In Rudolf Biglers Stall ist es seltsam neblig. Und das mitten im Sommer. Das hat weniger mit dem Wetter in Moosseedorf zu tun, wo der Landwirt seinen Hof hat, als vielmehr mit den auf rund zweieinhalb Meter Höhe angebrachten Düsen, die in regelmässigen Abständen Wasser derart feintropfig versprühen, dass eine Nebelwolke entsteht. Für Biglers 75 Kühe hat das einen angenehm kühlenden Effekt – eine willkommene Abwechslung in Tagen, wo das Thermometer die 30 Grad-Marke erreicht. "Die Tiere schätzen das sehr, was man daran merkt, dass sie regelrecht unter den Düsen stehen bleiben", sagt Bigler, der vor zwei Jahren diese Sprinkleranlage, im Fachjargon Vernebelungsanlage genannt, installieren liess.
Hitzestress bereits ab 24 Grad
Das hat seinen Grund: Denn geniessen wir nach einem nass-kalten Frühling die derzeit heissen Temperaturen, bedeutet die Hitze für Kühe massiven Stress. "Schon bei Temperaturen ab 24 Grad Celsius ist mit Hitzestress bei Kühen zu rechnen", erklärt Christoph Thalmann, an der landwirtschaftlichen Schule Strickhof für die Rindviehhaltung und Milchproduktion zuständig. Der Agronom spricht denn auch von einer unterschätzten Thematik: Man gehe davon aus, dass Kühe die derzeit heissen Temperaturen gleich empfinden würden wie Menschen. Dabei reagieren sie aber viel anfälliger darauf. "Die Körpertemperatur schnellt dann in die Höhe, das Herz pumpt immer rascher und die Tiere beginnen zu hecheln", erklärt Thalmann die auftretenden Hitzesymptome. Vor allem Kühe mit hohen Milchleistungen leiden unter der Hitze. Pro Liter, der produziert wird, fliessen laut Thalmann bis zu 500 Liter Blut durch das Euter. Je mehr Milch die Kuh gibt, desto höher die Belastungen und desto höher die eigene Energieproduktion. Denn aufgrund des grösseren Futterumsatzes entsteht bei der Verdauung und den Stoffwechselvorgängen mehr Körperenergie. Diese muss abgeführt werden, was auf zwei Arten geschehen kann: Die Kuh versucht, Wärme an die Umwelt abzugeben, etwa durch Schwitzen oder über die Atmung. Aber gerade bei schwülen Tagen mit hoher Luftfeuchtigkeit sei das schwierig, sagt Thalmann. Der andere Weg besteht in einer verminderten Energieproduktion.
Geringere Milchleistung
Letzteres erreicht die Kuh nur, wenn sie weniger frisst, also weniger verdauen muss. Geringerer Futterverzehr bedeutet aber auch eine geringere Milchleistung. Thalmann schätzt, dass Kühe bei Hitzestress gut zehn Prozent weniger Milch geben, was bei den Bauern wiederum zu Einnahmeeinbussen führt. Aber nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Milch nimmt ab. "In den Sommermonaten steigen die Zellzahlen regelmässig an", erklärt Jakob Kuert vom Tierfutterhersteller UFA. Die Zellzahl ist ein Indikator für die Eutergesundheit und die Milchqualität. Bei der Käseproduktion führen erhöhte Werte zu einer schlechteren Ausbeute und auch bei der Verarbeitung zu Konsummilch drohen deswegen Milchgeldabzüge.
Hitzestress hat aber nicht nur negative Auswirkungen auf die Milchleistung der Kühe, erklärt Kuert, sondern ebenso auf deren Gesundheit. Denn aufgrund des geringeren Futterverzehrs leben die Tiere vermehrt von ihren Körperreserven, was wiederum die Abwehrfunktionen der Kuh schwächt und sie anfälliger für Infektionen, etwa für Euterentzündungen, macht. Auch leidet die Fruchtbarkeit darunter.
Klimaanlage für Tiere
Wie lässt sich der Hitzestress lindern? "Wichtig ist, dass die Kühe Zugang zu schattigen Plätzen und zu ausreichend frischem Wasser haben", erklärt Thalmann. Und ähnlich wie im Büro, wo Ventilatoren für eine wohltuende Frische sorgen, empfiehlt der Agronom deren Einsatz auch im Stall: "Durch die erhöhte Luftgeschwindigkeit ist die gefühlte Temperatur tiefer als die effektive Temperatur." Linderung bringen aber auch Vernebelungsanlagen, wie sie von Landwirt Bigler eingesetzt werden. Diese haben die Wirkung von Klimaanlagen: "Die Umgebungstemperatur reduziert sich zwischen drei bis fünf Grad", erklärt Mathias Scribante von der Firma Buri AG, der solche Vernebelungsanlagen installiert. Die Kühe werden durch das ausgesprühte Wasser nicht nass, sondern lediglich leicht feucht. Durch das Verdunsten auf dem Tierkörper werde Energie entzogen, wodurch sich ein Abkühlungseffekt einstellt. Die ganze Anlage funktioniert vollautomatisch: wird eine bestimmte Temperatur erreicht, schalten sich die Düsen ein, versprühen "Nebel" und schalten dann nach ein paar Sekunden wieder ab.
Angebracht sind die Düsen meist über der Fressachse, dem Liegebereich und vor dem Melkstand im Abstand von knapp drei Metern. Pro Stunde verbrauche eine Düse rund 25 Liter.
Mehr Appetit und mehr Milch
Die Investitionen von 2'500 bis 3'000 Franken für eine Vernebelungsanlage seien nicht nur aus tierschützerischen Überlegungen sinnvoll, sie zahle sich auch ökonomisch aus, ist Scribante überzeugt: "Da sie den Hitzestress der Kühe merklich mindern, fressen die Tiere ihre gewohnten Mengen, die Milchleistung nimmt somit praktisch nicht ab." Das bestätigt auch Landwirt Bigler: "Das Tierwohl ist mir wichtig, denn nur dann können die Kühe auch Höchstleistungen erbringen." Seine Tiere seien dank der Vernebelungsanlage gesünder und von einer Sommerdepression sei kaum mehr etwas zu merken. Scribante verwundert es denn auch nicht, dass immer mehr Bauern auf solche Vernebelungsanlagen setzen. Darüber hinaus halten sie Fliegen wirksam fern, binden Staub und reduzieren vor allem die Ammoniakemissionen.
