

Der Forstwirtschaft droht ein Fachkräftemangel. In den nächsten 15 Jahren geht rund die Hälfte der Revier- und Betriebsförster (dipl. Förster HF) in Pension. Dies zeigt eine Umfrage der Fachstelle Codoc unter den Kantonen. Auch bei den Forstingenieuren, die über einen ETH- oder FH-Abschluss verfügen, werden circa 50% pensioniert. Was für Einzelpersonen rosige Berufsaussichten verspricht, bereitet der Forstwirtschaft Bauchschmerzen. Mitte Juni hat der Schweizerische Forstverein Branchenakteure zu einem Treffen eingeladen, um das Thema "Fachkräftemangel" zu diskutieren.
Insbesondere bei den Förstern HF zeichnet sich ein grosser Mangel ab. Im Durchschnittlich müssen künftig jährlich 31 Stellen neu besetzt werden. Dies, während in den letzten Jahren jeweils nur 23 Personen die 2-jährige Weiterbildung an einer der beiden höheren Fachschulen in Lyss oder Maienfeld absolviert haben. Besser sieht bei den Hochschulen aus. Die ETH und die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) bilden derzeit genügend Leute aus, um den Bedarf an Forstingenieuren zu decken. Zumindest theoretisch, die Praxis sieht allerdings anders aus. "Die Kantone haben Mühe, Forstingenieure zu finden", sagt Ueli Meier, Präsident der Konferenz der Kantonsförster. Vor allem Bewerbungen von ETH-Absolventen seien rar. ETH-Professor Harald Bugmann schätzt, dass lediglich 20 Prozent der Masterabsolventen in den Forstdienst wechseln. "Offenbar reizt die Tätigkeit in einem Ingenieurbüro oder bei einer NGO mehr", sagte Bugmann gegenüber einem Branchenmagazin.
Löhne sind tief
Wie stark sich der Mangel an Fachkräften in Zukunft akzentuieren wird, hängt massgeblich davon ab, ob es der Forstwirtschaft gelingt, ETH-Absolventen in der Branche zu halten. Gleiches gilt auch für die Lehrabgänger. Heute wechselt rund die Hälfte der alljährlich 300 frisch ausgebildeten Forstwarte den Beruf. Grund dafür ist unter anderem der tiefe Einstiegslohn: "Lehrabgänger wechseln meist in Branchen, wo man mehr verdient wie etwa auf dem Bau oder bei der Polizei", sagt Rolf Dürig, Geschäftsführer der Fachstelle Codoc. Auch wegen gesundheitlicher Probleme würden viele in andere Branche abwandern. Denn die Arbeit im Wald sei körperlich anstrengend. Dazu komme, dass Forstwarte auf dem Arbeitsmarkt begehrt seien. "Sie werden mit Handkuss genommen, weil sie gewohnt sind, anzupacken und das bei jedem Wetter", so Dürig.
Nur wenige machen Berufsmatura
Handlungsbedarf ortet die Branche auch bei der Weiterbildung. Derzeit werden zu wenig Förster HF ausgebildet, um die Abgänge infolge Pensionierungen kompensieren zu können. "Die Stimmung in der Branche war lange gedrückt. Wegen Rationalisierung, Revier- und Betriebszusammenlegungen herrschte der Glaube vor, dass es keine Förster mehr brauche", erklärt Rolf Dürig. Dazu komme, dass sich die Waldwirtschaft angesichts tiefer Holzpreise seit Jahren in einer schwierigen Situation befinde, die sich mit der Frankenaufwertung nochmals verschärft habe. "Diese Faktoren haben möglicherweise dazu geführt, dass viele Forstwarte ihre berufliche Zukunft nicht in der Forstbranche sahen", erklärt Dürig.
Tief ist nicht nur die Anzahl ausgebildeter Förster, sondern auch die Quote der Forstwarte, welche die Berufsmaturität (BMS) erwerben. Im Schnitt waren es in den letzten zehn Jahren jährlich 22 Personen. "Die Berufsmaturität während einer 3-jährigen Lehre zu absolvieren ist eine Herausforderung für Lehrling wie auch für den Betrieb", so Dürig. Forstbetriebe würden es nicht gerne sehen, weil die Lehrlinge einen zusätzlichen Tag fehlten. Ueli Meier ortet den Grund für die tiefe BMS-Quote woanders: "In die Forstwartlehre wurde an Inhalten viel reingepackt, da ist es schwierig, parallel noch die Berufsmatur zu absolvieren."
Kaum Frauen
Man müsse sich überlegen, die Forstwartlehre inhaltlich zu entschlacken und stattdessen vermehrt Weiterbildungsmodule anzubieten. Das könnte, so Meier, mehr Luft für die BMS schaffen und diese somit attraktiver machen. Patric Bürgi von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) schlägt vor, dass Lehrlinge, die das intellektuelle Rüstzeug für BMS und ein FH-Studium mitbringen, vermehrt durch Berufsschullehrer und Betriebsleiter gefördert werden sollen. Denkbar sei, so Bürgi, dass man zudem versuche, vermehrt Lehrlinge anzustellen, die von Anfang an bewusst eine BMS bzw. danach ein Studium anstrebten. Auch müssten Berufsberater Jugendliche stärker darauf hinweisen, dass man einen akademischen Weg auch via Lehre einschlagen kann könne, so Bürgi.
Ueli Meier fordert einen Innovationsschub. "Wir haben fast keine Quereinsteiger und fast keine Frauen in unserer Branche." Wenn man den prognostizierten Fachkräftemangel entschärfen wolle, müsse man vermehrt diese Personenkreise ansprechen und Karrieremöglichkeiten aufzeigen. Die Konferenz der Kantonsförster will im Herbst bei ETH-Studierenden für die Forstbranche werben. Die Fachstelle Codoc will künftig die Berufswerbung verstärken, an der Forstmesse in Luzern organisiert sie eine Infoveranstaltung für Berufs- und Laufbahnberater. Inhalt: "Waldberufe – Berufe mit Zukunft."
Der sich abzeichnende Fachkräftemangel eröffnet glänzende Karrieremöglichkeiten. Kantonsförster Meier glaubt, dass alleine schon solche Berufsperspektiven künftig viele Personen motivieren werden, eine Weiterbildung in Angriff zu nehmen.