Die in wenigen Tagen beginnende Kirschenernte verspricht gute Erträge. Ideales Wetter im April und Mai sorgten dafür, dass die Bäume voll hangen – mit Blick auf die Konservenkirschen gar zu voll. Denn von den geschätzten 1'200 Tonnen wird der Inlandmarkt nur deren 700 bis 800 aufnehmen, erklärt Hansruedi Wirz, Präsident des Früchtezentrums Basel. Die Folge: Die Produzenten rechnen mit 400 bis 500 Tonnen Industriekirschen, von denen sie nicht wissen, wie sie sie absetzen sollen. Wirz spricht denn auch von einem "Sorgenkind". Dabei fällt die erwartete Menge nicht aussergewöhnlich gross aus, sondern sie entspricht den Erträgen der letzten Jahre. Aber: In den Vorjahren konnte derjenige Teil der Ernte, der in der Schweiz keine Abnehmer fand, dank finanzieller Unterstützung des Bundes exportiert werden. Ab diesem Sommer ist damit Schluss.
Stetig sinkende Nachfrage
Mit dem zweiten bilateralen Abkommen von 2005 bläst den Kirschproduzenten ein rauer Wind entgegen. Denn diese Verträge führten zu einer Aufhebung des Grenzschutzes für Konservenkirschen, womit sich der Wettbewerb markant verschärfte. Die Konfitürenverarbeiter können seither die preiswerteren ausländischen Früchte zollfrei einführen – zum Nachteil der teureren Schweizer Konservenkirschen. In der Folge setzte die Industrie immer mehr auf ausländische Kirschen. Das zeigen die Zahlen des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW): 2004, ein Jahr vor Ende des Grenzschutzes, importierten die Verarbeiter 932 Tonnen gefrorene Konservenkirschen. 2009 waren es bereits 1'394 Tonnen. Und in dem Masse wie die ausländischen Kirschen zulegten, verloren Schweizer Früchte an Marktanteilen. Wurden 2004 rund 1'070 Tonnen verarbeitet, waren es letztes Jahr noch 687 Tonnen Schweizer Konservenkirschen.
Export fast nicht möglich
Eine mögliche Lösung, das Überangebot abzubauen, besteht weiterhin in der Ausfuhr ins Ausland. Für Wirz käme diese Massnahme allerdings einer Feuerwehrübung gleich. Denn nach dem Rückzug des Bundes muss ein Export von Konservenkirschen von der Branche selbst berappt werden. Und das wird teuer: "Damit wir exportieren könnten, müssten wir unsere Preise massiv senken," betont Wirz. Und ob dann die Produzenten die Konservenkirschen noch pflücken würden, sei fraglich. Erschwert werde die Ausfuhr zudem durch den derzeit sehr schwachen Euro. Ein Export könne deshalb nur eine Notlösung sein.
Hoffen auf Inlandmarkt
Stattdessen hofft Wirz, selbst Obstbauer und Schnapsbrenner, derweil auf eine Steigerung der Inlandnachfrage. Innovative Erzeugnisse wie etwa die "Chriesiwurst" seien zwar zu begrüssen, um aber die ganzen Überschüsse absetzen zu können, reichten solche Nischenprodukte nicht aus, gibt Wirz zu bedenken. Ausserdem sei die Schweizer Herkunft im Falle der Konservenkirschen kein Trumpf. "Der Swissness-Bonus bei Verarbeitungsprodukten wie Konfitüre ist eher klein." Ob sich die an die ausländischen Kirschenproduzenten verloren gegangenen Marktanteile zurückerobern lassen, hängt deshalb massgeblich vom Rohstoffausgleich des Bundes ab: Dieser verbilligt jedes verarbeitete Kilo Konservenkirschen mit 46,5 Rappen. Damit soll der aufgrund des höheren Schweizer Preisniveaus entstehende Wettbewerbsnachteil der inländischen Früchte gegenüber denjenigen aus dem Ausland ausgeglichen werden. Zu gering sei dieser Betrag, erklärt Wirz. Um gegenüber ausländischen Früchten konkurrenzfähig zu sein, seien rund 60 Rappen nötig. Deshalb werde man diesbezüglich mit dem Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, Manfred Bötsch, nochmals verhandeln.
Menge reduzieren
Wirz rechnet künftig mit jährlich anfallenden Überschüssen, falls die Inlandnachfrage nach Konservenkirschen nicht zunimmt. Und da deren Export wenig lukrativ ist, sieht Wirz nur eine Lösung: "Langfristig muss die Menge an Konservenkirschen der Nachfrage angepasst werden." Will heissen: Der Baumbestand muss reduziert werden. Da Konservenkirschen vorab von Hochstammbäumen stammen, kommt just jener Baumtyp in Bedrängnis, dessen Bestände ohnehin stark rückläufig sind. Nachdem der Absatz von Brennkirschen massiv eingebrochen und die Nachfrage nach Hochstamm-Tafelkirschen ebenfalls am Schwinden ist, wird der Druck aufgrund der Lage bei den Konservenkirschen auf die Hochstämmer somit abermals verstärkt.
Farbcode für die Kirschen
Nicht nur gross und knackig sollen Tafelkirschen sein, sondern auch farblich gleichmässig. Ab diesem Jahr gelangt bei der Ernte ein Farbcode zum Einsatz, der aus sieben verschiedenen Rottönen besteht. Dieser dient den Produzenten bei der Reifebestimmung der Früchte. Denn: gleichmässig reife Kirschen in den Gebinden sind gemäss Obstverband ein wichtiges Qualitätskriterium. Künftig dürfen sich die grosskalibrigen Kirschen der Klasse Premium bei Abgabe an den Grosshandel höchstens um zwei Farbstufen unterscheiden.
