Um herauszufinden ob Bäuerinnen aus verschiedenen Kontinenten etwas gemeinsam haben, ob ihre Rollen und Herausforderungen vergleichbar sind oder ob die Aufgaben in den verschiedenen Ländern völlig unterschiedlich ausfallen, wurde ein zehntägiger Bäuerinnen-Dialog quer durch die Schweiz organisiert. Je zwei Bäuerinnen aus Tschad, Myanmar, Kolumbien und Kanada wurden von Swissaid eingeladen und zusammen mit Vertreterinnen des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes organisierte man eine Tour de Suisse von Genf bis nach St. Gallen. Auf sechs landwirtschaftlichen Betrieben mit sehr unterschiedlichen Betriebsrichtungen war der Tross zu Gast und kam ins Gespräch mit den Schweizer Bäuerinnen.
"Wir machen alles von Hand"
An der Olma fand nun der Schlusspunkt des Bäuerinnen-Dialogs statt. Auf die Frage von Moderator Claudio Agustini, was sie den besonders beeindruckt habe, erklärte Dorca Ndigueroim aus Tschad, dass sie noch nie so dicke Kühe gesehen habe. Auch die Blumengärten haben ihr gefallen, deshalb will sie Samen mitnehmen und ihren Freundinnen zeigen, wie man in der Schweiz die Gärten schmückt. Auch Saatgut habe sie im Gepäck und will ausprobieren, nicht alles durcheinander anzupflanzen, sondern schön geordnet wie in der Schweiz. Dass Kühe auf Stroh liegen konnte sie zuerst nicht glauben. Überhaupt sei es für sie komisch, dass Mais und andere Getreidearten für das Vieh angepflanzt werde. "Im Tschad essen zuerst die Menschen von den Pflanzen und das Vieh kriegt nur den Rest davon.”
Lar Mya Mee aus Myanmar war beeindruckt von den vielen Maschinen: "Wir machen alles von Hand und wenn wir mal ein Lasttier brauchen, leihen wir einen Büffel oder eine Kuh von einem anderen Bauern aus und bezahlen dafür mit unserem Reis, der dann aber in unserer Familie fehlt."
Die Kühe der Kanadierin Nancy Caron geben mehr Milch als Schweizer Kühe und ihre Maschinen sind deutlich grösser als jene in der Schweiz. "Deshalb fahre ich lieber auf den breiten kanadischen Strassen mit ihren drei Traktoren, hier wäre das viel zu gefährlich", sagt sie.
Männer in die Pflicht nehmen
Yaini Isabel Contreras Jiménez aus Kolumbien erklärte an der Podiumsdiskussion, dass ihre Nahrung gesichert sei, auch wenn sie nur wenig technische Hilfsmittel zur Verfügung habe. Sie präsidiert einen Verband für indigene agroökologische Produzenten und lebt mit Partner und Kind auf dem Hof der Eltern. Ihr Mann hält 50 Bienenvölker, sie selbst 30 Völker. Jeder verwalte seine Völker selber und verkaufe auch den Honig, so Jiménez. Mit ihrem Geld finanziert sie sich ihr Psychologiestudium.
Auf die Frage, wer denn auf ihrem Hof Entscheidungen treffe, erklärten die Vertreterinnen aus Myanmar, Tschad und Kolumbien, dass dies bei grösseren Entscheidungen immer die Männer seien. Kleinere Entscheidungen könnten auch die Frauen mal treffen. "Wir arbeiten daran, die Männer in die Pflicht zu nehmen nicht nur zu bestimmen, sondern sich auch mehr an unserer Arbeit zu beteiligen.”, sagte die kolumbianische Vertreterin. Zusammen mit ihrer Organisation arbeite sie daran, die Frauen mehr in die Entscheidungen mit einzubeziehen. "Den Männern muss bewusst werden, was die Frauen leisten”, sagt sie energisch.
Grosskonzerne kaufen Land
Für Frauen ist es schwierig, zu eigenem Land zu kommen. Wenn im Tschad der Mann sterbe, komme zuerst der Bruder und nehme das Land, die Ehefrau gehe leer aus, sagt Ndigueroim. Auch wird das Land nie an die Töchter vergeben, immer seien es die Söhne, die den Boden unter sich aufteilen.
Die Frage zu den Konflikten in Kolumbien und die Multis, die viel Land kaufen, sagt Yaini Isabel Contreras Jiménez: "Die Frauen leiden am meisten unter den politischen Konflikten. Die Grosskonzerne kaufen immer mehr Land. Wir kämpfen dafür, dass die Pufferzone zwischen dem genveränderten Mais und unserem Mais breiter wird, doch es gibt viele Probleme. Viele Bauern werden auch unter Druck gesetzt, ihr Land zu verkaufen. Die Grosskonzerne wollen mehr Palmöl generieren, deshalb verjagen sie Bauernfamilien."
"Ein wunderbarer Dialog"
Marianne Böller ist Praktikantin im Bereich Entwicklungspolitik und Ernährungssouveränität bei Swissaid. Sie hat die Frauen auf ihrer Reise durch die Schweiz begleitet.
Frau Böller, Sie haben zusammen mit Fabio Leippert von Swissaid den Bäuerinnen-Dialog organisiert und die acht Frauen aus vier Kontinenten während ihrer zehntägigen Reise von Hof zu Hof begleitet. Welche Bilanz ziehen sie an der heutigen Schlussveranstaltung anlässlich des Bäuerinnentages an der Olma?
