
Seit Generationen wird in Genf eine besondere Kardy-Sorte gezüchtet. Die 90er Jahre stellten die Genfer Kardy-Produzenten jedoch auf eine harte Probe. Ausländische Produkte, besonders der spanische Kardy, trafen auf dem Markt ein und konkurrierten um die Gunst der regionalen Kardyliebhaber. Die Genfer sahen ihre Tradition weiter von einer abnehmenden Qualität des gelieferten Saatgutes bedroht. Mehrere Gemüsebauer stellten die Kardy Produktion ein.
Deshalb gründeten die verbliebenen Produzenten im Jahr 2000 den Verein Cynara. 2003 erreichte der Verein, was zuvor (und seither) noch keinem gelungen war: Die Kardysorte "Cardon argenté épineux de plainpalais" erhielt als einziges Gemüse die staatlich geschützte Ursprungsbezeichnung AOP (Appellation d’origine protegée) und wurde fortan unter dem Namen "Cardon épineux de Genève" vermarktet.
Dornen nur in Genf
Trotz seines kleinen Bekanntheitsgrades, gibt es europaweit etliche Kardysorten. Für das AOP-Siegel muss ein Produkt nach traditionellen Methoden in der Ursprungsregion hergestellt werden. Der Genfer Kardy findet zwar seinen Ursprung im Mittelmeerraum, kam aber bereits im 17. Jahrhundert mit protestantischen Flüchtlingen nach Genf. Deren Nachfahren züchteten den an das Genfer Klima angepassten "Cardon argenté épineux de plainpalais".
"Kardy ist eine Pflanze, die sich gegen seine Umwelt – und gegen die Menschen – zu wehren weiss", sagt Philippe Magnin, Präsident des Vereins Cynara. Deshalb wurden anderenorts die Dornen und Stacheln weggezüchtet. Nicht so in Genf. "Die Dornen erschweren die Arbeit. Aber sie sind Garant für den einzigartigen Geschmack und die Qualität unseres Kardys", sagt Pierre Boehm, Kardyproduzent in vierter Generation. Die AOP-Bezeichnung habe der Genfer Kardy verdient, weil die stachelige Sorte nur im Genfer Gebiet und nach einzigartigen und traditionellen Methoden angebaut wird, ergänzt Philippe Magnin.
Gebleichte Blattstiele
Die Aussaat erfolgt im März. Im November beginnt das "Bleichen": Jede Pflanze wird einzeln von einem schwarzen Plastik umhüllt, damit kein Sonnenlicht an die Pflanze gerät. Die Photosynthese wird partiell verhindert, die Pflanze wächst weiter. Die ehemals grünen Blattstiele werden heller, fast weiss. Sie werden zarter, weniger faserig, nicht so bitter und nussig im Geschmack.
"Eine Mechanisierung der Produktion bietet sich nicht an. Die Ernte wird manuell gemacht, genauso das Rüsten. Eben traditionell", sagt Pierre Boehm. In seinem Betrieb baut Boehm nicht nur die Pflanze an, er verarbeitet sie auch und verkauft die Spezialität in Einmachgläsern.
Regionaler Export
Im Moment herrscht Hochsaison. Jeweils Mitte Dezember findet das Genfer Volksfest, l‘Escalade, statt. Die Genfer Spezialität darf da nicht fehlen. Auch an Weihnachten hat das Gemüse in Genfer Familien tradition. 90 Prozent der jährlich produzierten 200 Tonnen werden in Genf verkauft.
In der Deutschschweiz ist der AOP-Kardy noch wenig bekannt. Neben Delikatessenläden bieten auch einige Filialen der Grossverteiler den Kardy im Glas an. Phillippe Magnin: "Der "Cardon épineux genevois" ist sehr in der Genfer Kultur verankert. Wir arbeiten aber weiter darauf hin, den Kardy auch über die Grenzen der "République de Genève" in andere Kantone zu exportieren."


