter die Kulissen auf einem SchuB-Hof ermöglichen sie reale Begegnungen mit der Thematik und die Kinder können auch selber Hand anlegen, ganz nach dem SchuB-Motto: Entdecken - Erleben - Lernen. Gerade dieser emotionale Zugang über alle Sinne wird in vielen Rückmeldungen aus der Schule heraus als besonders wertvoll empfunden und macht den Unterricht auf dem Hof zu einem nachhaltigen Lernerlebnis. Wenn wir es schaffen, dass diese beiden Bedürfnisse sich gegenseitig treffen, dann ist das Potential von SchuB noch lange nicht ausgeschöpft.»
Andreas Reichmuth, SchuB

Barrieren abbauen

Für die Bauernfamilien sei das SchuB-Projekt sehr wichtig, meint Hans Jörg Rüegsegger, Präsident des Bernern Bauernverbands: «Es ist wertvoll, um die vielerorts verlorene Nähe zur Landwirtschaft wieder ein Stück weit herzustellen, wieder eine Verbindung zu schmieden und Barrieren abzubauen.» Früher habe fast jedes Kind noch irgendeinen Kontakt oder eine Beziehung zur Landwirtschaft gehabt – heute sei dies nicht mehr der Fall. Umso wichtiger sei es, dass die Bauernfamilien ihre Hoftüren öffnen würden, um die Kinder abzuholen und um gegenseitige Akzeptanz zu schaffen.

Trotz Rekordbeteiligung sei das Potential aber noch lange nicht ausgereizt: «Wir hoffen, dass in Zukunft noch weitere Lehrpersonen zu begeistern sind und sich entscheiden mit ihren Schülerinnen und Schülern bei diesem Angebot mitzumachen», meint Hans Jörg Rüegsegger weiter. Die Vision des Berner Bauernverbands sei es, dass jedes Kind mindestens einmal diese Erfahrung in seinem Leben machen könne. «Noch besser wäre es natürlich, wenn die Kinder dies in einer höheren Stufe der Schulbildung noch einmal vertiefen könnten», ergänzt er.

Mehr Schub für SchuB: Hans Jörg Rüegsegger (Präsident Berner Bauernverband), Melanie Ramser (dipl. Bäuerin) und Christine Häsler (Berner Bildungsdirektorin) zum Angebot «Schule auf dem Bauernhof»

SchuB in den Kantonen

«Wir hatten ein sehr gutes Jahr, mit vielen Schulbesuchen und vielen Kindern – so kann auch der Kanton Zürich einen neuen Rekord bei den Besuchen vermelden.
Bei der Finanzierung wird das Angebot im Moment vom kantonalen Amt für Landwirtschaft und dem Zürcher Bauernverband getragen. Leider haben wir die Pädagogische Hochschule als Sponsor verloren – das ist doppelt schade, da wir somit auch den direkten Zugang zu den auszubildenden Lehrpersonen verloren haben. Da denn Draht zu halten bleib besonders wichtig: Wir stellen immer wieder fest, dass viele Betriebe regelmässig von denselben Lehrpersonen mit ihren neuen Klassen besucht werden, da diese den Hof schon von früheren Besuchen kennen. Die Mund-zu-Mund-Propaganda in den einzelnen Schulhäusern ist darum sehr wichtig. Andererseits haben zuletzt auch ein paar Anbieterbetriebe verloren. Teilweise waren es Betriebe, die an die nächste Generation übergegangen sind und die dann das Angebot nicht mehr weiterführten. Wir können aber auch immer wieder neue Betriebe dazu gewinnen.
Es ist eine Gratwanderung zwischen dem Wunsch, SchuB möglichst vielen Kindern ermöglichen zu können, und dem Finden der dafür nötigen Mitteln, um diese Besuche finanzieren zu können.»

Helen Peter, Zürcher Bauernverband

«Es geht etwas bei SchuB im Kanton Graubünden, aber das Potential ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Die Nachfrage gestaltet sich sehr unterschiedlich und hängt stark von der Einstellung und dem Bezug der Lehrperson gegenüber der Landwirtschaft ab. Wir haben auch Schulklasse von weiter her im Schullager – das ergänzt die Nachfrage. Bei der Finanzierung sind wir zurzeit von der Landwirtschaftsdirektion abhängig. Ziel ist es, die Finanzierung durch weitere Partner auszubauen, damit wir zukünftig auch eine grössere Nachfrage decken können. Da wir aber noch nicht so viele SchuB-Besuche haben, ist das momentan nicht prioritär. Aktuell haben wir auch noch zu wenige Anbieter-Höfe und sind stark daran, dies auszubauen.

