
Vor 20 Jahren, am 9. Juni 1996, hat die Schweizer Stimmbevölkerung Ja gesagt zu einem neuen Landwirtschaftsartikel und damit den Weg für die Einführung des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) geebnet. Dieser verlangt von den Bauern eine ausgeglichene Düngerbilanz, eine geregelte Fruchtfolge, die Bewirtschaftung ökologischer Ausgleichsflächen sowie die Einhaltung von Tierschutzbestimmungen.
Der Bauernverband zieht nach 20 Jahren ÖLN eine positive Bilanz. Zum Jubiläum organisierte er eine Tagung mit dem Titel "20 Jahre ÖLN - Ein Grund zum Feiern!". Bauernpräsident Markus Ritter bezeichnete den ÖLN als eine Erfolgsgeschichte.
Mit dessen Einführung seien die Weichen in Richtung Nachhaltigkeit gestellt worden. Die Schweiz habe damit eine Pionierrolle eingenommen. Heute würden Bauern beispielsweise mehr Biodiversitätsförderflächen bewirtschaften, als das Gesetz vorschreibt. Der ÖLN habe gezeigt, so Ritter, dass Ökologie und landwirtschaftliche Produktion miteinander vereinbar seien.
Ermöglicht Differenzierung
Positiv fällt auch die Beurteilung von Coop aus. Rhea Beltrami, Leiterin Nachhaltigkeits-Eigenmarken und nachhaltige Beschaffungsprojekte, lobte, dass der ÖLN der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft einen Marktvorteil verschafft habe. Mit der Einführung des ÖLN habe die Schweiz eine Vorreiterrolle eingenommen. Er ermögliche eine Differenzierung gegenüber dem Ausland und stärke das Vertrauen der Konsumenten in die Schweizer Landwirtschaft.
Für Christian Hofer, Vize-Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, hat der Leistungsnachweis zu einem Kulturwandel geführt: "Heute ist das Umweltbewusstsein bei Bauern ist salonfähig." Der Vollzug funktioniere sehr gut, so Hofer. 15'000 bis 20'000 Kontrollen würden jährlich gemacht. Bei rund 10 Prozent der Fälle würden Mängel auftreten, meist seien es jedoch formelle Fehler. Es gebe durchaus auch Schwachstellen, gab Hofer zu bedenken, etwa bei der Selbstdeklaration.
"Nach wie vor Defizite"
Daniela Hoffmann vom WWF anerkannte zwar, dass dank des ÖLN Fortschritte erzielt worden seien, sie betonte aber gleichzeitig, dass weiterhin Handlungsbedarf bestehe. "Während es bei der Produktion keine Ziellücken gibt, bestehen bei der Ökologie nach wie vor Defizite", so Hoffmann.
Markus Ritter ortete zwar in einigen Bereichen ebenfalls Handlungsbedarf, etwa bei den Pflanzenschutzmitteln. Er betonte aber, dass es oft Zielkonflikte gebe. Als Beispiel nannte der Bauernpräsident das Bundesprogramm "Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme" (BTS). Dieses fördere zwar das Tierwohl, gleichzeitig aber erschwere es eine Reduktion der Ammoniak-Emission.
ÖLN weiterentwickeln
Rhea Beltrami forderte die Branche auf, den ÖLN weiterzuentwickeln und die Anforderungen auf den neusten Stand zu bringen. Nur so könne man die Differenz zum Ausland aufrechterhalten. Bei Vertretern des Bundes und des Bauernverbands stiess die Coop-Vertreterin auf Zustimmung.
Für Martin Rufer, Leiter Produktion, Märkte und Ökologie des SBV, muss es in Richtung einer nachhaltigen Intensivierung gehen. Die Lebensmittelproduktion dürfe nicht zurückgefahren werden. Laut Rufer hat sich der Bauernverband intensiv Gedanken zur einer Weiterentwicklung gemacht. Mögliche Ansatzpunkte sieht er bei der Fütterung, bei Dünger, Pflanzenschutz, aber auch bei Energie und Wasser. Rufer betonte, dass neue Massnahmen praxisnah sein müssten und die ökologischen Mehrleistungen entsprechend abgegolten werden müssten.
ÖLN soll Grundanforderung bleiben
Beltrami rief die Branche auf, sich Gedanken über eine Verschärfung und Erweiterung des ÖLN zu machen. Als Beispiel nannte sie das Thema Antibiotika. Jungbauer Vincent Boillat regte an, den ÖLN zu flexibilisieren und regionale Lösungen zu ermöglichen statt schweizweit gleicher Regelungen. Boillat sprach sich zudem für mehr Selbstkontrolle, mehr Eigenverantwortung und eine Senkung des Verwaltungsaufwandes aus.
Markus Ritter gab zu bedenken, dass je mehr in den ÖLN gepackt werde, desto schwieriger es für Labels werde, sich abzuheben. ÖLN soll deshalb eine Grundanforderung bleiben, so Ritter. Unterstützung erhielt er von Rhea Beltrami, die betonte, dass sich nicht alle Konsumenten Bio-Produkte leisten könnten und froh seien um Lebensmittel, die lediglich die Grundanforderungen erfüllten und dadurch günstiger seien.
Kommunikation verbessern
Vertreter des Bauernverbands forderten an der Tagung mehrfach, dass die Kommunikation über den ÖLN verbessert werden müsse. "Die Konsumenten müssen wissen, welchen Aufwand die Bauernfamilien betreiben", sagte Markus Ritter. Rhea Beltrami entgegnete, dass Coop den ÖLN bewusst nicht auslobe, weil Konsumenten diesen voraussetzen würden und er nicht als Label wahrgenommen werde.