Buschenschank: Die Wertschöpfung bleibt auf dem Hof

Am Schnalshuberhof im Südtiroler Algund/Meran wird gekocht und serviert, was saisonal vom Hof verfügbar ist. Oberstes Ziel ist es, die höchstmögliche Wertschöpfung auf dem Betrieb zu generieren. «Ist es nicht legitim, dass der Bauer für seine Lebensmittel einen guten Preis erhält?», fragt Bauer Christian Pinggera nachdenklich.
Zuletzt aktualisiert am 22. März 2024
von Kirsten Müller
5 Minuten Lesedauer
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Der Schnalshuberhof, im Jahre 1318 erstmals urkundlich erwähnt, wurde lange als Viehwirtschaft betrieben und später als Obst- und Weinhof. Familie Unterweger-Pinggera bewirtschaftet den Hof seit 1533. Seit fast 30 Jahren geniessen Gäste die Produkte des Hofes im Buschenschank (ein Ort, an dem Landwirtinnen und Landwirte ihre Produkte ausschenken und servieren dürfen). Entstanden ist er 1997 aus Überlegungen, wie man zwei Generationen mit einem Bauernhof in einer kleinteiligen Landwirtschaft ernähren könnte.

Mit der Idee des Buschenschankes ging die Umstellung auf biologische Wirtschaftsweise einher. Damals war Christian Pinggera einer der ersten Bauern in der Region, die auf Bio umstellten – für ihn eine logische Konsequenz seiner Philosophie und ein wichtiger Bestandteil der neuen Geschäftsstrategie. Christian Pinggera bewirtschaftet den Hof und die Gastronomie mit seiner Frau Margarethe, den Eltern und sechs Angestellten, von denen drei in Vollzeit arbeiten.

Mehr als 50 hofeigene Produkte

Sie produzieren über 50 Produkte und bereiten daraus traditionelle Südtiroler Gerichte plus Produkte für den Direktverkauf im Hofladen. Gesamthaft sind 7 Hektaren in der Bewirtschaftung, im Hauptanbau Wein. Zig verschiedene Weinsorten sind im Weinberg zu finden (vier weisse, mehrere rote Rebsorten). Auf 4 Hektaren wird Obstanbau betrieben.

Von Kartoffeln und Roggen über Äpfel, Birnen, Salate, Gemüse und Kräuter bis zu Eiern und Fleisch kommt am Schnalshuberhof eine umfangreiche Lebensmittelpalette aus eigenem Anbau und eigener Haltung in die Küche und auf die Teller für die Wirtsstuben. Pinggera ist es nicht nur wichtig, wie man kocht, sondern vor allem mit welchen Ausgangsprodukten.

  • Der Schnalshuberhof inmitten der Oberplarser Weinberge und Obstgärten oberhalb von Algund. (kim)
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  • Der Buschenschank ist in Südtirol zwingend an einen Hof gebunden, der eigenen Weinanbau betreibt und hauseigene Weine erzeugt und ausschenkt. (kim)
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Traditionen als Grundstock für das Business

Die zwei alten Bauernstuben, das Herzstück des Hauses, bieten Platz für 50 Gäste. In der sogenannten Zeitungsstube kommen die Nachrichten aus dem Jahr 1870 unter der Tapete hervor. Damals wurden alte Zeitungen beim Tapezieren als Untergrund genommen. Die andere ist die getäfelte Bauernstube.

Die Relikte aus der Vergangenheit erinnern an die früheren Zeiten und schaffen somit eine ganz besondere, heimelige Atmosphäre. Buschenschank und Törggelen sind althergebrachte Traditionen. Aus beiden entwickelte Pinggera sein Business. Früher, als die Weintrauben mit der «Torggl», also der Weinpresse gepresst wurde, kamen die Leute aus der Umgebung zur Verkostung, um die Qualität des neuen Weins zu bewerten.

Später kehrten die Leute im Buschenschank ein, und es wurden der Jahreszeit entsprechende Speisen gereicht. Das Törggelen im Herbst ist zu einem der Hauptanziehungspunkte des Südtiroler Tourismus geworden.