Während dem Bäuerinnen-Dialog hat es viele eindrückliche Gespräche zwischen den acht eingeladenen Frauen und Schweizer Bäuerinnen gegeben. Auch die Gastbäuerinnen untereinander nutzten die Gelegenheit, voneinander zu hören und zu vergleichen. Letzteres hat mich besonders gefreut, kommt doch dieser Süd-Süd-Austausch oft zu kurz. Eine Teilnehmerin hat mir gesagt, dass sie am meisten davon beeindruckt war, wie stolz die Frauen hier in der Schweiz seien, Bäuerin zu sein. Es ist schön zu hören, dass sie solche Eindrücke mit in ihre Heimatländer tragen. Für Fabio Leippert und mich war es eine sehr intensive Zeit, aber die unkomplizierten, lernbegierigen und begeisterten Gastbäuerinnen haben uns alle Schwierigkeiten vergessen lassen und einen wunderbaren Bäuerinnen-Dialog geschaffen.
Was glauben Sie, hat der Bäuerinnen-Dialog bei den ausländischen Gästen und bei den Schweizer Bäuerinnen ausgelöst?
Ich denke, der Austausch hat bei vielen Frauen, auch bei den Schweizerinnen, eine Reflexion ihrer eigenen Arbeit und Kultur ausgelöst. Schön war es zu sehen, wie die Bäuerinnen aus nah und fern immer wieder Gemeinsamkeiten gefunden haben. Viele der ausländischen Gäste waren fasziniert darüber, wie gut die Bäuerinnen in der Schweiz organisiert sind. Das ist sicher etwas, was sie in ihre Länder zurücktragen werden.
Wann begannen die Vorbereitungsarbeiten und wie haben Sie die Frauen ausgewählt?
Die Vorbereitungsarbeiten haben vor rund einem Jahr begonnen mit der Auswahl der Schweizer Gastbetriebe durch die kantonalen Sektionen des Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes und der Anfrage an die Gastbäuerinnen im Ausland. Die Frauen wurden über die Koordinationsbüros in den Partnerländern von Swissaid ausgewählt. Es sind allesamt engagierte Bäuerinnen, die in lokalen Organisationen tätig sind, z.B. als Präsidentinnen oder Beraterinnen. Die beiden Kanadierinnen wurden direkt vom Verband in Québec vorgeschlagen. Diese beiden Bäuerinnen aus dem Norden wurden auf Wunsch des SBLV eingeladen.
Waren die Frauen sofort begeistert, in die Schweiz zu reisen?
Einige haben die Entscheidung, in die Schweiz zu kommen, zuerst mit ihren Partnern und Familien besprechen müssen. Begeistert waren aber alle, obwohl einige der Frauen mir gesagt haben, dass sie schon ziemlich nervös waren, vor allem kurz vor der Reise, weil sie bisher noch nie ausserhalb ihres Landes waren.
Wie haben Sie die Frauen auf diese anspruchsvolle Reise von Hof zu Hof vorbereitet?
Wir haben etwa einen Monat vor der Reise ein ausführliches Dossier an die lokalen Koordinatoren gesendet. Dies beinhaltete das Programm, eine Packliste, Hintergrundinfos zur Schweiz sowie Infos zu den Präsentationen, welche die Bäuerinnen vorbereiten sollten. Von den Koordinatoren in den jeweiligen Ländern wurden sie dann "gebrieft" und über die Flugreise genau informiert. In der Schweiz gab es dann nochmals einen Einführungstag mit allen Bäuerinnen.
Wie gingen die Frauen mit dem Medienrummel um?
Keine der Bäuerinnen hat mir gesagt, dass Sie sich ausgestellt gefühlt haben. Sicher war der Medienrummel anfangs etwas viel, aber die Frauen haben sich erstaunlich schnell daran gewöhnt und sehr professionell Auskunft gegeben. Ihnen war auch bewusst, dass es eine einmalige Chance ist, die Anliegen aus ihren Heimatländern der Öffentlichkeit hier in der Schweiz zu präsentieren.
Gab es auch Schwierigkeiten?
Natürlich gab es Schwierigkeiten, z.B. die Kommunikation war immer wieder schwierig aufgrund der verschiedenen Sprachen. Wir mussten alle Informationen auf Spanisch, Französisch, Englisch und Burmesisch übersetzen. Vor allem während den Anlässen war dies eine Herausforderung, aber unsere Dolmetscherinnen haben eine super Arbeit geleistet.
Wie werden die gewonnenen Erkenntnisse weiterverarbeitet?
Das liegt an den Bäuerinnen und Bauern selbst, die Idee war es, gegenseitige Inspiration und Ideen zu generieren. Natürlich wird Swissaid in seinen Länderprogrammen weiterhin die Rolle der Bäuerin stärken und die vermittelten Werte und Ansätze stärken, unterstützen und fördern.
Wird Swissaid in Zukunft wieder mit dem Bäuerinnen- und Landfrauenverband zusammen arbeiten?
Die Arbeit mit dem Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband war sehr fruchtbar und spannend. Swissaid wird gerne bei Gelegenheit wieder mit dem SBLV zusammenarbeiten.