
Grösser als andere Obstbäume, kräftiger Wuchs und eine Krone wie eine Pyramide: Gelbmöstler-Birnbäume prägen mit ihrer markanten Erscheinung das Landschaftsbild. Die ursprünglich aus dem Kanton St. Gallen stammende Birnensorte liefert zuverlässig jedes Jahr gute Erträge und ist wenig anfällig auf die Pilzkrankheit Schorf. Die Birnen sind zwar klein, aber sehr saftig und im Geschmack säuerlich-würzig, was sie zum idealen Mostobst macht. Kein Wunder also, dass sich Gelbmöstler in der Schweiz seit 1800 mehr und mehr ausbreiteten und sie zu einer der wichtigsten Verarbeitungsbirnen aufstiegen.
Gelbmöstler haben aber auch einen wunden Punkt, der ihnen womöglich zum Verhängnis wird: Sie sind sehr anfällig auf Feuerbrand, eine hochansteckende Bakterienkrankheit, die vor rund 25 Jahren erstmals in der Schweiz auftrat und seither die Obstbranche auf Trab hält.
Feuerbrand dezimiert Baumbestand
In den Hauptanbaugebieten in der Ost- und Zentralschweiz mussten in den letzten Jahren Zehntausende Gelbmöstler wegen des Feuerbrands gerodet werden. Auch in diesem Jahr wird der Bestand weiter schrumpfen. "Wir haben heuer bei den Gelbmöstlern deutlich mehr Feuerbrand festgestellt", sagt Beat Felder, zuständig für Spezialkulturen bei der Dienststelle Landwirtschaft und Wald des Kantons Luzern. Er rechnet mit 100 bis 200 Bäumen, die gefällt werden müssen. Der Kanton Aargau verzeichnet heuer den schlimmsten Feuerbrandbefall seit 2007. Rund 250 Hochstammbäume mussten bislang gerodet werden. Über 90 Prozent der Bäume waren Gelbmöstler, sagt Andreas Distel, Leiter Pflanzenschutzdienst beim Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg.
Dass bei Gelbmöstlern oft zur Motorsäge gegriffen wird, hat seinen Grund: Feuerbrand ist bei Hochstammbäumen grundsätzlich schwieriger zu bekämpfen als in Obstanlagen. So darf etwa kein Streptomycin eingesetzt werden. Beim Gelbmöstler erweist sich die Bekämpfung als besonders knifflig: Das Entfernen von befallenen Ästen, der so genannte Rückschnitt, der zur Eindämmung des Feuerbrands angewandt wird, zeigt oft keine Wirkung.
Viele alte Bäume
Der Bestand sinkt nicht nur wegen des Feuerbrands, sondern auch wegen der zunehmenden Überalterung. "Viele Bäume sind 100 und mehr Jahre alt", sagt Urs Müller, Leiter der Fachstelle Obstbau des Bildungs- und Beratungszentrums Arenenberg. Bauern würden heute wegen der Feuerbrandanfälligkeit keine neuen Gelbmöstler mehr pflanzen. Müller empfiehlt stattdessen, auf robustere Birnensorten zu setzen. Im Kanton Luzern sieht es ähnlich aus: "Wir stehen mitten in einem Umstellungsprozess, von hochanfälligen auf robuste Sorten", erklärt Beat Felder. Es werde aber noch einige Jahre dauern, bis dieser Wandel vollzogen sei.
Sinkender Baumbestand, Überalterung und keine Neupflanzungen: Urs Müller rechnet angesichts dieser Entwicklung damit, dass die Gelbmöstler irgendwann aussterben werden, auch wenn sie im Kanton Thurgau heute noch die Hauptsorte bei den Mostbirnen sind. Der Verlust wäre immens: "Im Kanton Thurgau sind Birnbäume ein Kulturgut", so Müller. Ohne sie wäre das Landschaftsbild nicht mehr das gleiche.
Weniger Feuerbrandbefall
Auch wenn das Verschwinden der Gelbmöstler negativ für die Ökologie und das Landschaftsbild ist: Die Obstbranche ist nicht ganz unglücklich darüber. Denn Gelbmöstler sind wegen ihrer Feuerbrandanfälligkeit potenzielle Infektionsherde; Bäume, von denen aus sich das gefährliche Bakterium weiterverbreiten kann. Und damit zur Gefahr werden kann für Obstanlagen.
