
Bei der Massentierhaltungsinitiative gehe es um eine ganzheitliche und freiheitliche Landwirtschaft, sagte an der Medienkonferenz in Bern Biolandwirt Fritz Sahli, der in Uettligen einen Betrieb mit Schweinemast, Legehennen, Mutterkühen und Rindermast sowie Ackerbau betreibt. «Wir haben eigentlich nicht die Ressourcen, um die heutige Zahl an Tieren zu halten», führt er weiter aus. Futtermittelimporte erlaubten es, viel mehr Tiere zu halten als standortangepasst wären, aber diese Importe führten auch zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit. Er führe einen Biobetrieb mit knapp 2000 Legehennen, was im Verhältnis ein kleiner Betrieb sei. Und er erzeuge 50 Prozent der Futtermittel selbst und habe trotzdem Mühe, seine Eier wirklich unabhängig zu produzieren. «Stellen sie sich vor, ich hätte 18’000 Hennen – eine naturnahe Produktion wäre undenkbar», meint der Biolandwirt. Es brauche darum eine standortangepasste Landwirtschaft mit kleineren Gruppen an Tieren, geschlossenen Stoffkreisläufen, sauberem Grundwasser, weniger Abhängigkeit vom Ausland und weniger ökonomischem Druck. «Als Eierproduzent sage ich: esst weniger Eier, aber zahlt mehr dafür – schaut hin, es muss etwas kosten», argumentiert Fritz Sahli.
Mitte Juni gelangte bereits das Nein-Komitee an die Medien und lancierte seine Kampagne. Mehr dazu lesen Sie im Mediendienst-Artikel «Wenn die Initianten gewinnen, verliert die Schweiz».

Tatsächlich werde seit Jahrzehnten eine Landwirtschaft versprochen, die im Einklang mit der Natur und mit dem Erhalt der Lebensgrundlagen sei, ergänzte glp-Nationalrätin Kathrin Bertschy. Die Realität sei eine andere. Die hiesige Landwirtschaft degeneriere zu einer bodenunabhängigen industriellen Tierproduktion mit viel zu hohen Stickstoffemissionen. «Kein einziges der dreizehn Umweltziele in der Landwirtschaft ist erfüllt», enervierte sich die Parlamentarierin und ergänzt: «Wir subventionieren damit als Steuerzahlende unsere eigene Umweltzerstörung.»
Sowieso sei die Schweiz als Grasland überhaupt nicht geeignet für die Produktion von Hühner- und Schweinefleisch, meinte auch Co-Kampagnenleiter Philipp Ryf. Das Futter für die Tiere müsse auf den bereits knappen Ackerflächen zusätzlich produziert werden. Hingegen seien Wiederkäuer auf Naturwiesen sehr schweizerisch: «All die Tiere, die sie heute in der Schweiz sehen, die würden sie auch nach Annahme der Initiative noch sehen», erklärt er. Das Problem seien die Tiere, die man heute nicht sehe und das seien primär die grossen Hühner- und Schweinemastanlagen. Die Initiative wolle die Hühner- und Schweinemast nicht verbieten, aber doch hin zu einer ressourcenschonenden und tierfreundlichen Produktion lenken.

Studie sieht deutlich sinkenden Selbstversorgungsgrad
ji. Gleichzeitig mit der Medienkonferenz der Initianten veröffentlichte das Nein-Komitee eine Studie zu den Auswirkungen der MTI. Diese wurde von der Fachhochschule Nordwestschweiz unter Leitung von Prof. Mathias Binswanger im Auftrag des Schweizer Bauernverbandes und der SALS durchgeführt. Sie hat dabei verschiedene Szenarien untersucht. Als realistisch erachtet die Studie ein Szenario, bei dem die Anzahl Schweine und Geflügel in der Schweiz deutlich sinken. Die Haltung von Mastpoulets käme praktisch zum erliegen, kommt die Studie zum Schluss. Bei den Legehennen wird ein Rückgang von zwei Dritteln prognostiziert, bei einer Schweinehaltung wird von der Halbierung der Anzahl Tiere ausgegangen. Dies würde sich laut Studien-Autoren deutlich auf den Selbstversorgungsgrad auswirken und damit zu mehr Importen führen. Gemäss dem Szenario wären Schweizer Poulets nur noch eine Nische, konsumiert würde zu 95% ausländisches Poulet. Bei den Eiern sänke der in den letzten Jahren steigende Inlandanteil von 56 auf noch 20%. Und beim Schweinefleisch rechnet die Studie mit einem Rückgang des Selbstversorgungsgrades von 92 auf 46%. Aufgrund der tieferen Produktion gehen die Studienautoren von rund 4000 Arbeitsplätzen (Vollzeitäquivalent) aus, die in der Landwirtschaft sowie in nachgelagerten Branchen verloren gingen.
Dabei würde sich die Initiative zwar an den Biostandards orientieren, allerdings gehe es nicht darum, diese Standards einfach über die gesamte Landwirtschaft zu stülpen, erklärt Grünen-Nationalrätin Meret Schneider. «Es geht um eine Anpassung der Tierhaltung ans Tierwohl und nicht darum die Biostandards für alle durchzusetzen», führte die Parlamentarierin aus. Das werde oft missverstanden und führe zu radikalen Aussagen beispielsweise in Bezug auf die Bestandsgrössen. Die Initiative solle aber den Weg für eine Schweizer Landwirtschaft bereiten, die den Bedürfnissen der Tiere Rechnung trage und die natürlichen Ressourcen schone.

Er wehre sich gegen die Annahme, dass es bei einer Annahme der Initiative kein Schweizer Fleisch mehr geben und dass man sich immense Kosten aufhalsen würde, so SP-Ständerat Daniel Jositsch. «Unsere Initiative möchte Qualität in der Fleischproduktion. Qualität bedeutet tatsächlich, dass es ein bisschen teurer wird», meint Daniel Jositsch. Fleisch sollte aber auch teurer sein, denn Fleisch sei kein Massenprodukt, sondern ein Qualitätsprodukt und ein angemessener Preis sei auch Ausdruck der Tierwürde. «Wir können nicht Tierwürde haben und gleichzeitig nichts bezahlen für das Fleisch – da gilt es, den Konsumentinnen und Konsumenten den Spiegel vorzuhalten», führte er weiter aus.
Dementsprechend appelliere sie an den Mut der Bevölkerung, an den Mut der Produzentinnen und Produzenten und an den Mut der Konsumentinnen und Konsumenten, einen Weg einzuschlagen, der eigentlich unausweichlich sei, ergänzte Greenpeace-Kampagnenleiterin Alexandra Gavilano. Die Schweiz dürfe abstimmen und damit die Richtung mitgestalten und den nächsten Schritt auf dem sozial gerechteren Weg zu mehr Transformation tun. Es sei wichtig, zu überlegen, was in der Schweiz getan werden könne, um die weltweite Klimakrise zu mindern, meint sie weiter: «Wir müssen unseren Teil leisten – es braucht Mut zum Wandel, der sowieso kommt.»