Neuer Schwung für alte Tradition: Emmentaler Switzerland hat Millennials im Visier

Trotz eines Rückgangs im Exportmarkt und struktureller Anpassungen innerhalb der Branche bleibt die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland optimistisch: Mit einer Neuausrichtung des traditionellen Emmentaler Käses will die Organisation zukünftig vor allem den Geschmack der Millennials treffen und diese als neue Emmentaler-Konsumentinnen und Konsumenten gewinnen.
Zuletzt aktualisiert am 1. Mai 2024
von Renate Hodel
6 Minuten Lesedauer
Kaese Emmentaler Switzerland Alfred Rufer Vizedirektor Urs Schluechter Direktor Lid

Im Interview geben Urs Schluechter, Direktor von Emmentaler Switzerland, und Alfred Rufer, kaufmännischer Leiter und Vize-Direktor, Einblick in die Herausforderungen und Innovationsstrategien der Sortenorganisation. Sie diskutieren die Bedeutung des Emmentaler Käses in der schweizerischen Milchwirtschaft, die Auswirkungen globaler Marktdynamiken und die Anpassung an die Bedürfnisse jüngerer Generationen.

LID: Wie hat sich der Emmentaler entwickelt?

Urs Schluechter: Das Glas ist immer halbleer oder halbvoll – es kommt immer darauf an, wie man es anschaut und wir versuchen grundsätzlich, eine positive Message zu vermitteln. Es gibt Hebel, die können wir nicht beeinflussen und es gibt Hebel, da können wir am Rädchen drehen.

Die Milchbranche verarbeitet 3’336 Millionen Liter Milch und in dieser Hinsicht ist der Emmentaler nach wie vor sehr wichtig, auch wenn ab und an anderes gesagt wird. 161 Millionen Liter Milch, also rund 5 Prozent, werden zu Emmentaler verarbeitet und wenn man das im Vergleich zur Käseproduktion setzt, dann ist heute noch über 10 Prozent vom produzierten Schweizer Käse Emmentaler und das ist nicht vernachlässigbar. Das ist ein wichtiger Teil in der ganzen Milchwirtschaft.

Wir sind aktuell aber in einer negativen Tendenz: Wir verkaufen im Moment weniger Emmentaler. Und eine Folge der Verkaufsabnahme ist auch eine Abnahme der Produktion. Wenn wir die Zahlen anschauen, zeigt sich, dass wir deutlich weniger produzieren, als dass wir verkaufen. Natürlich ist die tiefere Produktion mit ein Grund, dass Käsereien schliessen müssen, es ist nicht aber der einzige Grund, warum im Moment eine Strukturbereinigung stattfindet. Erstens ist dies nicht nur bei beim Emmentaler zu beobachten, sondern allgemein in der Käsebranche und zweitens gibt es aktuell nicht nur Strukturbereinigungen in der Käsebranche, sondern es gibt auch eine Strukturbereinigung in der Gastronomie oder im Einzelhandel – das ist im Moment einfach der Lauf der Zeit.

 

LID: Emmentaler musste letztes Jahr einen Rückgang von knapp 13 Prozent im Export hinnehmen, deutlich mehr als der Gesamtmarkt. Welche Faktoren waren dafür verantwortlich?

Urs Schluechter: Wir sind mit fast 70 Prozent Exporten enorm auf den Exportmarkt angewiesen. Aktuell hilft die ganze geopolitische Situation, die Unsicherheit, Krieg, Unruhe, Inflation oder der Eurowechselkurs mit dem Schweizer Franken der Situation nicht und wir haben Einbussen erlitten.

2022, als viele Indikatoren bereits negativ waren, waren wir in unserem grössten Markt Italien mit 3,8 Prozent Wachstum positiv unterwegs – der Bumerang kam dann letztes Jahr. In Italien gab es in den letzten 25 Jahre real praktisch keine Lohnerhöhung und die Inflation ist gestiegen. So haben entsprechend auch wir mit unserem eher teureren Produkt mit dieser Situation zu kämpfen.

Alfred Rufer: Da ist die starke Konkurrenzsituation noch zu ergänzen. Es gibt industriell hergestellten Käse aus Deutschland, Frankreich und so weiter, der unter dem Namen Emmentaler verkauft wird, der aufgrund der Milchpreissituation in den jeweiligen Ländern im Vergleich zum Emmentaler AOP aber nur die Hälfte kostet. Und so greifen Konsumentinnen und Konsumenten in finanziell schwierigen Situationen dann zu solchem Käse.

