
Diese Woche hat das BFS die erste Schätzung der Landwirtschaftlichen Gesamtrechnung für das Jahr 2020 publiziert. Daraus geht hervor, dass sich die Schweizer Landwirtschaft im Corona-Jahr rasch an die «ausserordentliche Lage» angepasst hat. Einige Bereiche haben von der besonderen Situation gar profitiert; für andere Bereiche wiederum wie zum Beispiel den Weinbau hat sich die Lage jedoch verschlechtert.
Insgesamt beläuft sich die Gesamtproduktion der Schweizer Landwirtschaft im Jahr 2020 voraussichtlich auf 11,4 Milliarden Franken. Das sind 0,2 Prozent mehr als 2019. Dabei wurden 7 Milliarden Franken für so genannte Vorleistungen ausgegeben, 3,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Vorleistungen sind Güter, die in ein nachgelagertes Endprodukt einfliessen. Wird Milch oder Fleisch produziert, sind zum Beispiel die Futtermittel ein solches Vorleistungsgut. Zu den Vorleistungsgütern zählen auch Aufwendungen für Energie, Dünger, Unterhalt und Reparaturen von Ställen und Gebäuden. Die Vorleistungen werden vom Gesamtproduktionswert jeweils abgezogen woraus sich dann die Bruttowertschöpfung ergibt. 2020 liegt diese voraussichtlich bei 4,4 Milliarden Franken. Das sind 5,8 Prozent mehr als 2019. Wird zusätzlich die Teuerung gegenüber dem Vorjahr berücksichtigt, liegt die Zunahme noch bei 4,4 Prozent.
Interessant ist dabei auch ein Blick auf die Arbeitsproduktivität. Denn von 2019 auf 2020 ist das Arbeitsvolumen um 0,6 Prozent zurückgegangen, ist aber dennoch um 34 Prozent (!) höher als im Jahr 2000. Ein deutlicher Hinweis auf eine enorme Effizienzsteigerung in den letzten 20 Jahren.

Starker Anstieg bei der Produktion von Ölsaaten
Dies sind erfreuliche Zahlen. Auch deshalb, weil bis Ende April eine starke Trockenheit den Kulturen stark zu schaffen machte. Der ersehnte Regen setzte zum Glück doch noch rechtzeitig ein und ein Trockenjahr wie 2018 sich nicht wiederholt hat. Zwar waren die Regenmengen eher bescheiden, doch reichten sie aus, um die Kulturen gut gedeihen zu lassen. «Auch Schäden durch Hagel oder Unwetter fielen im Vergleich zu anderen Jahren gesamtschweizerisch betrachtet gering aus», sagt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbandes (SBV).
So seien die Erträge im Pflanzenbau meist gut bis sehr gut. Laut BFS hat sich der Produktionswert des Pflanzenbaus gegenüber 2019 um 5,5 Prozent auf etwa 4,2 Milliarden Franken verringert.
Das Ergebnis der Getreideernte lag mit geschätzten 920'000 Tonnen trotz anfänglicher Trockenheits-Probleme 1,5 Prozent über dem Vorjahr. Ein besonders starker Anstieg ist insbesondere bei den Ölsaaten, also vor allem Sonnenblumen und Raps, zu verzeichnen. Gegenüber dem Vorjahr wurden 21,6 Prozent mehr Ölsaaten produziert und wertmässig liegt die Steigerung bei eindrücklichen 19,1 Prozent.

Sorgenkind Zuckerrübe
Unbefriedigend ist die Situation hingegen beim Zuckerrübenanbau. Zwar sind die Erträge gut, die Zuckergehalte hingegen tief. Vor allem in der Romandie macht den Zuckerrüben zudem eine Erkrankung, die Viröse Vergilbung, immer mehr zu schaffen. (siehe auch den Mediendienst-Beitrag zum Thema)
Die Zuckerrüben sind eines der diesjährigen «Sorgenkinder» der Schweizer Landwirtschaft wie der SBV in einer Mitteilung schreibt. Die beiden anderen Sorgenkinder seien der Weinbau sowie der Bereich Molkereimilch. «Zwar haben die Milchproduzenten 2020 von leicht höheren Milchpreisen als 2019 profitiert, doch ist die Preissituation bei der Molkereimilch nach wie vor unbefriedigend», sagt Martin Rufer.
Beim Weinbau waren die Ernteerträge zwar zum dritten Mal in Folge gut, doch machen Absatzproblem der Branche stark zu schaffen. Dazu kommt der Einbruch der Verkaufszahlen aufgrund der Gastronomie-Schliessung während des Lockdowns. Der wichtigste Absatzkanal der Branche fiel von einem Tag auf den anderen weg. Die Quoten für die Traubenproduktion wurden in der Folge gesenkt und Weine deklassiert, um Problemen beim Absatz der bestehenden Vorräte entgegenzuwirken. Deshalb rechnet die Branche aktuell damit, dass der Produktionswert von Trauben und Wein gegenüber dem Vorjahr um 8,5 Prozent zurückgeht.

