
Ziemlich unscheinbar liegt das Dorf Mülligen, von Wäldern umrahmt, nordöstlich des fruchtbaren Birrfelds auf einer Schotterterrasse, südlich der Reuss, die sich hier im Laufe der Jahrtausende in eine rund 40 Meter tiefe Schlucht eingegraben hat.
Östlich des Dorfzentrums befindet sich ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Standort von Swissgenetics, dem spezialisierten Unternehmen für Rindviehgenetik für die Schweiz. Als Besamungsstation leistet der Betrieb einen wichtigen Beitrag für die Zuchterfolge bei den hierzulande typischen Rindviehrassen und damit für die gesamte Rindviehhaltung.
"Aktuell zählt die Schweiz knapp 35'000 Agrarbetriebe, die Rindviehbestände halten. Die Rindviehhaltung ist und bleibt eine strategische Erfolgsposition der Schweizer Landwirtschaft", sagte Christoph Böbner, Direktor von Swissgenetics, anlässlich eines Rundgangs durch die topmodernen Stallanlagen, wo die Zuchtstiere neu einquartiert werden. Die bisherigen Stallungen entsprachen nicht mehr einem modernen landwirtschaftlichen Betriebskonzept.
Photovoltaik auf 3900 m2 Dachfläche
Im Hinblick auf eine langfristige Stärkung des Unternehmens im nationalen wie im internationalen Wettbewerb veranlasste Swissgenetics bereits ab Herbst 2013 Vorstudien und Neubaukonzepte für den Produktionsstandort Mülligen. In der Planungsphase setzte man sich diverse Ziele, wie etwa die Verbesserung der innerbetrieblichen Abläufe, eine moderate Kapazitätserweiterung und der Einbezug erneuerbarer Energien. Der im August 2016 gefällte Entscheid zum Bau der neuen Ställe wurde in zwei Bauetappen vollzogen.
Beeindruckend sind die schieren Dimensionen dieses 6,7 Mio. Franken teuren Zweckbaus, der sich über 10'000 m2 erstreckt. Dieser besteht aus zwei parallel gebauten Stalleinheiten, dazwischen steht die geräumige Lagerhalle, wo Materialien wie Stroh, Futter, Traktoren und andere Geräte Platz finden. Die Tragkonstruktion aus metallenen Pendelstützen und Brettschichtholzträgern wird von Sheddächern ("Sägezahndach") überspannt. Nicht weniger als 2'376 Photovoltaik-Elemente belegen eine Dachfläche von über 3'900 m2, die im Jahr ungefähr 680'000 kWh Strom liefern wird.
Der Bezug des jüngsten Stalls durch die geschlechtsreifen Jungstiere steht unmittelbar bevor, womit das ehrgeizige Bauprojekt seinen Abschluss findet.
Lesen Sie auch unser kürzlich erschienenes Interview mit Swissgenetics-Direktor Christoph Böbner.

Konzept Stierenhaltung
Im Blickfeld hatte Swissgenetics auch einen generell hohen Tierwohlstandard, wie Urs Spescha, Bereichsleiter Genetik, erläuterte: "Geht es den Tieren gut, geht es auch dem Geschäft gut".
Swissgenetics legte Grundsätze im direkten Umgang mit den Stieren, aber auch zur Haltung und zur Fütterung der Tiere in einem Stierenhaltungs-Konzept fest. Das heisst: An allen Standorten (Aufzucht, Produktion, Wartehaltung) des Unternehmens wird den Stieren Freilaufhaltung gewährt. Für den Stier ergibt sich somit nach einem Standortwechsel eine hohe Wiedererkennbarkeit.
Am Standort Mülligen verfügt Swissgenetics nun über drei Boxensysteme, nämlich 16 Einzelboxen mit Hochbett, 48 Einzelboxen mit Tiefstreubereich und 102 Reihenboxen zur Einzel- oder Doppelbelegung. Somit ist Swissgenetics in der Lage, den Zuchtstieren die für ihre aktuellen Bedürfnisse optimale Boxenform anzubieten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Stallneubau war die Sicherheit. Einerseits galt es, die Arbeitssicherheit der Pfleger zu garantieren, andererseits der Verletzungsgefahr der Stiere in den Boxen vorzubeugen. Mit Musterboxen konnten die Tierpfleger die voraussichtlichen Abläufe überprüfen und mögliche Problemstellen für Stier und Pfleger frühzeitig erkennen und lösen. Ein grosser Teil der Stalleinrichtung wurde so für die spezifischen Bedürfnisse des betrieblichen Alltags entwickelt. "Für den Neubau stand uns kein Modell aus dem Ausland Pate. Da steckt viel Eigenentwicklung drin", erklärte Christoph Böbner während der Stallbesichtigung.



Mechanisierung, Tier-Mensch-Beziehung
Für das Misten des Tierhaltungsbereichs sind normale, zeitgesteuerte Entmistungsschieber im Einsatz. Die Fütterung der Stiere basiert auf einer rohfaserreichen Ration welche hauptsächlich aus Heu besteht. Die Verteilung der verschiedenen Heuballen erfolgt mit einem grossen Futterverteilwagen an einem Traktor. Das Nachschieben des Futters wie auch die Ergänzung der Ration mit mineralisiertem Kraftfutter erfolgt von Hand, um eine gute Kontrolle der Tiere zu gewährleisten.
An der anschliessenden Präsentation der Prachtsexemplare von Bullen erahnten die Anwesenden die immer noch zentrale Bedeutung der Mensch-Tier-Beziehung, welche den Alltag im Betrieb Mülligen ebenso prägt wie die ausgefeilte Technik in den Ställen und in der Genetik. Angeführt von den Stierpflegern trotteten "Hamilton", "Passat", "Dox, "Jakob" oder "Tombo" mehr oder weniger willig an der Bühne vorbei, um sich von ihrer besten Seite zu zeigen.




