
"SGS-Reorganisation: Der Genfer Warenprüfkonzern soll effizienter und kostengünstiger arbeiten", hiess es in einer Medienmitteilung Mitte 2015. Als eine der Massnahmen wurde der Einsatz neuer Überwachungstechnologien erwähnt, etwa von virtuell steuerbaren Drohnen. Als Einsatzgebiet erwähnten die Verantwortlichen zwar in erster Linie grössere Ölfelder.
Ein Einsatz im Agrarbereich, etwa bei der Parzellenüberwachung an der Grenze von Bio- und konventionellen Feldern ist aber vorstellbar. Ueli Steiner, Geschäftsleiter der Zertifizierungsstelle Bio Inspecta, zeigt sich offen für den Einsatz neuer Technologien, sofern diese einen konkreten Mehrnutzen aufweisen: "Flugobjekte wie Drohnen und andere moderne Technologien könnten auch in der Inspektion künftig Einzug halten. Der konkrete Mehrnutzen ist aber immer zuerst genau zu definieren und zu belegen."
Google überwacht Fischfang
Die virtuelle Überwachung existiert bereits, etwa im Bereich des Fischfangs. Der heutige Zustand der weltweilen Überfischung ist nicht zuletzt dadurch entstanden, dass die Überwachung der Weltmeere ausserhalb der Hoheitsgewässer traditionsgemäss schwierig bis unmöglich war. In den letzten 60 Jahren haben Schiffsflotten fast 90 Prozent der grossen Speisefische, wie Thunfisch, Schwertfisch, Kabeljau oder Heilbutt aus den Weltmeeren gefischt. Neuartige Systeme bieten die Möglichkeit, kommerzielle Fischfangaktivitäten offen zu legen und zwar rund um den Globus. Mit Hilfe von Satelliten-Daten werden Schiffe lokalisiert und mit dem Webtool "Global Fishing Watch" von Skytruth, Oceana und Google visualisiert. Durch die Daten der Schiffe lassen sich auch einzelne Nationalitäten herausfiltern. Zudem kann das GPS-Signal des Bootes verfolgt werden, so dass auch das Fangverhalten deutlich wird. Wenn bereits NGO und Medien virtuelle Überwachsungsmethoden nutzen, ist dies umso mehr für Behörden und Zertifizierungsstellen sinnvoll. Nicht zuletzt geht es darum, die gesammelten Informationen fachgerecht einzuordnen und v.a., daraus sinnvolle Vollzugsabläufe abzuleiten.
Internationale Zusammenarbeit
Für den Grossteil der Kontrollen in der Schweizer Bioproduktion in Landwirtschaft, Verarbeitung und Vermarktung ist Bio Inspecta verantwortlich. Für die gesicherte Bioqualität in der Landwirtschaft (rund 5'000 Schweizer Betriebe), der Lebensmittelbranche (rund 2'000 Verarbeitungs- und Handelsunternehmen) und auf internationaler Ebene (rund 2'000 Audits in internationalen Projekten). Die Zertifizierungsstelle arbeitet weltweit mit Partnerorganisationen zusammen, mit Schwerpunkt in der Schweiz und Europa. Diese Kooperation ist für den Erfolg der Zertifizierungssysteme entscheidend. Trotz Konkurrenzsituation sind die Zertifizierungsstellen denn auch von den Zulassungsbehörden im Rahmen identischer Vorgaben dazu verpflichtet. "Die Sicherung der globalen Warenströme wird immer mehr zu einer wichtigen Aufgabe. Bio Inspecta möchte hier künftig Standards setzen und mit neuen Ideen wesentlich zur Qualitätssicherung beitragen", betont Geschäftsleiter Ueli Steiner die Bedeutung der international vernetzten Zusammenarbeit.
Für Länder mit schwierigen Rahmenbedingungen, wie aktuell die Ukraine oder Länder in Zentralasien, nimmt das Vertrauen der Handelspartner in die Sicherheit der ganzen Wertschöpfungskette eine existentielle Bedeutung ein. Der Einsatz virtueller Vernetzungs- und Überwachungs-Technologien kann hier einen wichtigen und entscheidenden Beitrag leisten.
Als Voraussetzung dafür müssen jedoch die konkrete Präsenz und die Zusammenarbeit mit zuverlässigen Fachleuten vor Ort sichergestellt sein. Der Aufbau verlässlicher internationaler Zertifizierungssysteme bedingt die Zusammenarbeit mit Beratungs- und Schulungsprojekten, wie sie z.B. das Forschungsinstitut für Biolandbau (FiBL) betreut. Zudem müssen die Betriebspartner in Anbau, Tierhaltung und Verarbeitung bereit sein, sich sowohl in der Produktionstechnik als auch in wirtschaftlichen Bereichen beraten lassen können.
Wie wichtig praxisorientierte und regional gut ausgebaute Beratungsstrukturen sind, lässt sich anhand der Erfahrung der Schweiz zeigen. Die Etablierung professioneller Zertifizierungsstrukturen basierte auch in der Schweiz auf den bestehenden Beratungs- und Forschungsangeboten.
Gegen Betrug im Biohandel
Der Einbezug verlässlicher Fachleute und Partnerorganisationen vor Ort ist unerlässlich für den Erfolg. Dieser Herausforderung stellt sich auch die Anti-Fraud-Inititative (AFI). Das internationale Netzwerk zur Betrugsprävention im Öko-Sektor führte zusammen mit European Organic Certifier Council (EOCC) und der Weltdachorganisation der Biobewegung (IFOAM) vom 23. bis zum 24. September 2015 den zehnten AFI-Workshop in Kiew durch. Am Ende der Veranstaltung wurde eine gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Integrität der ukrainischen Öko-Produktion verabschiedet. Die Veranstaltung wurde vom Schweizer Staatssekretariat im Rahmen des Projektes "Konsolidierung von lokalen Öko-Kontrollstellen" unterstützt. Die Ukraine ist ein wichtiger Getreide- und Ölsaatenlieferant für den Biomarkt der EU-Länder. Am Jahresende 2014 wurde das stetige und nachhaltige Wachstum des ukrainischen Bio-Markts durch einen Rückstandsfall von in verschiedene EU-Mitgliedsstaaten importierten, kontaminierten Sonnenblumenkuchen stark erschüttert. In Kiew trafen sich nun Erzeuger, Verarbeiter, Händler, Öko-Kontrollstellen und staatliche Stellen, einschliesslich der EU-Kommission und zuständiger Behörden mehrerer EU-Mitgliedstaaten, um Wege aus der Krise und zur Stärkung der Öko-Integrität der Lieferkette in der Ukraine zu finden. "Wir waren uns einig, dass Markttransparenz und eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten sowie eine faire Preisgestaltung von entscheidender Bedeutung sind, um Betrug zu vermeiden", sagt Beate Huber vom FiBL.