
Frauen als Bank-CEO sind weltweit eine äusserst rare Spezies. Elisabeth C. Makwabe ist eine sehr lebendige Ausnahme. Die gut gelaunte Direktorin der Kilimandjaro Cooperative Bank Limited (KCBL) empfängt uns – eine Gruppe von internationalen Agrarjournalisten – am ausladenden Verwaltungsratstisch im Hauptsitz der Bank in Moshi, einer betriebsamen Kleinstadt am Fusse des Kilimandjaro im Norden Tansanias. Enthusiastisch berichtet Makwabe über die Entstehungsgeschichte der Bank, die 1991 registriert wurde und fünf Jahre später die Geschäftstätigkeit aufnahm. Auslöser der Bankgründung war das Geschäftsgebaren der Privatbanken. Ein Kleinbauer war von einem Kredit von diesen Instituten etwa so weit entfernt wie eine Ameise vom Besteigen des höchsten Bergs in Afrika.
Gute Zahlungsmoral der Kleinbauern
In einem gemeinsamen Kraftakt schlossen sich deshalb zahlreiche existierende kleinbäuerliche Genossenschaften mit allerhand Tätigkeitsgebieten von der Produktion über die Verarbeitung bis zum Verkauf zusammen und machten sich an die Beschaffung des nötigen Startkapitals von damals umgerechnet gut einer Million Schweizer Franken. Den für afrikanische Verhältnisse hohen Betrag finanzierten die Mitglieder über Abzüge auf ihren Produkten.
Mit Abstand wichtigste Kultur ist an den fruchtbaren vulkanischen Abhängen des Kilimandjaro der Kaffee. Dieser spielt im Geschäftsmodell der KCBL bis heute eine zentrale Rolle, wie Makwabe erläutert. Da die Bauern mit ihren bescheidenen Liegenschaften, Nutzflächen und Maschinenparks über keinerlei nennenswerte Bankgarantien verfügen, bürgen sie mit ihrem Kaffee. Sie liefern ihn in den Lagerhäusern von KCBL ein und erhalten im Rahmen des sogenannten Warehouse Receipt Systems (Lagerquittierungssystem) Kredit im zwanzigfachen Umfang des Warenwerts. Dies mag auf den ersten Blick wie eine bescheidene Deckung aussehen. Die Rückzahlungsmoral sei aber äusserst gut, sagt Makwabe. Die bauernfreundliche Geschäftspraxis hat sich ausbezahlt: Die Bank ist stark gewachsen. Unterdessen hat die KCBL nicht weniger als 253 Trägergenossenschaften mit rund 350'000 Mitgliedern, wie die Bankdirektorin stolz bilanziert.
Vom Staat nur stiefmütterlich unterstützt
Die KCBL ist mit ihrem unbürokratischen Geschäftsgebaren ein Segen für die Kleinbauern, die mit Genossenschaften in den letzten Jahren durchzogene Erfahrungen gemacht haben. Das sozialistische Erbe des Gründungspräsidenten Julius Nyerere prägt das Land bis heute. Die straffe Organisationsstruktur mit sozialistischer Einheitspartei, Dorfgemeinschaft und Genossenschaft hat in Tansania zwar zu einer vergleichsweise prosperierenden Entwicklung geführt. Wie in den meisten sozialistisch regierten Ländern hat sich das staatliche Genossenschaftswesen aber von den Bedürfnissen der kleinen Leute entfremdet und primär als verlängerter Arm des Staats gedient. Deshalb sind die Bauern und Bäuerinnen misstrauisch und erst zaghaft daran, die an sich gute Organisationsform von unten her neu zu entdecken. Nur an wenigen Orten gelingt das bisher so gut, wie bei der KCBL. Das hat auch damit zu tun, dass die Bauern vom Staat seit Jahrzehnten nur noch stiefmütterlich unterstützt werden, namentlich was die fachtechnische Beratung und eben Finanzierungsinstrumente angeht.
