
Hochdorf-Chef Thomas Eisenring, so hat man in Gesprächen oft den Eindruck, ist ein Mann, der für jedes Problem rasch eine Lösung findet. An Problemen mangelt es Hochdorf nicht. Und so manche Lösung bringt wieder neue Probleme mit sich. Wie zum Beispiel das Unternehmen Uppermärker Milch, an dem Hochdorf zu 60% beteiligt ist. Hochdorf hat dieses Unternehmen mit Sitz in der deutschen Randregion Prenzlau erworben, um mehr und günstigere Babynahrung herzustellen. Es sollte schnell gehen, bereits Mitte 2016 sollten neue Märkte in Lateinamerika und in der EU beliefert werden. Ein Bauprojekt für einen Sprühturm zur Produktion von Babynahrung wurde umgehend erstellt, die Baubewilligung eingeholt. Nur gebaut wird noch nicht. Hochdorf Mediensprecher Christoph Hug sagt dazu, dass man am Standort festhalte: „Die Frage ist nicht, ob der Turm gebaut wird, sondern wann er gebaut wird.“ Es sei jedoch zu einigen Anpassungen gekommen, „da wir Wege gefunden haben, die Profitabilität des Werkes noch schneller zu steigern.“ Zum Beispiel habe man gemerkt, dass Babynahrung auf der Basis von Basepowder mit weniger Investitionen realisiert werden könnten. Dafür, dass der Umsatz in Prenzlau deutlich unter den Erwartungen bliebt, macht Hug drei Hauptgründe verantwortlich: „Erstens die Währung, zweitens den Milchpreis und drittens die geringere Milchpulverproduktion“. Die Uckermark ist ein Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit. Investitionen werden in solchen Regionen häufig mit staatlichen Fördergeldern gestützt und die Löhne sind in der Regel tiefer als anderswo. Das soll Hochdorf ermöglichen, auch für jene Märkte Babynahrung herzustellen, bei denen Swissness keine Rolle spielt. Hug: „In Lateinamerika ist made in Germany nicht weniger wert wie made in Switzerland.“ Obwohl sich ein in Deutschland oder Litauen hergestelltes Produkt nicht zu Schweizer Preisen verkaufen lässt, seien die Margen nicht minder attraktiv.
Unternehmensübernahme in Vorbereitung
Noch höhere Margen erwartet Hochdorf, wenn es nicht nur Zutaten für Babynahrung, sondern selbst als Babynahrungshersteller am Markt auftreten könnte. Genau das will Hochdorf künftig tun. Der Aufbau einer eigenen Marke dauert CEO Eisenring zu lange. Er will die Vorwärtsintegration mit dem Kauf eines bestehenden Unternehmens erreichen. Welches Unternehmen dafür in Frage kommt, ist vorerst geheim. „Aktuell“, so Hug, „sind wir mit verschiedenen Targets (= Zielobjekten, die Redaktion) in Kontakt und gehen davon aus, dass es hierzu bald Neues zu berichten gibt.“
Babynahrung soll also das Zugpferd bleiben, obwohl letztes Jahr erstmals seit 2006 der Verkaufserlös in diesem Bereich nicht gesteigert werden konnte. Mit ein Grund dafür waren Kapazitätsengpässe bei der Dosenabfüllung in Sulgen. Dieser Engpass war sogar so gross, dass Hochdorf eine Delegation nach Tunesien schickte, um dort eine Abfüllanlage für Babynahrung zu inspizieren. Die Transportkosten wären durch die tiefen Lohnkosten aufgewogen worden. Die Abfüllung in Tunesien kommt laut Hug vorerst trotzdem nicht in Frage: „Die Dosenlinie in Sulgen war eine Zeit lang ein Engpass. Aber wir haben inzwischen ein umfassendes Verbesserungsprogramm implementiert, das diese Thematik massiv entschärft hat.“
Flucht nach vorne
Auch wenn die Produktion von Babynahrung in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist und bleibt die Produktion von Milchpulver ein Hauptgeschäft von Hochdorf. Beim Walzenvollmilchpulver für die Schoggindustrie war Hochdorf lange Zeit Spitzenreiter. Seit Cremo SA in der Westschweiz ebenfalls Walzenvollmilchpulver herstellt, bröckelt Hochdorfs Vormachtstellung. Wie hoch die Marktanteilsverluste sind, kommuniziert Hochdorf nicht. „Aber wir haben deutlich weniger verloren, als wir erwartet haben.“ Natürlich hat Eisenring auch für dieses Problem eine Lösung parat: Statt sich auf einen Preiskampf beim Walzenvollmilchpulver einzulassen, hat er in Kapstadt, Südafrika, einen italienischen Chocolatier engagiert, der dort mit Hochdorf-Milchpulver Schoggi für den afrikanischen Kontinent herstellen soll. Das Start-up-Unternehmen soll bereits dieses Jahr etwas zum Umsatz beitragen. Angesichts der in Bälde wegfallenden Schoggigesetzbeiträge mag das keine schlechte Idee sein, ob es ähnlich lukrativ ist, ist allerdings unsicher.