Hofläden profitieren von der Pandemiesituation
Die Corona-Pandemie hatte aber durchaus auch positive Effekte. So stieg zum Beispiel die Nachfrage nach inländischem Gemüse aufgrund der ausserordentlichen Situation stark an. Auch die Schlachtviehpreise liegen 2020 höher als im Vorjahr, welches ebenfalls bereits ein sehr gutes Jahr war. Vor allem für die Schweinemäster. So erhöht sich der Wert der Schweineproduktion 2020 um 5,7 Prozent auf 1 Milliarde Franken. Und auch der Aufschwung der Geflügelbranche setzte sich 2020 ungebremst fort; der Produktionswert lag 2020 bei 0,6 Milliarden Franken.
Die tierische Produktion nimmt laut Hochrechnungen des BFS 2020 gegenüber dem Vorjahr insgesamt um 4,5 Prozent auf geschätzte 5,7 Milliarden Franken zu. Der Wert der Milchproduktion wird mit 2,5 Milliarden Franken beziffert, was einer Zunahme von 2,6 Prozent entspricht. Dies obwohl die Produktionsmenge insgesamt um 0,8 Prozent zurückgegangen ist.
Von der Pandemie-Situation profitiert, hat vor allem auch die Direktvermarktung. So konnten die Hofläden die hochschnellende Nachfrage teilweise kaum decken. Dieser Trend hält sich in reduzierter Form auch nach dem Lockdown. «Der Absatz in der Direktvermarktung hat sich in der Zwischenzeit wieder eingependelt, jedoch auf einem etwas höheren Niveau als im Vorjahr», sagt Martin Rufer. Der SBV zeigt sich erfreut über das gestiegene Vertrauen der Bevölkerung in die Schweizer Landwirtschaft seit dem Lockdown. «Die Bedeutung der Regionalität als Verkaufsargument und der Versorgungssicherheit in bewegten Zeiten hat klar zugenommen», sagt Martin Rufer.

Das sektorale Einkommen steigt 2020
Seit 1999 werden den Schweizer Bauernfamilien Direktzahlungen ausbezahlt. Diese Staatsbeiträge sind seither zu einem wichtigen Einkommensbestandteil für die Branche geworden. Nach ersten, auf dem Voranschlag des Bundes gestützten Schätzungen, bleiben die Staatsbeiträge 2020 gegenüber dem Vorjahr praktisch unverändert. Sie machen im laufenden Jahr mit 3 Milliarden Franken rund 21 Prozent der Gesamtressourcen des Schweizer Agrarsektors aus.
Wie eingangs bereits erwähnt sind die Vorleistungen um 3,1 Prozent auf 7 Milliarden Franken gesunken. Dies ist in erster Linie auf tiefere Preise für Futtermittel und Energie zurückzuführen. Löhne für Angestellte, Pachten sowie Schuldzinse bleiben nach ersten Schätzungen des BFS im Vergleich zum Vorjahr relativ stabil.
Abschliessend lässt sich sagen, dass eine leichte Zunahme der Einnahmen um knapp 17 Millionen Franken auf rund 14,4 Milliarden Franken angesichts der ausserordentlichen Situation 2020 durchaus positiv zu werten ist. Dass sich unter den gegebenen Umständen ein gutes Landwirtschaftsjahr abzeichnet, ist alles andere als selbstverständlich. Zum erfreulichen Ergebnis beigetragen haben dabei auch die um 2,3 Prozent oder 258 Millionen Franken geringeren Ausgaben der Schweizer Landwirtinnen und Landwirte.
Aus dem Saldo von Einnahmen und Ausgaben ergibt sich schliesslich für das laufende Jahr ein Nettounternehmenseinkommen für die Schweizer Landwirtschaft von knapp 3,3 Milliarden Franken. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahr einem Plus von 9,2 Prozent oder 275 Millionen Franken. Damit liegt das Einkommen im Sektor Landwirtschaft im Jahr 2020 fast 12 Prozent über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre.
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