"Die kontroversesten Diskussionen in unserer Fraktion drehen sich meistens um die Landwirtschaftspolitik", so Peter Spuhler, Thurgauer SVP-Nationalrat und Inhaber der Stadler Rail Holding, anlässlich der SVIL-Tagung.
SVIL-Tagung 2012
Das Podium mit den Nationalräten Peter Spuhler und Andreas Aebi fand an der Jahrestagung der Schweizerischen Vereinigung Industrie und Landwirtschaft (SVIL) in Bern statt. Moderiert wurde es vom PR-Berater Klaus J. Stöhlker. Die Tagung stand unter dem Motto "Versorgung – Ernährung – Energie". Hauptziele der 1918 gegründeten SVIL sind der Schutz des Schweizer Bodens sowie seine rationelle Nutzung. Im Vordergrund steht gemäss SVIL die Erhaltung und Förderung des Bodens als erneuerbare Ressource und sichere Ernährungsgrundlage.
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"Für mich ist wichtig, dass wir eine starke Landwirtschaft haben, die auf Qualität basiert. Das ist vergleichbar mit der Industrie. Wenn wir in den Export gehen wollen, brauchen wir Produkte, die sich vom Durchschnitt abheben, etwa in Qualität, Innovation oder Energieeffizienz." Man müsse versuchen, sich zu differenzieren, so Spuhler, der mit seinem Unternehmen weltweit tätig ist.
Offene Märkt ja, aber...
"Wir sollten den Landwirt als KMU-Unternehmer akzeptieren und fördern, ohne die Landwirtschaft aber ins offene Messer laufen zu lassen. Die Landwirtschaft braucht die Unterstützung des Staates. Wir sollten tunlichst vermeiden, dass wir Schweizer die ersten sind, die den Landwirten den Strom abstellen", zeigte sich Spuhler überzeugt.
Spuhler fordert insbesondere gleiche Regeln für die Schweizer Landwirtschaft wie sie in der EU gelten. "Offene Märkte ja, aber bei gleichen Regeln und Gesetzgebungen. Die sind aber nicht vorhanden."
Der Thurgauer warnte davor, den Strukturwandel zu beschleunigen: "Der Prozess des Strukturwandels ist im Gang, wir müssen aufpassen, dass wir nicht ein zu grosses Blutbad anrichten. Durch flankierende Massnahmen müssen die Bauern geschützt werden." Eine Strukturerhaltung auf Teufel komm raus sieht Spuhler dennoch als falschen Weg. Man müsse sich auch auf neue Situationen wie etwa technischen Fortschritt oder neue Marktgegebenheiten einstellen. "Das erwarte ich auch von der Landwirtschaft und ich glaube, das wird auch gemacht." Gerade bei jungen Bauern sehe er eine Aufbruchsstimmung und den Willen, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Wenn der Bauer wolle, habe er einen unternehmerischen Spielraum, denn er nutzen könne. "Die Politik muss aber versuchen, Freiräume zu definieren und Möglichkeiten zu schaffen, damit dies auch im grösseren Stil möglich ist."
Öffnung für Industrie nötig
Bedenken hegt Spuhler gegenüber gewissen Freihandelsabkommen. "Wenn wir mit Russland, China oder Indien Freihandelsabkommen unterschreiben, dann wird ein Teil der Industrie auf die Welt kommen." Dort herrschten weit andere Produktionsvoraussetzungen und zwar sowohl im Bereich Industrie als auch Landwirtschaft.
Grundsätzlich sei er ein grosser Befürworter bilateraler Verträge. "Die Schweiz braucht diese Öffnung für eine qualitativ gute Einwanderung, sonst würden Industriestandorte ins Ausland verlagert." Allerdings gebe es auch die Schattenseite: Die Schweiz platze aus allen Nähten. Zum Schutz von Kulturland setzt Spuhler auf verdichtetes Bauen. Das Land könne zudem mit geschickter Raumplanung und Bauverordnungen geschützt werden. Für Spuhler ist aber Zeit zu handeln: "Wir müssen sehr vorsichtig sein, dass wir nicht das ganze Mittelland zubauen."
