
Von Omar Hetata*
In unmittelbarer Sichtweite zum Bodensee bewegen sich Patrick Stadler und sein Lernender David Lüthi durch die sauber geschnittenen Apfelbaumfluchten des Schul- und Versuchsbetriebs Arenenberg in Güttingen. Über ihnen hängt zum Schutz der empfindlichen Bäume ein sorgfältig verschlossenes Dach aus Hagelnetzen.
Mit zusammenfaltbaren Lupen begutachten die beiden Berufsleute die jungen Blätter der Pflanzen. "Wir überprüfen stichprobenartig unsere Kulturen, um zu messen, wie viele Nützlinge sich in unserer Obstanlage bereits eingenistet haben", erklärt David Lüthi. Der 18-Jährige Baselbieter ist angehender Obstfachmann im dritten Lehrjahr und bereitet sich auf die bevorstehende Lehrabschlussprüfung vor.
Zusammenspiel mit der Natur
"Nützlinge", so Lüthi, "sind ein natürlicher Schutz für unsere Pflanzen. Wenn die Bäume im Frühling treiben, sind die jungen Blätter noch sehr empfindlich und leicht anfällig für Pilze, Schädlinge und schlechtes Wetter. Nützlinge, wie beispielsweise die Raubmilbe, werden von uns bewusst gepflegt, da sie wirksam gegen Schädlinge sind."
Der Baselbieter wuchs in Ramlinsburg auf einem Obstbaubetrieb auf und entschied sich schon früh für den Beruf des Obstfachmanns. Auf dem elterlichen Hof habe man zwar auch Tiere, was eine Lehre zum Landwirt ebenfalls sinnvoll erschienen liess. Doch Lüthi begeisterte sich stärker für den Obstbau. Die Tierhaltung entspreche ihm weniger, sagt er und lacht.
Schon früh begann er zuhause bei der Ernte mitzuhelfen und seine Freude an der Arbeit auf dem Obstbaubetrieb scheint auch jetzt in seinem dritten Lehrjahr ungebrochen. Lüthi betont: "Mein Beruf fasziniert mich täglich von Neuem. Die Abwechslung und Vielfalt der Pflanzen sind spannende Herausforderungen. Und in meiner Ausbildung interessiere ich mich natürlich dafür, möglichst viele Abläufe kennenzulernen, um selbständig den elterlichen Betrieb führen zu können."
Im dritten Lehrjahr weiss der angehende Obstfachmann bereits über zahlreiche Facetten des Obstbaus Bescheid. Muss er auch, denn bald wird er die Berufsprüfung absolvieren und sein Know-how zuhause einbringen können.
Beste Berufsaussichten
David Lüthi ist einer von jährlich 15 Lernenden, die in der Schweiz die Ausbildung zum Obstfachmann absolvieren. Benötigt werden laut Schweizer Obstverband 20 bis 25 Absolventen. Die Zukunftsaussichten für engagierte Obstfachleute sind sehr gut.
"Wir sind auf der Suche nach guten Leuten", bestätigt Patrick Stadler und zeigt die Möglichkeiten auf, die man als Obstfachmann und Obstfachfrau hat: "Die meisten Lernenden haben einen landwirtschaftlichen Hintergrund und übernehmen nach der Lehre meist den elterlichen Betrieb. Doch der Beruf steht auch jedem offen, der keinen eigenen Betrieb führen möchte. Obstfachleute braucht es überall. In den Fachstellen der Kantone zum Beispiel. Man kann sich stetig weiterbilden und studieren. Wer bereits einen Berufsabschluss als Landwirt, Weintechnologe, Winzer, Gemüsegärtner oder Geflügelfachmann hat, kann innerhalb eines Jahres eine Zweitausbildung zum Obstfachmann absolvieren. Wir freuen uns natürlich auch, wenn Leute den Beruf erlernen, die keinen Hof zu übernehmen haben. Diese bleiben uns in der Lehre und Forschung erhalten."
Patrick Stadler ist verantwortlich für Ausbildung der Lernenden und schon seit 2001 an der Schul- und Forschungsanstalt Arenenberg beschäftigt. Rund ein Drittel des Obstbaubetriebs gehört Agroscope und ist für die Forschung reserviert. Stadler arbeitet hierbei eng mit der Wissenschaft zusammen. Auf den anderen zwei Dritteln der Fläche produziert der Betrieb während eines Jahres verschiedene Obst- und Beerensorten.