Das Ziel ist es, das Projekt ganzheitlich anzugehen. Wir sind ein Tourismuskanton, also brauchen wir auch die Tourismusorganisationen an Bord. Und auch die Pädagogische Hochschule oder die Bündner Pärke wollen wir miteinbeziehen. Ich will die tollen Initiativen im Kanton nutzen und SchuB dort einbringen. Schliesslich sind wir hier alle von der Landwirtschaft abhängig. Es soll für Anbieter-Betriebe eine Chance werden, die sich auch lohnt und gleichzeitig die Landwirtschaft in den Bildungsalltag integrieren. Aktuell liegt der Fokus darauf, den Kontakt zu den Anbietenden, potentiellen Anbietenden und den Lehrpersonen aufzubauen. Dann können wir gemeinsam bedürfnisorientiert weiterfahren. Ideen gibt es genug, die Ressourcen sind aber beschränkt. Es braucht noch etwas Geduld – doch Schritt für Schritt kommt es gut.»
Sina Rellstab, Bündner Bauernverband



«Bisher gibt es im Kanton Glarus noch keine Angebote im Bereich ‹Schule auf dem Bauernhof›. Wir würden jedoch gerne damit starten. Erfreulicherweise haben sich bereits zwei interessierte Bettriebe gemeldet.
Die Finanzierung ist noch nicht gesichert. Da wir ein kleiner Kanton sind und auch unser Budget begrenzt ist, werden wir wohl auch nicht mehr als zwei Betriebe unterstützen können. Leider können wir auch keine Unterstützung vom Kanton erwarten, da die Bildung im Glarnerland Sache der Gemeinden ist.»

Adelina Tschudi, Glarner Bauernverband
 


«Die Nachfrage für das SchuB-Angebot ist im Kanton Nidwalden wohl vorhanden, könnte von Seiten der Schulen aber sicher noch ausgebaut werden. Allerdings gibt es auch zu wenige Anbieterbetriebe, was die Erreichbarkeit für die Schulen erschwert und die Kosten erhöht. Unser Ziel wäre es, pro Gemeinde einen Anbieterbetrieb zu haben – leider sind wir davon weit entfernt. Die Betriebe, die wir haben, sind aber gut ausgelastet.
Wir sind aktuell daran, mit dem Kanton eine Finanzierung aufzubauen. Aktuell zahlen die Schulen ungefähr zwei Drittel des Angebots selbst und der Bauernverband übernimmt den Rest. Schön wäre es, wenn ein Teil des Beitrags der Schulen durch die Bildungsdirektion finanziert würde.»

Heidi Mathis, Nidwaldner Bauernverband

SchuB als Erlebnisunterricht

41 Bauernfamilien bieten das SchuB-Angebot im Kanton Bern an. Anders als in einigen anderen Kantonen wird SchuB vom Kanton Bern aber auch stark gefördert: Sowohl die Bildungs- und Kulturdirektion sowie auch die Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion unterstützen das Angebot finanziell. Es sei ein wertvolles Angebot, das die Bildungs- und Kulturdirektion gerne mittrage, sagt die Berner Bildungsdirektorin Christine Häslern. Das aktive und erlebnisreiche Lernen direkt auf dem Bauernhof sei eine wichtige Erfahrung, ist sie überzeugt: «Was uns gut vermittelt wird, was wir uns gut einprägen können und was uns interessiert, bleibt uns stärker in unserem Erinnerungs- und Wissensspeicher erhalten – was wir aber erleben, legen wir nicht nur im Wissensspeicher ab, sondern nehmen es mit allen Sinnen auf, es wirkt nachhaltig und prägt uns.» So würden sich Zusammenhänge und Fragestellungen viel besser verankern, wenn sie in einer Erlebniswelt wie auf dem Bauernhof vermittelt würden. «Wenn es uns also gelingt, den Schülerinnen und Schülern mit dem SchuB-Angebot eine neue Erlebniswelt zu eröffnen und ihnen in einem anderen Umfeld als im Klassenzimmer gemeinsame Erfahrungen zu ermöglichen, dann geben wir ihnen das Interesse an anderen Lebenswelten und eine Offenheit für ganz viele Fragen mit – und das ist zweifellos wertvoll», sagt Christine Häsler.

«Schule auf dem Bauernhof»: Zwei Lehrerinnen erzählen, warum sie das Angebot regelmässig nutzen und Zweitklässlerin Elena möchte am liebsten jede Woche Schule auf dem Bauernhof