Von Donnerstag bis Sonntag zwischen Mitte Februar und Mitte Dezember wird am Schnalshuberhof unkonventionell gekocht, serviert und gegessen – so, wie es die Bauernfamilie seit Jahrhunderten für sich selbst gemacht hat.

Herbst ist die umsatzstärkste Zeit

«Wir sind keine Gastronomen. Wir richten es so, wie wir es auch gerne haben, und wir profitieren von den alten Rezepten und der Kochkunst meiner Mutter, die meine Frau sich abgeschaut hat», so Pinggera. In der Törggelenzeit (Oktober bis Dezember) sind Würste, Schlachtplatte, Sauerkraut, Rohnenknödel und Gerstensuppe im Angebot.

Das sei die umsatzstärkste Zeit am Hof. «Die Tage sind lang und fordernd, oft 15 Stunden lang», sagt der Landwirt. Zweimal im Jahr pausiert die Gastronomie: von Mitte Dezember bis Februar und ab Mitte Juli für drei Wochen. In dieser Zeit wird nicht geruht: Schlachten, Ernten, Einkochen und Brennen stehen auf dem Tagesprogramm.

Werbung macht er keine. Die vielen Lobpreisungen haben die Runde gemacht.  «Wir müssen sowieso schon Gäste wegschicken.» Volle Busse fahren am Schnalshuberhof nicht vor. «Bloss nicht in den Massentourismus abschlittern», ist die Prämisse.

Pinggera (55 Jahre) absolvierte mehrere Ausbildungen: Getränketechniker, Brauer, Mälzer, Destillateur. Zusätzlich besuchte er die landwirtschaftliche Fachschule mit Fachrichtung Weinbau, Kellerwirtschaft und Obstbau. Kenntnisse in der Verarbeitung von Fleisch erwarb er sich in der Praxis bei Kollegen. Das Erlernte ist das eine, die Mentalität das andere. Der direkte Kontakt mit den Gästen erfordert Authentizität. Christian Pinggera vereint diese Talente: In der Wirtsstube ist er ein charmanter Gastwirt und exzellenter Verkäufer. Den Anbau hat er im Griff, und die optimale Verarbeitung der Produkte liegen ihm am Herzen.

Betriebsspiegel Schnalshuberhof Südtirol

7 ha, davon 4 ha Obstanbau:
Apfel, Birnen, Quitten, Zwetschgen, Kirschen, Marillen, Himbeeren, Erdbeeren

2,5 ha Wein
Weisse Rebsorten: ,Fraueler’, ,Weissburgunder’, ,Souvignier Gris’ (PIWI), ,Sauvignon Blanc’ «Marie Cherie»

Rote Rebsorten: ,Vernatsch’, ,Chambourcin’ (PIWI), ,Prior’ (PIWI), ,Merlot’, ,Cabernet Sauvignon’ als Cuvée, ,Lagrein’, (PIWI bedeutet pilzwiderstandsfähige Rebsorte).

0,3 ha Getreide: Roggen und Buchweizen

0,2 ha Kartoffel

10 grosse Kastanienbäume

25 Hühner und ein Hahn, Laufenten zur Schneckenbekämpfung

Garten mit Gemüse (Bohnen, Gurken, Kürbis, Radieschen, Salat, Tomaten) und Kräutern (Majoran, Petersil, Rosmarin, Salbei, Schnittlauch)

Direktzahlungen: zirka 5000 € als Förderung für den ökologischen Landbau

«Wenn alle ist, ist alle.»

Einen Hofladen, in dem er einen Teil seines Angebotes verkauft, eröffnete Pinggera im Jahr 2016. Der Laden ergänze sich gut mit der Gastronomie. Vorrang habe jedoch der Buschenschank. 80 % des Weines (zirka 12.000 l jährlich) schenkt der Wirt über den Buschenschank aus.

Aus Quitten, Kirschen, Zwetschgen, Himbeeren, Holunder werden Hochprozentiges, Sirup, Marmelade, Gelees oder Trockenobst. Über 15 verschiedene Obstbrände stehen in den Ladenregalen. Bei den Bränden habe sich das Konsumverhalten verändert: Im Buschenschank sei der Ausschank von Hochprozentigem zurückgegangen. Der grössere Anteil werde daher im Laden veräussert.

