
Laut ist es in der traditionsreichen Leinenweiberei Schwob in Burgdorf. Die Jacquardmaschinen stellen auf Hochtouren Textilien für die Hotellerie und Gastronomie her. Auf den Maschinen Nr. 5 und 6 wird besonderer Faden verarbeitet. Er wurde aus Emmentaler Flachs hergestellt. Noch vor einigen Jahren schien eine industrielle Verarbeitung von Schweizer Flachs unmöglich. Doch einige Bauern haben es mit der Unterstützung der IG zur Naturfasernutzung Niutex geschafft, die Produktion ins Laufen zu bringen.
Auf mittlerweile fünf Hektaren ist die Anbaufläche gewachsen. "Die Schweiz ist ein ideales Anbaugebiet", sagt Adrian Brügger, Landwirt aus Willadingen und Mentor der Hanf-Flachs-Anbaugemeinschaft (HAFAG). Es gibt genug Niederschlag und die Temperaturen stimmen. Diese guten Bedingungen sind auch ein Grund, weshalb im Emmental klappt, was anderswo scheiterte. In Deutschland mussten ähnliche Projekte aufgegeben werden, weil sich die Initianten zu wenig Gedanken über die Ansprüche des Flachs gemacht hatten. Davon profitierten die Emmentaler Bauern. Sie konnten dort und in Belgien einige gebrauchte Maschinen erstehen, wobei ein Teil des benötigten Geldes durch Crowdfunding generiert wurde.
Von der Baumwolle verdrängt
Flachs wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der Textilbranche von der Baumwolle fast vollständig verdrängt. Auch heute noch ist der Marktanteil eher klein, doch gewinnt Flachs wieder an Bedeutung. Dies ist einerseits neuen Technologien geschuldet, mit denen sich aus Flachs auch feine und leichte Stoffe herstellen lassen, andererseits aber auch dem Umstand, dass bei der Produktion nur wenig Dünger und Pestizide verwendet werden muss. Dies ist ein grosser Vorteil gegenüber der Baumwollproduktion, die stark auf Pestizide angewiesen ist und deren Felder bis zu 25-mal pro Saison bespritzt werden. Damit gilt Baumwolle als das landwirtschaftliche Produkt mit dem höchsten Chemie-Einsatz.
Gelernt dank Youtube
Schwierig war es für die Emmentaler Bauern, die Technik des Anbaus und der Ernte zu erlernen. "Viel mitbekommen habe ich durch Filme auf Youtube, die von französischen Produzenten ins Netz gestellt wurden", sagt Brügger. Doch an technische Details zu kommen, sei äusserst schwer gewesen. "Es kommt uns aber zugute, dass wir Bauern Allrounder sind und uns mit Maschinen gut zurecht finden", so der Landwirt. Die erste Erntemaschine wurde an der Verladerampe abgeholt und direkt aufs Feld gebracht, wo der Flachs ohne vorherige Erfahrung erfolgreich aus dem Boden gezupft wurde.
Anbauverträge erleichtern Vermarktung
Ende letzten Jahres gelang mit der Gründung der Swiss Flax GmbH der nächste Schritt. Diese schliesst mit den Bauern Anbauverträge ab und übernimmt das Flachstroh für die Weiterverarbeitung. Der Faseraufschluss und das Spinnen geschehen jedoch in den Niederlanden und in Ungarn – in der Schweiz existieren keine Einrichtungen dafür.
Laut Hans Haslebacher, Geschäftsführer von Niutex und SwissFlax, ist es ein Ziel, die industrielle Weiterverarbeitung in der Schweiz durchzuführen. Doch dazu müssten die Mengen deutlich gesteigert werden. Bei 50 bis 100 Hektaren könne man über den Faseraufschluss in der Schweiz sprechen, um ein Unternehmen damit auszulasten, benötige es aber noch deutlich mehr. "Da liegt noch viel Knochenarbeit vor uns", so Haslebacher. Die Bauern jedenfalls scheinen motiviert: "Das Interesse am Anbau ist gross", sagt Adrian Brügger.
Auch der Leinsamen wird verwendet
Im Gegensatz zu den grossen Anbaugebieten wie in Frankreich wird beim Emmentaler Flachs auch der Samen genutzt. Die Mühle Landshut nimmt die Leinsamen ab und vertreibt diese an Bäckereien. "Ich habe bei den Bäckern mit den einheimischen Leinsamen offene Türen eingerannt";, sagt Regula Beck, Mitglied der Geschäftsleitung. Die Mühle hat alle Mischungen mit Leinsamen auf Schweizer Ware umgestellt. Mit der Qualität des ersten Jahres ist Regula Beck zufrieden und zeigt sich auch für die Zukunft zuversichtlich. Rund 450 Kilo konnten bereits an Bäckereien in der Region abgesetzt werden. Bisher wurden dort importierte Leinsamen verwendet, diese stammen zu einem grossen Teil aus China.