Private springen ein mit Geld und Geräten
Ein Teil dieser Aufgabe wird im modernen Tansania deshalb von ausländischen Investoren übernommen. Ein Beispiel dafür ist die Quality Food Products Ltd. (QFP) in Arusha, der Wirtschaftsmetropole in der nördlichen Landeshälfte. Das von holländischen Investoren gegründete Unternehmen erwirtschaftet mit dem Verkauf und der Verarbeitung von Hülsenfrüchten und Ölsaaten einen Umsatz von 8 Millionen US-Dollar jährlich.
Das Klima, so erläutert CEO und Gründer Ekko Osterhuis, sei in der Region dank Regenzeit und anschliessenden kühlen sowie trockenen Verhältnissen ideal für deren Anbau. Weniger ideal sind auch hier Ausbildung und Ausrüstung der Produzenten mit denen QFP zusammenarbeitet. Deshalb übernimmt die Firma an sich staatliche Aufgaben wie Ausbildung und Beratung. Zugleich hat man in den Hauptproduktionsgebieten vier Maschinenstationen aufgebaut, deren Dienste die Bauern gegen bescheidene Bezahlung in Anspruch nehmen können. Oft gewährt man auch Kredite: "Wir sind der grösste Geldautomat in der Region Arusha", witzelt Osterhuis. Die Kreditdienste nähmen aber Ausmasse an, die das Unternehmen am Wachstum hindern, wie er ernsthafter fortfährt. Pro Jahr leihe man rund 3 Millionen US-Dollar aus und die Rückzahlungsfristen sind lang.
27 Millionen Hektaren liegen brach
Das Geschäftsmodell von QFP scheint, soweit sich das aufgrund eines kurzen Besuchs beurteilen lässt, für beide Seiten gewinnbringend. Die rund 1'000 vertraglich gebundenen Bewirtschafter profitieren von der logistischen und finanziellen Unterstützung des Unternehmens, das seinerseits auf die steigende Produktion angewiesen ist, sind doch QFP-Erzeugnisse wie etwa das wertvolle Distelöl auf den Exportmärkten sehr gefragt. Osterhuis sieht grosses Potenzial für weiteres Wachstum, sind doch in der Region anders als etwa in den ebenfalls sehr fruchtbaren Nachbarländern Burundi und Ruanda grosse unbewirtschaftete Landreserven vorhanden, Osterhuis spricht von 27 der insgesamt 37 Millionen Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche. Allerdings sieht er keine Zukunft in Kleinstbetrieben mit weniger oder etwas mehr als einer Hektare Fläche. "Was wir suchen sind Betriebe von 10 bis 25 Hektaren", sagt der Firmengründer, dies sei eine Voraussetzung, damit die Bauern anständig leben könnten. Dabei setzt er auch grosse Hoffnung in die Förderung von Bäuerinnen. Frauen sind was die Arbeitsleistung betrifft das Rückgrat der afrikanischen Landwirtschaft, das ist auch in Tansania nicht anders.
Rare Arbeitsplätze für Städterinnen
Vom Erfolg der stark wachsenden QFP profitiert aber nicht nur die landwirtschaftliche Bevölkerung, wie sich auf dem Betriebsrundgang zeigt. In den Verarbeitungs- und Lagerräumen des Unternehmens sortieren rund 200 Frauen von Hand und an langen Förderbändern Hülsenfrüchte zu einem bescheidenen aber lokal überdurchschnittlichen Lohn von Fr. 2.50 pro Tag. Die raren Arbeitsplätze sind in der knapp eine Million Einwohner zählenden Stadt Arusha sehr gefragt: "Als wir 2002 unsere erste Sortieranlage in Betrieb nahmen, standen am ersten Tag 2'000 Frauen vor den Toren der Anlage", erinnert sich Osterhuis. Den allergrössten Teil davon musste er enttäuschen, aber wenn QFP im selben Rhythmus weiterwächst, dürften sich hier im Laufe der nächsten Jahre weitere Frauen über eine Anstellung freuen können.
Die Journalistenreise nach Tansania wurde vom Internationalen Agrarjournalistenverband IFAJ und der holländischen NGO Agriterra organisiert. Die jährlich stattfindenden Reisen in wechselnde afrikanische Länder sollen das Verständnis westlicher Agrarjournalisten für afrikanische Landwirtschaft und Gesellschaft wecken und ihren Wissenstand erhöhen.



