
In der Schweiz lebten gemäss Statistik Schweiz im Jahre 2012 etwa 20‘000 Menschen jüdischen Glaubens und etwa 330‘000 muslimischen Glaubens, entsprechend 0.3 bzw. 4.9 % der Wohnbevölkerung ab 15 Jahren. Die muslimische Bevölkerung hat seit 1970 kontinuierlich zugenommen. Während der Markt für koschere Lebensmittel in der Schweiz sehr klein ist und sich auf Ballungszentren wie Zürich oder Basel beschränkt, ist der Markt für Halal-Lebensmittel grösser und vor allem in Städten sichtbar. Ein Beispiel sind die türkischen Märkte.
Koscher-App
Menschen jüdischen Glaubens kaufen meistens in den üblichen Lebensmittelläden und bei den Grossverteilern Migros oder Coop ein, sagt Ariel Wyler vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. Eine "Koscher-Liste" mit etwa 3‘000 zertifizierten Lebensmitteln gibt ihnen Sicherheit bei der Auswahl der Produkte. Die jüdischen Gemeinden haben für die Zulassung gemeinsam eine Prüfstelle geschaffen. Seit neuem stellt die Interessengemeinschaft für koschere Lebensmittel IGfKL sogar eine "Koscher App" zur Verfügung. In Zürich gibt es zwei Spezialläden mit ausschliesslich koscheren Lebensmitteln. Während der Schweizer Markt vor allem für koschere Lebensmittel klein ist, lassen sich grosse Märkte durch den Export von entsprechend zertifizierten Lebensmitteln erschliessen.
Chancen für Milchprodukte
Gute Chancen für den Export haben in der Schweiz vor allem Milchprodukte. So ist die Züger Frischkäse AG in Oberbüren in den Export von koscheren Milchprodukten, insbesondere Mozzarella und Ricotta eingestiegen. Absatz habe sie vor allem in Israel und in Frankreich gefunden, sagt Verkaufsleiter Christoph Scherrer. Der erste Schritt sei der schwierigste gewesen. Es galt, gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Der Käseproduzent musste verstehen, was genau koscher ausmacht und der Rabbi, der die Produktion kontrolliert, musste die Abläufe verstehen. Das Milchgeschirr muss mit kochendem, also 100°C heissem Wasser, gewaschen werden. 90°C, wie sonst üblich, genügen nicht. "Verlierer haben Probleme, Gewinner haben Lösungen", sagt Ariel Wyler vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. Wer koscheren oder Halal-Käse herstellen möchte, darf zur Milchgerinnung kein Lab aus Mägen von Kälbern verwenden, welche nicht rituell geschlachtet wurden. Eine Alternative ist die Verwendung von mikrobiell hergestelltem Lab. Ein Beispiel, das zeigt, dass Lösungen möglich sind. Doch bei vielen Lösungen muss auf Details geachtet werden. So dürfen bei der Herstellung von Lab keine verbotenen Stoffe verwendet werden. "Ein Käse, der koscher ist, ist meistens auch halal", sagt Ariel Wyler. Aber es muss nicht immer so sein. Die Einhaltung der Produktionsvorschriften kann sowohl bei koscheren als auch bei Halal-Lebensmitteln sehr aufwändig sein. Während bei Halal-Produkten oft die Zertifizierung genügt, möchte bei koscheren Produkten der Rabbi selbst das Lab zur Milch hinzufügen, um sicher zu sein, dass Vorschriften eingehalten werden. Die Vorschriften reichen bis auf Stufe des Landwirtschaftsbetriebes. So dürfen zum Beispiel Milchbauern nur pflanzliches Melkfett verwenden, was auch kontrolliert wird. Der Aufwand kann sich lohnen, denn der Preis koscherer und halal Produkte, die ins Ausland gehen, ist höher als derjenige von konventionellen Produkten.
Ein wachsender Markt
Wer in Länder mit muslimischer oder jüdischer Bevölkerung exportieren möchte, muss zertifiziert sein. "Oft kommt man nur dann in den Markt hinein", sagt Mounir Khouzami, Präsident des Swiss Arab Network und Strategieberater bei der Bank UBS. "Das Halal Food-Sortiment ist ein wachsender Markt", sagt er. Ein Viertel der Weltbevölkerung sind Muslime und ihr Anteil ist steigend. Grosse Unternehmen haben auf die zunehmende Nachfrage reagiert. Bei Nestlé sind zum Beispiel ein Drittel der weltweit über 450 Produktionsstätten halal-zertifiziert. Die bekannten Kellogg’s Corn Flakes haben sowohl das halal- als auch das koscher-Zertifikat. Nicht nur die muslimischen Länder des Mittleren Ostens und in Nordafrika stellen Halal-Märkte dar, sondern zunehmend auch Russland, Indien, China, Frankreich, England oder Deutschland. Nicht nur Muslime und Juden, sondern auch Konsumenten, die sich besonders gesund oder fleischlos ernähren möchten, achten zunehmend auf halal- und koscher-Zertifikate. So können sie bestimmte, von ihnen unerwünschte Zusatzstoffe ausschliessen.