Vorläufige Umsatz- und Absatzzahlen 2015
ed. Die Hochdorf-Gruppe erzielte im letzten Geschäftsjahr einen Brutto-Verkaufserlös von 551 Mio. Franken und liegt damit unter den anvisierten Zielen von 580 bis 620 Mio. Franken. Der im Vergleich zum Vorjahr höhere Umsatz basiert ausschliesslich auf der Akquisition der Uckermärker Milch GmbH in Prenzlau, sowie der Marbacher Ölmühle GmbH. Beide Unternehmen befinden sich in Deutschland. In den Schweizer Werken wurden insgesamt 389 Mio. Kilo Milch, Molke und Milchpermeat verarbeitet, das sind mehr als fünf Prozent weniger als letztes Jahr. Auch in den Werken in Deutschland und Litauen wurde 2015 etwas weniger Milch verarbeitet. Wieviel weniger, wird erst am 7.April bekannt, dann wird Hochdorf das vollständige Unternehmensergebnis des Jahres 2015 publizieren.
Schoggigesetzbeiträge verdoppelt
Statt 5,8 Mio. wie noch im Jahr 2014 bezog Hochdorf im letzten Jahr 11,2 Mio. Ausfuhrbeiträge aus der Staatskasse. Dass sich der Schoggigesetzbeitrag quasi verdoppelt hat, lag nicht an gestiegenen Exporten von Babynahrung, sondern laut Hochdorf an der Frankenstärke und den tiefen Milchpreisen im Ausland. Hug: „Die Preisdifferenz war 2015 extrem hoch.“ Der exportierte Produktmix habe ebenfalls einen Einfluss. Wie dieser Einfluss genau aussieht, konnte er auf die Schnelle nicht beantworten. Zu den Beiträgen vom Staat kamen noch jene Gelder, die Hochdorf den Bauern zur Deckung der Schoggigesetzlücke vom Milchgeld abgezogen hat. Konkrete Zahlen dazu gibt das Unternehmen nicht bekannt. Nur dass Hochdorf mit den Milchlieferanten eine Flatrate ausgehandelt hat: Bis zu einem bestimmten Betrag finanziert Hochdorf die Schoggigesetzlücke selbst. Was darüber hinaus geht, bezahlen die Milchlieferanten. Im Jahr 2014 haben die Bauern auf diese Weise etwa 4,5 Mio. beigesteuert. 2015 dürfte es nicht weniger gewesen sein.
Schweizer Rahm für deutsche Butter
Während die Bauern unter der hohen Milchproduktion und den sinkenden Milchpreisen leiden, hat Hochdorf damit kein Problem. Im Gegenteil: Die höhere Milchmenge konnte Hochdorf laut eigenen Angaben als Türöffner für internationale Märkte nutzen, indem beispielsweise für ein holländisches Unternehmen „fatfilled powder“ hergestellt wurde. Bei diesem Milchpulver wird das teure Milchfett durch billiges Pflanzenfett ersetzt. Milchfett hat es in der Schweiz zwar auch so zu viel. Doch dank der Lactofama AG konnte Hochdorf knapp 2‘000 Tonnen Rahm exportieren und damit in seinem deutschen Hochdorf-Werk in Prenzlau Butter herstellen. Ob dieses Geschäft auch 2016 stattfindet, ist fraglich. In bäuerlichen Kreisen wächst der Widerstand gegen das Kässeli der Lactofama, welches mit Abzügen auf dem Milchgeld der Bauern gespiesen wird. Hug ist trotzdem zuversichtlich: „Wenn der Druck auf den Milchfett-Preis nicht stark zunehmen soll, ist eine Lösung notwendig – wie auch immer die aussehen mag.“