

LID: Steinobst wie Kirschen und Aprikosen haben im Detailhandel zugelegt, nicht so die Zwetschgen. Der Pro-Kopf-Konsum hat in den letzten Jahren gar abgenommen. Warum?
Beat Gisin: Weil es keine gesicherten Daten dazu gibt, kann ich nur Mutmassungen anstellen. Aus dem Umfeld höre ich immer wieder, dass Zwetschgen nicht modern, sondern eine „Grossmutterfrucht“ seien. Zudem gelten Zwetschgen primär als Frucht zum Backen. Es uns bislang nicht gelungen, Zwetschgen stärker als Frucht für den Frischkonsum zu positionieren. Dabei wären die Voraussetzungen ideal. Zwetschgen sind günstige, gesunde Früchte. Die Steine lösen sich gut, zudem saften Zwetschgen nicht. Das Säure-Zucker-Verhältnis verleiht ihnen angenehm-freche Geschmacksnote.
Die Obstbranche hat in den letzten Jahren grosse Anstrengungen unternommen, um die Qualität der Zwetschgen zu steigern (siehe Textbox). Dennoch greifen die Konsumenten nicht beherzter zu.
Dank des Programms „Qualitätssicherung 33“ haben wir beim Zwetschgen-Anbau in den letzten Jahren einen grossen Schritt nach vorne gemacht. So konnte die Produktion und der Marktanteil von Schweizer Zwetschgen gesteigert werden und zwar auf Kosten des Imports. Das ist positiv. Aber: Die Handelsmenge hat insgesamt nicht zugenommen.
Wer ist der typische Zwetschgen-Konsument?
Daten für die Schweiz gibt es nicht. Eine Umfrage in Deutschland hat gezeigt, dass 69% der Zwetschgen von Personen konsumiert werden, die über 60 Jahre alt sind. Das ist eine erschreckende Zahl, weil eine Konsumgeneration auszusterben droht. Auch wenn die Verhältnisse hier etwas anders sind als in Deutschland, würde ich behaupten, dass in der Schweiz Zwetschgen tendenziell auch eher von älteren Menschen konsumiert werden.
Keine rosigen Aussichten für Zwetschgen-Produzenten.
Wir müssen einerseits Zwetschgen im Frischkonsum fördern. Andererseits muss es uns gelingen, vermehrt junge Menschen und Familien für den Zwetschgenkonsum zu begeistern. Wenn ich bereits als Kind Zwetschgen gegessen habe, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass ich das auch als Erwachsener mache.
Und wie wollen Sie das erreichen?
Ein wichtiges Instrument ist sicherlich die Werbung. Basiswerbung für Schweizer Früchte, wie sie die Branche heute betreibt, ist wichtig. Doch müssen wir uns überlegen, ob das reicht. Wäre es nicht sinnvoller, ein spezifisches Kundensegment direkt anzusprechen und zwar mit einer bestimmten Botschaft? Doch zuallererst muss eine gründliche Marktanalyse gemacht werden. Wer kauft Zwetschgen? Wie werden sie verwendet und was erwarten Konsumenten von ihnen?
Kirschen werden im Detailhandel nach Grösse verkauft. Zwetschgen gibt es hingegen nur in einer Einheitsgrösse. Würden verschiedene Handelsklassen Sinn machen?
Nein, das glaube ich nicht. Bei Kirschen sind die Kaliber wichtiger als bei Zwetschgen. Bei Kirschen sind grosse Früchte erwünscht, bei Zwetschgen nicht unbedingt. Handlungsbedarf sehe ich eher bei den Angebotsformen. Hier sind wir sehr traditionell unterwegs. Zwetschgen werden seit rund 20 Jahren gleich verkauft, entweder offen oder dann in einem 1-kg-Körbchen. Hier müssen wir für mehr Innovation sorgen.
Zwetschgen gelten traditionell als Herbstfrucht. Dank neuer Sorten gibt es heute Schweizer Zwetschgen aber bereits ab Ende Juli. Ist das nicht ein Handicap?
Das ist ein weiterer Aspekt, den wir bislang noch zu wenig kommuniziert haben. Viele Leute erwarten im Spätsommer keine Zwetschgen. Gerade Personen, die saisonal einkaufen, denken womöglich, dass diese Zwetschgen aus dem Ausland kommen. Wir müssen versuchen, Zwetschgen vermehrt als Sommerfrucht zu positionieren.
Einmal angenommen, der Imagewandel gelingt und jüngere Menschen konsumieren künftig vermehrt Zwetschgen. Welche Steigerung halten Sie für möglich?
Heute liegt der Pro-Kopf-Konsum bei 1,2 kg. Wenn wir es schaffen, dass jede Person 8 bis 10 Zwetschgen mehr isst pro Saison, wären wir bei 1,5 kg. Dann könnten wir die Zwetschgen-Produktion für den Detailhandel von heute 4‘000 auf rund 5‘500 Tonnen ausbauen.
Bessere Qualität führt nicht zu Mehrkonsum
Im Jahr 2003 hat die Obstbranche der Nordwestschweiz, wo die meisten Schweizer Zwetschgen angebaut werden, ein umfassendes Programm zur Modernisierung des Anbaus gestartet. Die Umstellung auf neue Sorten wurde gefördert, womit die Saison ausgedehnt werden konnte. Für die Zwetschgen wurden Mindestgrössen definiert, die Qualität der Früchte konnte – geschmacklich wie optisch – gesteigert werden. Die Anstrengungen haben sich für die Obstbranche allerdings nur teilweise bezahlt gemacht. Zwar konnte der Marktanteil zulasten von Importfrüchten auf 80% gesteigert werden, der Gesamtkonsum blieb allerdings stabil. Mit anderen Worten: Trotz qualitativ besseren Schweizer Zwetschgen essen Herr und Frau Schweizer nicht öfter die blau-violetten Früchte.
Mittlere Zwetschgen-Ernte erwartet
Die Zwetschgen-Ernte in der Schweiz hat in der zweiten Julihälfte begonnen. Sie dauert noch bis ca. anfangs Oktober. Der Schweizer Obstverband rechnet bei den Frühsorten, die bis Mitte August gepflückt werden, mit einer Menge von rund 1‘000 Tonnen. Das entspräche einer durchschnittlichen bis guten Ernte. Ende Juli veröffentlicht der Obstverband eine zweite Ernteschätzung für die späteren Sorten.