
Ali Abdirisaq hat sich kürzlich ein Auto gekauft und macht derzeit die Fahrprüfung. Er hat nun auch eine eigene Wohnung, die er sich mit einem Kollegen teilt. Was für Schweizerinnen und Schweizer in seinem Alter normal ist, ist für den 25-Jährigen alles andere als selbstverständlich: Denn Ali Abdirisaq ist Flüchtling. Vor sechs Jahren ist er aus Somalia in die Schweiz geflohen. Leisten kann er sich das eigene Auto und die eigene Wohnung nur, weil er einen Job hat. Seit 2011 arbeitet er auf dem Gemüsebetrieb von Andreas Eschbach in Füllinsdorf BL mit, anfangs 2013 erhielt er einen unbefristeten Vertrag. Eschbach beschäftigt seit über 20 Jahren Flüchtlinge auf seinem Betrieb. Er wolle ihnen damit eine Perspektive bieten, sagt der Gemüseproduzent. In den über 20 Jahren habe er über 2,5 Millionen Franken in Form von Löhnen an Flüchtlinge ausbezahlt, sagt Eschbach.
Besser in den Arbeitsmarkt integrieren
Derzeit sind nur wenige Flüchtlinge in der Landwirtschaft tätig. Das könnte sich in Zukunft ändern. Der Schweizer Bauernverband und das Staatssekretariat für Migration haben ein Pilotprojekt lanciert, das aufzeigen soll, wie vorläufig aufgenommene Personen und anerkannte Flüchtlinge vermehrt in der Landwirtschaft eingesetzt werden können. Ähnliche Projekte gibt es bereits, etwa im Gastgewerbe. Der Bund will damit Flüchtlinge besser in den Arbeitsmarkt integrieren. Heute gehe in den ersten Jahren nur jeder dritte Flüchtling im Erwerbsalter einer Arbeit nach, erklärte Mario Gattiker, Chef des Staatssekretariats für Migration, bei der Vorstellung des Projekts. Mangelnde Sprachkenntnisse, fehlende Berufsbildung, aber auch administrative Hürden seien die Gründe dafür.
Das Pilotprojekt von Bund und Bauernverband soll auch dazu dienen, das inländische Potenzial an Arbeitskräften besser auszunutzen. "Die Schweizer Bevölkerung hat am 9. Februar 2014 klar gemacht, dass sie die Zuwanderung eigenständig steuern möchte, und dass Arbeitskräfte zuerst einmal im Inland gesucht werden sollen", sagte Gattiker.
Viele helfende Hände nötig
Der Schweizer Bauernverband begrüsst, dass das inländische Potenzial an Arbeitskräften besser ausgenutzt werden soll. Denn seit der Annahme der "Masseneinwanderungsinitiative" befürchten die Bauern, dass es schwieriger wird, die jährlich benötigten 25'000 bis 30'000 ausländischen Arbeitskräfte zu rekrutieren. Die Betriebsleiter müssten bereit sein, die Flüchtlinge aus- und weiterzubilden und im Umfeld des Betriebes zu integrieren. "Es braucht Verständnis und Interesse für fremde Kulturen, was überdurchschnittliche Sozialkompetenz bedingt", erklärte Jacques Bourgeois, Direktor des Schweizer Bauernverbands. Gemüseproduzent Eschbach betonte, dass das Beschäftigen von Flüchtlingen mit einem Zusatzaufwand verbunden sei und dass sich nicht jeder Betrieb dafür eigne. Er verstehe sein Engagement als Dienst zugunsten der Allgemeinheit.
So funktioniert das Pilotprojekt
Das Pilotprojekt des Schweizer Bauernverbands und des Staatssekretariats für Migration ist auf drei Jahre angelegt und kostet 400'000 Franken, für die Bund und Bauernverband je zur Hälfte aufkommen. Am Projekt sind 10 Landwirtschaftsbetriebe in sieben Kantonen sowie 15 Flüchtlinge beteiligt. Die Flüchtlinge erhalten im ersten Monat einen Bruttolohn von 2'300 Franken, danach gibt es den Mindestlohn gemäss Normalarbeitsvertrag von 3'200 Franken. Die Pilotbetriebe werden für den zusätzlichen administrativen Aufwand mit monatlich 200 Franken entschädigt. Weitere 200 Franken gibt es, wenn die Flüchtlinge auf dem Betrieb wohnen und von der Betriebsleiter-Familie verpflegt werden. Mit dem Projekt soll unter anderem geklärt werden, ob Flüchtlinge überhaupt interessiert sind, in der Landwirtschaft zu arbeiten, und ob sie physisch und psychisch in der Lage dazu sind, erklärt Monika Schatzmann vom Schweizer Bauernverband auf Anfrage. Arbeitskräfte aus der EU könnten heute einfacher angestellt werden als Flüchtlinge. Laut Schatzmann wird derzeit im Rahmen der Revision des Ausländergesetzes über eine Vereinfachung diskutiert.