Fleisch wird importiert
Neue Märkte dürften sich für die Schweiz vor allem bei Milchprodukten auftun. Koschere sowie Halal-Fleisch- und Wurstwaren werden aus dem Ausland, insbesondere aus Frankreich, in die Schweiz importiert. In den EU-Ländern ist unter bestimmten Bedingungen rituelles Schlachten erlaubt, während es in der Schweiz verboten ist. Allerdings sieht Farhan Tufail von der Halal Certification Services GmbH die Möglichkeit, Schweizer Fleisch halal-tauglich zu machen. Denn die Halal-Zertifizierung erlaubt eine Betäubung unter der Voraussetzung, dass diese nicht zum Tod der Tiere führt und reversibel ist. Dazu eignet sich eine Elektro-Betäubung. Gemäss Schweizer Tierschutz STS gibt es in der Schweiz halalkonforme Schlachtanlagen, denn auch Schweizer Muslime haben Interesse daran, Schweizer Fleisch zu essen. Koscheres Fleisch dagegen schliesst eine Betäubung aus, wie der Rabbiner Marcel Ebel sagt.
Halal bezieht sich auf die muslimische Nahrung. Es ist das arabische Wort für "erlaubt". "Alles, was nicht definitiv verboten ist, ist erlaubt", fasst es Farhan Tufail von den Halal Certification Services zusammen. Wie bei koscher ist der Verzehr von Schweinefleisch auch bei halal verboten. Ebenfalls der Verzehr von Fleisch von Tieren, die sich von anderen ernähren und die nicht "rechtmässig" geschlachtet wurden. Doch nicht nur das Fleisch bestimmter Tiere ist verboten, die Zertifizierungsstellen müssen auch darauf achten, dass sich die Tiere nicht mit verbotenem Futter ernähren. Der Koran verlangt, Tiere möglichst schonend zu töten. Doch müssen sie wie bei koscher lebendig sein und gemäss religiösem Ritus geschlachtet werden. Allerdings lässt halal eine Betäubung zu, wenn das Tier dadurch nicht stirbt. "Das Tier muss theoretisch nach der Betäubung wieder aufstehen können", erklärt es Tufail. Nicht zulässig ist deswegen der Bolzenschuss, der zum Tod der Tiere führt. Alkoholhaltige Lebensmittel sind nicht halal. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu koscheren Lebensmitteln, wo Alkohol nicht grundsätzlich verboten ist.
Koscher bedeutet so viel wie: "Es ist okay", sagt der Rabbiner Marcel Ebel von der Cultusgemeinde in Zürich. Der Begriff wird im Allgemeinen für koscheres Essen verwendet. Die Thora, die fünf Bücher Moses, schreibt Juden nicht nur vor, was sie essen dürfen, sondern auch, wie die Speisen zubereitet werden müssen. Es gibt eine Vielzahl von detaillierten Vorschriften. "Sie sind Teil des Glaubens und benötigen keine rationale Erklärung", hält Ebel fest. Von Säugetieren ist das Fleisch erlaubt, wenn sie gespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sind, also von Rind, Schaf und Ziege. Schweinefleisch ist verboten. Damit das Fleisch der erlaubten Tiere koscher ist, müssen die Tiere rituell geschlachtet, das heisst geschächtet werden. Dem Tier müssen die Luftröhre und die Schlagader mit einem rasierklingenartigen, scharfen Messer in einem Zug durchschnitten werden, beschreibt es Ebel. In der Schweiz ist auf Grund des Tierschutzgesetzes eine koschere Schlachtung nicht möglich. Milchprodukte können unter bestimmten Bedingungen koscher sein. "Eine der wohl weitreichendsten Vorschriften für die jüdische Küche ist die strikte Trennung von Milch und Fleisch", sagt Ebel. Spaghetti Bolognese mit Käse gibt es in der jüdischen Küche nicht.