«161 Millionen Liter Milch, also rund 5 Prozent, werden zu Emmentaler verarbeitet und wenn man das im Vergleich zur Käseproduktion setzt, dann ist heute noch über 10 Prozent vom produzierten Schweizer Käse Emmentaler und das ist nicht vernachlässigbar.»
Urs Schluechter
Urs Schluechter
Direktor Emmentaler Switzerland

LID: Wie will man diese Situation wieder verbessern und dem Emmentaler zu neuem Schwung verhelfen?

Urs Schluechter: Es gibt Faktoren, wo wir als Sortenorganisation einen Beitrag leisten können, um die Situation zu verbessern. Wir sind überzeugt, dass wir in der Zukunft verstärkt die jungen Käuferinnen und Käufer angehen müssen. Die Millennials oder Generation Z sind sehr affin auf Food. Sie wollen wissen, woher Lebensmittel kommen und wie Lebensmittel zusammengesetzt sind. Wir sind überzeugt, dass wir in dieser Hinsicht mit dem Emmentaler ein zeitgemässes Produkt haben, obwohl es schon Jahrhunderte alt ist. Und von Essgewohnheiten dieser Millennials hängt nachher ab, welche Produkte wir zukünftig auf den Markt bringen, um deren Konsumgewohnheit wie Convenience und On-the-Go abzudecken.

Da haben wir letztes Jahr proaktiv angefangen und bereits auch gewisse Neuheiten auf den Markt gebracht: Wir haben in Italien eine hauchdünne Scheibe lanciert und damit gute Referenzierung und sehr gute Listungen erzielt. Dann haben wir Würfel in einer Box als Convenience-Produkt lanciert. Bei diesem Produkt braucht es allerdings noch etwas Überzeugungsarbeit. Und die dritte Neuheit ist ein Grillkäse, den wir gemeinsam mit der Firma Baer lancieren konnten.

Auf der Schiene der Neuheiten werden wir auch in Zukunft weiterarbeiten und so werden wir in den nächsten Jahren mit weiteren neuen Produkten auf den Markt kommen. Im Mai dieses Jahres kommt ein «Chäsgriller» auf den Markt – eine weitere vegetarische Alternative aus 100 Prozent Emmentaler Käse für den Grill. Dann werden wir auch in der Schweiz die hauchdünnen Scheiben, die wir in Italien bereits lanciert haben, auf den Markt bringen. Und im Herbst werden wir ein Produkt lancieren, das wir mit Partner zusammen entwickelt haben und das nicht im Käsegestell zu finden sein wird. Wir haben enorm Freude, dass wir den Brand Emmentaler ausserhalb vom Käsegestell im nicht gekühlten Bereich platzieren können. Wir glauben auch, dass mit einem solchen attraktiven und guten Produkt vielleicht dann auch wieder der eine oder andere zurück zum Emmentaler im Kühlgestell kommt.

Mit diesen Produkten und weiteren Massnahmen wollen wir den Emmentaler positiv in Szene setzen. So auch mit der neuen Werbekampagne «Share a piece of you». Wir sind zwar ein Hardcore Schweizer Produkt, sind aber eben mit praktisch 70 Prozent im Ausland im Export tätig – deshalb Englisch. Ausserdem sind die Millennials mit Englisch sehr vertraut. Zuletzt geht es auch um Kostenoptimierung, da wir international und in der Schweiz die gleiche Kampagne fahren können.

Wir wollen mit der neuen Kampagne auch mehr die Konsumentenseite ansprechen: Also wir zeigen nicht mehr die klassische Milchkanne oder eine Kuh, obwohl das nach wie vor Gültigkeit hat und wir das auch weiterhin zeigen werden. Aber jetzt im Moment wollen wir die Konsumentinnen und Konsumenten zeigen – beim Apéro, mit Familie und Freunden, im Büro. Wir zeigen den Emmentaler im Zusammenhang mit verschiedenen Konsumformen. Ausserdem sind unsere Werte wie Regionalität, Umweltbewusstsein, Tierwohl, Qualität und Handwerk heute gerade auch bei den jungen Konsumentinnen und Konsumenten gefragt und da können wir entsprechen Authentizität bieten. Jetzt ist einfach entscheidend, dass wir die richtige Sprache, die richtige Übersetzung finden, dass wir diese Message zu einer jüngeren Generation transportieren können. Das versuchen wir unter anderem mit unserem neu gewonnen Markenbotschafter, dem Schweizer Musiker Nickless.