Insgesamt habe er das Brennen dennoch zurückgefahren. «Dafür kochen wir mehr Sirup ein.» Pinggera rechnet ein Beispiel: «Wenn ich eine Flasche Sirup (0,7 l) verkaufe, kostet die 10 € im Hofladen. Im Buschenschank bringe ich 5 bis 6 l an Getränken heraus und verkaufe sie glasweise.» Nachschub gibt es nicht, das heisst es gibt keinen Zukauf. «Wenn alle ist, ist alle.» Das Keltern und Brennen bis zum Etikettieren – alle Arbeitsgänge erfolgen auf dem Hof.

Spezialität Speck

Ganz besonders ist der Speck auf dem Schnalshuberhof. Über viele Monate – mindestens sechs – reifen die Hammen (so sagt man auf Südtirolerisch) auf dem Hof. 65 bis 70 Schweine verarbeitet Pinggera. Die kauft er von sechs bis sieben Bauernkollegen. Die Schweine werden auf der Alm fett gemacht und zügeln im September talwärts.

Das Schlachtalter der Schweine beträgt zirka elf Monate. Metzger und die Höfe, von denen er die Schweine bezieht, liegen im Umkreis von 15 km. Kurze Transportwege und der Almauftrieb tragen zur hohen Qualität des Fleisches bei – für Pinggera ein wichtiges Kriterium.

Im betriebseigenen Räucherkeller wird das Fleisch mild geräuchert, mit Pfeffer, Salz, frischem Wachholder und Lorbeerblättern gewürzt. Salami, Kaminwurzen und der Speck entstehen. Haxen und Rippen werden tiefgefroren. Den Bauern zahle er 6 €/kg ohne Eingeweide mit Kopf und Schwarte. Bei 150 kg erhält der Bauer rund 1000 € pro Schwein. Der Speck im Hofladen kostet 30 €/kg, die Würste 40 €/kg.

Auch hier ist wieder die Devise: «Über die Schenke habe ich die höchste Wertschöpfung und bestimme den Tellerpreis.» Eine Speisekarte und Preisliste gebe es in den Wirtsstuben nicht. Pinggera begründet das mit den unterschiedlichen Grössen der Fleischstücke. «Ich produziere keine Einheitsstücke. Die Haxen sind mal grösser und mal kleiner. Ich lege Wert darauf, dass ich das Fleisch komplett verwerte, und bestimme so den Preis pro Portion.»

  • Die verschiedenen edlen Obstbrände mit einem ansprechenden Etikett im Hofladen. (kim)
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  • Der Buschenschank ist in Südtirol zwingend an einen Hof gebunden, der eigenen Weinanbau betreibt und hauseigene Weine erzeugt und ausschenkt. (kim)
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«Ist es nicht legitim, dass der Bauer für seine Lebensmittel einen guten Preis erhält?»

Die Gäste seien bereit, mehr zu zahlen. Aber auch das habe seine Grenzen und dürfe nicht überreizt werden. Es sei eine Mischkalkulation und auch sicher Idealismus dabei, sagt Pinggera.

«Wir sind zufrieden, haben Freude an unserer Arbeit und das Privileg, über den Preis selbst zu befinden.» Auf die Frage, was ihn fordert, antwortet er: «Das Arbeitspensum.» Aber: «Ich bin unabhängig», schiebt er hinterher. Neue Lösungen brauche es für die Schädlingsbekämpfung, die von Jahr zu Jahr fordernder werde. Und die Suche nach guten Mitarbeitern sei nicht einfach.

Den Blick in die Zukunft gerichtet, ist es für den Obstbauer wichtig, der Jugend, konkret seiner Tochter, eine Perspektive zu bieten, ohne dass sie reine Subventionsempfänger sind. Der Hof müsse sich wirtschaftlich tragen. «Ist es nicht legitim, dass der Bauer für seine Lebensmittel einen guten Preis erhält?», fragt er nachdenklich.  Pinggera hat sich sehr bewusst für Selbstvermarktung entschieden und bereut die Entscheidung, die er in den 1990er Jahren getroffen hat, nicht.

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