Seit 2006 ist Patrick Stadler Betriebsleiter und wirkt zudem als Berater und Lehrer. Der 42-jährige lernte ursprünglich Obstbauer, wie der Beruf damals hiess. Anschliessend bildete er sich in der Westschweiz an der Ingenieursschule weiter. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern auf dem Betrieb.
Der Lernende David Lüthi wohnt mit Stadlers zusammen und gehört während seiner Ausbildung zur Familie. Stadler erklärt, worauf er deshalb bei der Auswahl seiner Lernenden besonders achtet: "Als Ausbildner geht es mir weniger darum, was jemand bereits kann, sondern vielmehr, was für ein Typ er ist. Ich achte auf Pünktlichkeit und Sozialkompetenz. Da die Lernenden mit uns zusammenleben, ist es von Vorteil, wenn man gut miteinander auskommt." Selbstverständlich muss ein angehender Obstfachmann auch Freude an der Natur und der Arbeit im Freien haben. Stadler ergänzt: "Handwerkliches Geschick ist ebenfalls von Vorteil!"
Vorausschauend und flexibel
Obstfachleute brauchen eine genaue Beobachtungsgabe und den erforderlichen Weitblick für die grösseren Zusammenhänge der Natur. Sie passen ihre Arbeiten den Jahreszeiten und der täglichen Witterung an. Dies verlangt nach Flexibilität und aber auch nach einer vorausschauenden Planung.
Dass dabei organisatorisches Geschick unerlässlich ist, wird rasch klar, wenn man Patrick Stadler über die Herausforderungen auf einem Obstbaubetrieb sprechen hört: "Wir produzieren mit der Natur zusammen Lebensmittel für Konsumenten, die gewisse Wünsche und Vorlieben haben. Ein Obstfachmann muss also sowohl auf die Beschaffenheit der Umgebung achten, als auch frühzeitig erkennen, was vom Kunden gewünscht wird. Da muss man gut beobachten können und mitdenken. Man sollte auch flexibel und offen für Wandel sein. Denn hier bieten sich Chancen."
David Lüthi bestätigt diesen Eindruck: "Heute kann man auch als Kleinbetrieb im Obstbau erfolgreich sein, wenn man beispielsweise Beeren anbaut, die aufgrund ihrer Antioxidantien für gesundheitsbewusste Konsumenten attraktiv sind." Regionalität und Umweltbewusstsein kommt dem Obstbau ebenfalls entgegen. Denn auf Natürlichkeit und Umweltfreundlichkeit wird hier sehr viel Gewicht gelegt. Die Obstfachleute wissen, wie wichtig die Natur für sie ist. Schweizer Obst hat denn auch nicht umsonst seinen hervorragenden Ruf, gut für die Gesundheit zu sein.
*Der Artikel erschien in der Juni-Ausgabe des Fachmagazins "Früchte & Gemüse", das vom Schweizer Obstverband herausgegeben wird.

Gesucht: Bauern, Metzger, Käser
lid. Der Nachwuchsmangel in der Land- und Ernährungswirtschaft spitzt sich zu. Nicht nur Obstbauern werden gesucht, sondern auch Gemüsegärtner. Der Bedarf liegt gemäss dem Verband der Schweizer Gemüseproduzenten bei jährlich 60 bis 70 Personen. Jedoch starten pro Jahr lediglich rund 15 Personen die Ausbildung zum Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis als Gemüsegärtner. Der Verband hat deshalb kürzlich nationale Schnuppertage durchgeführt, um mehr Jugendliche für den Beruf des Gemüsegärtners zu gewinnen.
Auch den Metzgern mangelt es an Nachwuchs. Im letzten Jahr haben knapp 350 Jugendliche eine Lehre in der Fleischbranche in Angriff genommen, nötig wären laut Metzgerverband aber doppelt so viele Personen.
Ein Fachkräftemangel zeichnet sich auch in der Käsebranche ab. Derzeit absolvieren rund 350 Jugendliche eine Lehre zum Milchtechnologen (Käser) und Milchpraktiker. Das reiche nicht, um die Käse-Produktion zu sichern, warnt der Schweizerische Milchwirtschaftliche Verein.