Unser Job ist es nun, dass wir vor allem eben auch jüngere Konsumentinnen und Konsumenten wieder ansprechen und dass diese wieder Freude an unserem Produkt bekommen.

 

LID: Millennials sind Food-affin und wollen wissen, woher die Produkte kommen und wie sie hergestellt werden. Die neue Marketingstrategie zeigt dies aber kaum – wie geht das zusammen?

Urs Schluechter: Nebst Themen wie Qualität, Regionalität, Handwerk, Umwelt und Tierwohl ist auch entscheidend, wann ein Produkt konsumiert wird. Kühe, Wiesen und Milchkannen gehören immer noch zur Bildsprache der Emmentaler Werbung. Wir konzentrieren uns im Moment aber auf Bilder, die zeigen, wo es Konsumgelegenheiten für Emmentaler Käse gibt. Wir wollen zum Konsum animieren und zeigen darum Konsum.

Alfred Rufer: Es geht um unterschwellige Werbung. So sind in der neuen Kampagne zum Teil Situationen abgebildet, wo der Käse nicht auf den ersten Blick auffällt, er kommt aber überall vor – zum Teil auch etwas versteckt. Wenn man die Gesamtheit der neuen Bilderwelt genauer betrachtet, ist ersichtlich, dass auf in jedem Bild mehrere Elemente mit Käse abgebildet sind, die auf die Herkunft Schweiz und auf den Emmentaler einzahlen. Und das ist sehr bewusst gemacht, aber es passiert teilweise eben unterschwellig.

«Schweizer Käse hat in den USA aber eine lange Tradition und für Käse aus der alten Welt mit AOP-Label gibt es insbesondere an den beiden Küsten eine Käuferschicht, die zunehmend grösser wird und die sehr affin auf Rohmilchkäse reagiert.»
Alfred Rufer
Alfred Rufer
Kaufmännischer Leiter und Vizedirektor Emmentaler Switzerland

LID: In Bezug auf den Inlandmarkt – was wollen Schweizerinnen und Schweizer?

Urs Schluechter: Im Schweizer Käsegestell steht Emmentaler in verschiedenen Versionen. Mit rund 80 Prozent macht der milde Emmentaler den Hauptanteil aus, der Rest ist dann in den verschiedenen Segmenten wie 8-monatigem, 12-monatigem oder älterem Emmentaler aufgeteilt.

Wir sind überzeugt, dass der klassische Emmentaler im Riemen geschnitten immer die Hauptabsatzmenge ausmachen wird. Wenn wir aber die jungen Konsumentinnen und Konsumenten abholen wollen, muss es uns gelingen, neue Konsumformen zu finden, in denen wir den Emmentaler platzieren können. In den meisten Fällen wird das aber auch hier ein milder Emmentaler sein.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass wenn wir Leute an den Emmentaler Käse heranführen wollen, wir das nicht mit einem 24-monatigen Emmentaler tun können – das haut Neukonsumenten um. Junger und milder Emmentaler ist darum eher das Einsteigersegment und wenn die Affinität für den Käse aufgebaut ist, greifen sie dann zu reiferem Emmentaler.

 

LID: In Bezug auf den Exportmarkt will Emmentaler Switzerland ab sofort den Markt USA verstärkt und vor allem selbst bearbeiten – was verspricht die Organisation davon?

Urs Schluechter: Wir können und wollen diesen Markt dieses Jahr wieder aktiv bearbeiten und zwar mit einem aktiven Programm und mit einem Agenten vor Ort. Das Ziel ist, dass wir längerfristig in den USA unser Engagement haben und dass wir in den nächsten paar Jahren wieder auf alte Volumen zurückkommen. Wir sind aktuell bei etwa 400 Tonnen – wir waren aber einmal bei über 1000 Tonnen und da möchten wir relativ schnell wieder hin. Wir wissen aber auch, dass der USA-Markt eine Herausforderung ist, da wir auch dort nicht der einzige Emmentaler auf dem Markt sind.

Alfred Rufer: Schweizer Käse hat in den USA aber eine lange Tradition. Und für Käse aus der alten Welt mit AOP-Label gibt es insbesondere an den beiden Küsten eine Käuferschicht, die zunehmend grösser wird und die sehr affin auf Rohmilchkäse reagiert. Von daher glauben wir, dass wir mit Emmentaler AOP eine Antwort auf dieses Bedürfnis nach traditionell und handwerklich hergestelltem Rohmilchkäse haben.