Beat Felder geht davon aus, dass mit dem sinkenden Gelbmöstler-Bestand der Befallsdruck abnehmen wird. "In Regionen ohne Gelbmöstler gibt es in diesem Jahr keine wesentlichen Feuerbrand-Probleme." Urs Müller hat eine ähnliche Beobachtung gemacht: "An Apfelbäumen haben wir heuer kaum Probleme mit Feuerbrand. Trat Befall auf, waren meist Birnbäume, die in der Nähe standen, die Ursache."
Mit neuen Birnensorten in die Zukunft
Von Jahr zu Jahr lieferten die Obstbauern weniger Birnen an. Man habe wegen des Feuerbrands wieder Gelbmöstler roden müssen, bekam Robert Brunner von der Mosterei E. Brunner in Steinmaur ZH jeweils zu hören. Für den Unternehmer Brunner war klar: "Spätestens in 15 Jahren gibt es zu wenig Bio-Birnen." Um auch in Zukunft über genügend Rohstoff für die Birnel- und Saftproduktion zu verfügen, lancierte die E. Brunner AG zusammen mit Biofarm im Jahr 2012 das Projekt "1'000 Bio-Mostbirnenbäume". Dieses stehe kurz vor dem Abschluss, erklärt Brunner auf Anfrage. Gelbmöstler wurden wegen ihrer Anfälligkeit auf Feuerbrand keine mehr gepflanzt. Stattdessen habe man auf robustere Sorten gesetzt, die teils in der Schweiz noch nicht so bekannt seien. Brunner selbst hat verschiedene Sorten getestet. Überzeugt hat ihn unter anderem die aus Deutschland stammende Karcherbirne. Anders als beim konventionellen Mostobst gibt es im Bio-Bereich zu wenig Verarbeitungsobst. "Die Nachfrage nach Bio-Fruchtsäften steigt, Mostäpfel und Mostbirnen sind aber knapp", sagt Brunner. Er begreife nicht, dass angesichts dieser Marktsituation nicht mehr Produzenten auf Bio umsteigen würden.
www.brunnermosterei.ch
Zu viele Mostbirnen
Der schrumpfende Gelbmöstler-Bestand könnte nicht nur den Feuerbranddruck lindern helfen, sondern auch ein weiteres Problem der Obstbranche lösen: Die strukturelle Überproduktion von Mostbirnen. In diesem Jahr rechnet der Schweizer Obstverband mit einem Überschuss von 3'000 bis 4'000 Tonnen. Die Nachfrage ist in den letzten Jahren geschrumpft, weil Birnensaft nicht mehr so gefragt ist, die Verkäufe von Birnenschnaps einbrachen oder weil Apfelessig den Obstessig mit Birnensaft verdrängt hat. Um die Lager mit überschüssigem Birnensaftkonzentrat abzubauen, hat das Parlament vor zwei Jahren auf Bitte der Obstproduzenten 2,5 Mio. Franken gesprochen.
Wieder mehr Hochstämmer
Auch wenn in diesem Jahr wieder vermehrt Hochstammbäume wegen Feuerbrands gerodet werden mussten, dürfte dies am gegenwärtigen Trend kaum etwas ändern: Die Anzahl Hochstämmer nimmt seit ein paar Jahren wieder zu – nach Jahrzehnten des Niedergangs (siehe Textbox). "Es werden wieder Birnbäume gepflanzt", freut sich Beat Felder. Im Kanton Luzern glaube man an die Zukunft der Hochstamm-Birnen. Die Zukunft heisst Harrow Sweet, Bayerische Weinbirne oder Theilersbirne. Nicht aber Gelbmöstler.
Anzahl Hochstammbäume wächst wieder
Während Jahrzehnten ging die Entwicklung des Hochstamm-Bestandes in nur eine Richtung: nach unten. Der Sinkflug scheint nun die Talsohle erreicht zu haben. Mehr noch: Die Anzahl Hochstammbäume, für die der Bund Direktzahlungen entrichtet, ist seit 2010 um rund 45'000 auf 2'260'000 Stück im Jahr 2013 angestiegen. Regional sind die Unterschiede gross: Während Kantone wie Bern, Zürich, Thurgau und Luzern ein Wachstum verzeichnen, geht der Rückgang in "Steinobst-Kantonen" wie Baselland, Solothurn und Aargau weiter.