Ökologische Fortschritte
Andreas Aebi, SVP-Nationalrat und heiss gehandelt als Nachfolger von Hansjörg Walter als Bauernverbandspräsident, betonte, dass ohne Ressourcen, schonende Produktion und Nachhaltigkeit weder in der Landwirtschaft noch in der Industrie etwas gehe. Aber die Landwirte hätten eine klare Einschränkung: "Wir sind an die Auflagen gebunden, die uns die Natur mitgegeben hat. Wir können unsere Standorte nicht verlagern, sondern dort, wo wir sind, das Beste daraus machen."
Dank unternehmerischem Denken habe sich die Landwirtschaft aber dennoch weiterentwickelt. Aebi zeigte sich befremdet darüber, dass von einigen Seiten behauptet werde, in der Landwirtschaft sei in Sachen Ökologie in den letzten zehn Jahren zu wenig gegangen. Er streitet das vehement ab. Aebi nahm dafür gleich seinen eigenen Betrieb als Beispiel. So habe er seit einigen jahren keine Herbizide im Ackerbau eingesetzt. "Zudem waren letztes Jahr wieder 30 Brutpaare von Mehl- und Rauchschwalben anwesend, vor zehn Jahren waren es nur vier Paare", so Aebi, der dies unter anderem auf einen tieferen Einsatz von Fliegenbekämpfungsmitteln zurückführt. Insgesamt sei in der Schweizer Landwirtschaft in den letzten Jahren in Punkto Ökologie sehr viel gegangen. Im Vergleich zur EU sei etwa der Einsatz von Herbiziden und Stickstoff viel tiefer und vernünftiger.
Zwischenwege beim Freihandel?
Deutliche Worte der Ablehnung sprach Aebi gegenüber der aktuellen Vorlage zur Agrarpolitik 2014-17. Man sei hier an einem Systemwechsel angelangt, den der Verfassungsauftrag so nicht vorsehe. "Geld wird nicht mehr zur Lebensmittelproduktion eingesetzt, sondern zur ökologischen Umschichtung", kritisierte Aebi.
Dies obwohl die Landwirtschaft schon bisher spezifische Dienstleistungen im Einklang mit Produktion und Ökologie erbringe, etwa intakte Landschaften für das Tourismusgewerbe und als Erholungsraum. Er frage sich, ob ein Hektar Kabis etwas Schönes sein und in der Mitte einen Blütenstreifen aufweisen müsse, um dann den fehlenden Kabis aus Spanien zu importieren. Dort, wo die letzten Grundwasserreserven angezapft würden.
Im Bereich des Freihandels hofft Aebi auf Kompromisse im Agrarbereich. Gerade China könne auch nicht alles exportieren, schliesslich habe es eine Milliardenbevölkerung zu ernähren. "Es existieren zwei Seiten, und wenn man beide sieht, gibt es vielleicht einen Zwischenweg im Agrarbereich." Wenn man aber etwa Fleisch zu Weltmarktpreisen importieren wolle, dann könne man gleich zusammenpacken, prophezeite Aebi.
Sicherheit als Thema
Für den Burgdorfer stellt die Nahrungsmittelproduktion auch einen Teil der Sicherheit des Landes dar. Dieser Punkt müsse immer wieder in Erinnerung gerufen werden. "Den Baslern käme es auch nicht in den Sinn, die Feuerwehr im Elsass zu mieten, nur weil es günstiger wäre. Und auch den Strom wollen wir nicht einfach aus ausländischen AKW holen." Der heutige Trend bei Nahrungsmitteln sei es aber, im Ausland einzukaufen und den Müll in der Schweiz zu entsorgen. "Mit solchen Fragen der Sicherheit müssen wir uns jetzt und in Zukunft auseinandersetzen", so Aebi.
