
"Hopfen und Malz, Gott erhalt`s", ist ein altes Sprichwort der Bierbrauer. Das gilt erst recht, wenn die Produkte aus der Region kommen. Die Brauerei Schützengarten in St. Gallen bezieht für ihr "Landbier" die Gerste aus der St. Galler Umgebung. Auch die Brauereien Locher in Appenzell sowie Sonnenbräu in Rebstein SG werben mit Braugerste, die in der Schweiz angebaut wird.
Rohstoffe kommen aus der Region
Einer der 12 Landwirte, welche die Gerste für Schützengarten liefern, ist Andreas Boschung vom Schloss Watt in Mörschwil. Schon seit dem Jahr 2001 baut er Braugerste an. Angefangen hat es per Zufall. Josef Zweifel von der Geschäftsleitung der Schützengarten AG war sein Musikkollege in der Bürgermusik Mörschwil. Beide fanden es eine gute Idee, einheimische Rohstoffe für das "Landbier" zu verwenden.
Die Brauerei nimmt Boschung seither die Braugerste für ihr Culinarium-zertifiziertes Landbier ab. Hierfür sind mindestens 80 % heimische Getreide vorgeschrieben. Um regionale Braugerste auch für andere Biersorten zu verwenden, schloss Schützengarten einen Vertrag mit der St. Gallischen Saatzuchtgenossenschaft in Flawil ab. Die Genossenschaft sorgt für den vertragskonformen Anbau und die Qualitätskontrolle.

Der Anbau von Braugerste benötigt Knowhow
"Der Anbau von Braugerste ist anspruchsvoll", sagt Christoph Gämperli, Geschäftsführer der Saatzuchtgenossenschaft. Er berät die Bauern, damit sie über das nötige Knowhow verfügen. An erster Stelle steht die richtige Sorte. Sie muss sich nicht nur für die Böden und das Klima in der St.Galler Umgebung eignen, sondern auch gute Malz-Eigenschaften mitbringen.
Am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen wurden Anbauversuche mit 4 Braugerstensorten durchgeführt. Die Wahl für den diesjährigen Anbau fiel auf die Sorte Avalon. Neben der Sorte spielen Düngung und Pflanzenschutz wichtige Rollen für die Eignung der Gerste zum Bierbrauen. Erhält die Gerste Stickstoff zur falschen Zeit, bildet sie vermehrt Eiweiss. "Zu viel Eiweiss ist für helle, schlanke und süffige Biere ungeeignet", sagt Ketterer, technischer Direktor der Brauerei Schützengarten. Mehr als 12% Eiweiss darf die Braugerste nicht enthalten.
Für die Landwirte ist es eine Herausforderung, die Gerste so knapp zu düngen, dass sie wenig Eiweiss enthält und trotzdem einen guten Ertrag bringt. Dafür müssen sie ihre Böden gut kennen und Bodenproben nehmen. Auch der Befall einer Gerstenpartie mit dem Pilz Fusarium kann dazu führen, dass sie für eine Verarbeitung in der Mälzerei abgelehnt wird.
5'000 Hektoliter Bier von 20 Hektaren Gerste
Die Gerste verleiht dem Bier Geschmack und Farbe. Für einen Hektoliter Lagerbier sind etwa 21 kg Gerste bzw. 17 kg Malz notwendig, sagt Martin Ketterer, Rohstoffexperte der Brauerei Schützengarten. Diese hat dieses Jahr 20 ha Anbaufläche unter Vertrag. Mit einem Ertrag von etwa 6 Tonnen pro Hektar werden rund 120 Tonnen Braugerste erwartet. Daraus entstehen dann über 5'000 hl Bier.

Risiko ist grösser
Die Saatzuchtgenossenschaft lässt von jeder geernteten Partie eine Probe untersuchen, bevor sie diese von der Getreidesammelstelle Niederuzwil als Braugerste frei gibt. Werden dabei Grenzwerte überschritten, wird die Braugerste zu Futtergerste deklassiert, das heisst, sie ist etwa ein Drittel weniger wert.
Da hätte der Landwirt besser eine Futtergerste angebaut, die weniger Pflege benötigt und mehr Ertrag bringt. Für Braugerste eignen sich nur zugelassene, zweizeilige Sommergersten, während Futtergersten vierzeilig sind und schon im Herbst angesät werden.
Wenn alles gut geht, verdient Landwirt Boschung mit der Braugerste etwa so viel wie mit dem Anbau von IP-Suisse-Weizen. Nicht nur der Aufwand, sondern auch das Risiko sei grösser, ergänzt er. "Wir hatten auch schon Glück", gibt er freimütig zu. Vor allem humusreiche Böden, die gegen Ende der Reifung Stickstoff nachliefern, eignen sich nicht für den Anbau von Braugerste.
Eine weitere Herausforderung für ihn ist, dass immer wieder neue Braugerstensorten auf den Markt kommen, deren Anbaueigenschaften er erst kennenlernen muss. Es scheinen nicht zuletzt die Freude am Bier sowie die gute Geschäftsbeziehung zur Brauerei zu sein, die ihn als regionalen Braugerstenproduzenten bei der Stange halten.
Dreimal teurer
"Die Schweizer Braugerste kommt uns drei Mal so teuer zu stehen wie Braugerste aus Deutschland", hält Ketterer fest. Grund dafür sind nicht nur die höheren Getreidepreise in der Schweiz, sondern auch die Transport- und Abwicklungskosten am Zoll. Da es in der Schweiz nur eine kleine Mälzerei in Genf gibt, wird die Braugerste zur Schwabenmalz GmbH nach Laupheim in Deutschland gefahren, Fahrzeit etwa 1,5 Stunden.
"Die Charge wird komplett getrennt von anderen Braugersten gemälzt", sagt Ulrich Zimmermann, Geschäftsführer der Mälzerei in Laupheim. Die Brauerei Schützengarten besass bis zum Jahr 1986 als letzte Schweizer Brauerei noch eine eigene Mälzerei. Da es für Brauereien nicht rentabel ist, eigene Mälzereien zu betreiben, haben sie diese aufgegeben. Heute sind Mälzereien grosse, spezialisierte Verarbeitungsbetriebe, die für viele Brauereien eine grosse Zahl von Malzqualitäten herstellen.
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