"Es ist praktisch unmöglich den Wald im gesamten Walliser Berggebiet zurückzudrängen", gibt Mathias Hutter von der Walliser Dienststelle für Wald und Landschaft zu. Zumal die Ausdehnung zuweilen sogar begrüsst wird, z.B. dort, wo der Wald ein Gebiet vor Lawinen schützt. Nicht mehr hinnehmen will man allerdings, dass der Wald im Wallis Jahr für Jahr um 1'000 Hektar wächst, weil sonst die meisten Berggemeinden bald einmal vom Wald umzingelt sind. Der Kanton hat den Gemeinden deshalb letztes Jahr einen Leitfaden zugestellt, wie sie gegen unerwünschten Waldwuchs vorgehen können.
Vorgesehen ist ein zweistufiges Verfahren: Zuerst sollen die Gemeinden den Fokus auf jene Gebiete legen, in denen der Waldeinwuchs überhaupt noch eingedämmt oder gestoppt werden kann. Denn sobald die Bäume ein bestimmtes Alter erreicht haben sind sie geschützt. In einem zweiten Schritt sollen dann "Schlüsselgelände" ausgeschieden werden. Das können Flächen von hohem Naturwert sein, wie z.B. Moorlandschaften, Trockenwiesen und -weiden oder Hecken, Trockensteinmauern und Waldweiden. Aber auch Flächen, die den Blick auf Kulturgüter wie z.B. Maiensäss- Weilerzonen oder auf wertvolle Einzelobjekte wie Kapellen oder Burgruinen ermöglichen, sollen nicht im Wald untergehen. Genauso wenig wie Flächen, die für den Tourismus wichtig sind, als da sind: Hauptwanderwege, Aussichtspunkte, Loipen und natürlich die typischen 'Suonen'. Damit es auch in Zukunft noch Walliser Bergbauern hat, sollen jene Flächen ebenfalls offenbleiben, die eine gute Bodeneignung aufweisen, maximal 50% Neigung haben und hindernisfrei sind, so dass sie mit hangtauglichen Maschinen rationell bewirtschaftet werden können.
LID-Dossier Berglandwirtschaft
Noch liegt jeder achte Bauernbetrieb in der Bergzone III und IV. Doch dort, wo die Arbeit besonders streng und das Einkommen besonders unbefriedigend ist, geben immer mehr Betriebe auf. Vor allem diejenigen, die im Nebenerwerb geführt werden, und von denen gibt es im Wallis viele. Mehr zum Thema Berglandwirtschaft steht im Dossier 451: "Zwischen Tradition und Wirtschaftlichkeit" welches soeben erschienen ist. Mediendienst-Abonnenten erhalten das Dossier kostenlos. Einzelexemplare können für 10 Franken beim LID bezogen werden.
Pilotprojekte laufen
Der Leitfaden kam bei den Gemeinden offenbar gut an. Hutter: "Das Interesse der Gemeinden ist gross. Wir wollten ein erstes Pilotprojekt jedoch überschaubar halten und konnten deshalb nicht alle berücksichtigen." Auch die Bundesämter für Landwirtschaft, Umwelt und Raumplanung sind an dem Projekt interessiert, weil andere Regionen der Schweiz ebenfalls vom Wald rückerobert werden. Fünf Pilotgemeinden im Goms, das Val d' Anniviers und die Gemeinde Chalais kamen bereits zum Zug. Im Goms wurden inzwischen Fokusgebiete für die Offenhaltung ausgeschieden und die Begleitgruppe für eine erste Sitzung eingeladen. Dann wird man über die Schlüsselgelände diskutieren und in einer zweiten Projektphase die nötigen Massnahmen festlegen. Der Raumplaner Peter Gresch hat den Leitfaden als Experte begleitet. Er ist zuversichtlich: "Wenn man erst einmal eine Karte vor sich hat, kann man auch festlegen, wie die Flächen bewirtschaftet werden sollen." Er arbeitet gerade an einem Massnahmenkatalog, der sich nicht nur an Bauern richtet, sondern z.B. auch Jäger berücksichtigt, wenn es darum geht Waldlichtungen offenzuhalten, von denen das Wild – und damit die Jagd – profitiert.
Entbuschungen mit Rodungen finanzieren
Wald und Wald ist zweierlei: In den Talflächen des Wallis bedeutet jeder gefällte Baum einen Verlust für die Landschaft, den Grundwasserschutz und die Holznutzung, die hier meistens wirtschaftlich betrieben werden kann. Ein strenger Waldschutz macht hier weiterhin Sinn. Wenig Sinn macht es dagegen, als Rodungsersatz im Berggebiet aufzuforsten, weil dort der Wald ohnehin zunimmt. Stattdessen könnte der Rodungsersatz teilweise dazu verwendet werden, jene Büsche und Bäume zu roden, die sich auf den ökologisch besonders wertvollen Trockenwiesen und -weiden breit machen. Da das Wachstum auf diesen ertragsarmen Standorten sehr langsam ist, dürfte ein Eingriff alle zehn Jahre genügen. Auf wüchsigeren Flächen braucht es dagegen mehr Effort um den Wald in Schranken zu halten. Gresch: "Die Bauern müssen die Offenhaltung der Schlüsselgelände aber nicht gratis erbringen, ihre Arbeit wird abgegolten." Dennoch rechnet Gresch nicht damit, dass es wesentliche zusätzliche Fördergelder braucht. Er ortet eher Informationsbedarf: "Das heutige Direktzahlungssystem ist so kompliziert, dass die Bauern oft nicht genau wissen, wofür sie das Geld eigentlich erhalten."
Soziale Einflussfaktoren
Dass es nicht am Geld liegt, macht Gresch daran fest, dass in anderen Kantonen, z.B. in der Innerschweiz oder im Appenzellerland, Vergandung kein Problem ist. Dort werden die Flächen nach wie vor bis an den Waldrand bewirtschaftet. "Die Beziehung zum Land ist dort anders", stellt Gresch fest. Zudem sind die Flächen weniger parzelliert. "Kleine, weit entferntere Flächen werden weniger sorgfältig bewirtschaftet, als grössere Flächen in der Nähe des Hofes." Zudem scheint es vielen Bauern am Bewusstsein zu fehlen, wie wertvoll ihre Arbeit für das Kulturgut Boden ist. Für Gresch steht fest: "Mit der Definition von Schlüsselgeländen kann auch das Selbstbewusstsein der Bauern gestärkt werden." Denn ohne Bauern macht die Offenhaltung wenig Sinn.
Bergbauern –produktiv und kreativ
Ohne Bergbauern wäre die Bergwelt nicht halb so schön. Das Grüne Zentrum und seine Partner widmen der Berglandwirtschaft und der Alpkultur deshalb eine Sonderschau an der BEA/PFERD vom 27. April bis 6. Mai. Dort stellen sich unter anderem mehrere Bauernfamilien aus dem Berner Oberland vor.
