
LID: Welche besondere Bedeutung hat die Weltausstellung in Milano für den Export von Schweizer Agrargütern?
Bernard Lehmann: Die Expo Milano ist mehr als eine Messe. Sie ist eine Weltausstellung, und das Kommerzielle steht nicht im Vordergrund. Das Motto der Expo Milano lautet "Den Planeten ernähren – Energie für das Leben". Insofern ist die Expo Milano eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft und deren Rolle und Verantwortung als Teil des globalen Ernährungssystems einem Millionenpublikum vorzustellen. Der Auftritt ermöglicht es, das Image des Produktionsstandorts Schweiz zu pflegen und auch unsere Produkte zu präsentieren. Es ist aber keine Exportförderungsmassnahme im engeren Sinne.
Erwarten Sie eine nachhaltige Wirkung der Expo Milano für die Schweiz?
Ja, und zwar primär im Image-Bereich. Wir haben die Chance, uns in den Köpfen der Besucher mit einigen wichtigen Botschaften und bleibenden Bildern zu verankern. Denken Sie an die Expo Shanghai 2010 zurück. Da ging es um die Interaktion von Stadt und Land, und viele erinnern sich noch an den innen hochtechnisch-urbanen, und aussen begrünt -ländlichen Schweizer Pavillon mit der Sesselbahn. An der Expo Milano werden wir eine hervorragende Möglichkeit haben, die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft einem internationalen Publikum, und auch den erwarteten rund zwei Millionen Schweizer Besuchern näher zu bringen.
An der Expo nehmen 145 Länder teil. Wie ist es bei einer solchen Masse an Angeboten noch möglich, sich zu differenzieren und die Besucher zu binden?
Der Schweizer Pavillon wird eine der grossen Attraktionen der Expo Milano werden und einen bleibenden Eindruck bei den Besuchern hinterlassen, davon bin ich überzeugt.
Sind offizielle Besuche von Schweizer Vertretern an der Messe geplant?
Ja, es sind offizielle Besuche geplant. Auch Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann wird nach Milano reisen und zum Dialog über die Ernährungssicherheit beitragen.
Das Ende des Euromindestkurses hat negative Auswirkungen, insbesondere in Branchen, die wie beim Käse stark exportorientiert sind. Welche Möglichkeiten sehen Sie, damit die Branche auch bei einem Kurs von aktuell rund 1.07 Franken noch konkurrenzfähig bleibt kann?
Die neue Situation in Bezug auf den Schweizer Franken ist tatsächlich für die ganze Branche – wie für alle andern exportorientierten Wirtschaftszweige – ein echte Herausforderung. Die Frankenstärke sollte jedoch nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrgenommen werden, die Produktivität und Innovationsfähigkeit noch zu steigern.
Müsste man bei den Exporten weniger abhängig von der EU werden und vermehrt neue Märkte wie Asien oder Südamerika erschliessen?
Eine diversifizierte Exportstrategie ist sicher eine Überlegung wert. Beim Käse und anderen verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten wird diese Strategie von den Unternehmen ja bereits umgesetzt. Die zahlreichen Freihandelsabkommen der Schweiz mit verschiedenen Ländern sind dabei für die Erschliessung solcher Märkte eine wertvolle Unterstützung. Mit der Agrarpolitik 14-17 haben wir zudem das neue Instrument der Exportinitiativen in der Absatzförderung verankert, und das Parlament hat dafür zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Damit unterstützen wir bereits heute Marktabklärungen und die Erschliessung neuer Märkte in aller Welt. Derzeit werden solche Initiativen in den Bereichen Käse, Fleisch, Bio-Produkte, Genetik und produzierender Gartenbau unterstützt. Trotzdem wird die EU wegen der Nähe und den Präferenzen der europäischen Konsumenten auch in Zukunft unser Hauptmarkt bleiben.
Auch bei Ausstellungen wie Milano zeigt sich, dass die Welt immer vernetzter wird. Das Transatlantische Freihandelsabkommen wird Freihandel zwischen der EU und den USA bringen und auch die Schweiz schliesst immer wieder Abkommen ab. Derzeit können für die Landwirtschaft oft noch Ausnahmen gemacht werden. Wird diese Sonderstellung der Landwirtschaft beibehalten werden können?
Jede Verhandlung hat ihre eigenen Schwerpunkte und Eigenheiten je nach Bedürfnissen der jeweiligen Verhandlungspartner. Für uns heisst das, dass die Schweiz den Landwirtschaftsbereich jeweils nur punktuell öffnet. Es ist aber richtig, dass die Verhandlungen im Agrarbereich umso anspruchsvoller werden, je mehr Exportinteressen der Verhandlungspartner hat. Ich denke da zum Beispiel an die Verhandlungen mit Malaysia oder Indonesien, die Palmöl exportieren wollen.
Der Produzentenpreiszerfall bei der Milch zeigt, wie anspruchsvoll es ist für Schweizer Bauern bei teilweise offenen Märkten und ungünstigen Wechselkursen im hochpreisigen Schweizer Umfeld für den Export zu produzieren. Wie könnte die Schweizer Landwirtschaft noch bestehen, wenn sämtlicher Grenzschutz fallen würde?
Fakt ist, dass der Preisabbau in der weissen Linie viel grösser ist, als beim Käse. Probleme haben wir ausgerechnet dort, wo ein signifikanter Grenzschutz besteht. Die aktuelle Situation zeigt, dass ein hoher Grenzschutz kein perfektes Instrument ist, um das Preisniveau zu sichern. Längerfristig werden wir also nicht darum herumkommen, uns über Szenarien mit tieferem Grenzschutz Gedanken zu machen. Von zentraler Bedeutung ist, dass die Schweizer Produkte ihren Wert behalten und nicht austauschbar werden: Qualität, Nachhaltigkeit und Sicherheit sowie ein guter Schutz der Marke "Schweiz" sind die Stichworte. Aber auch der Schutz von traditionellen Produkten mit geschützten Ursprungsbezeichnungen und geschützten geografischen Angaben ist ein wichtiges Instrument.
Das Motto der Weltausstellung heisst " Den Planeten ernähren - Energie für das Leben." Welchen Beitrag kann die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft zu diesem Thema leisten?
Neben der nachhaltigen Produktion von qualitativ hochstehenden Lebensmitteln kann die Schweiz insbesondere im Bereich Forschung und Innovation wertvolle Beiträge zur Ernährungssicherheit beitragen. Zudem kann und wird die Schweiz weiterhin eine wichtige Rolle in internationalen Organisationen spielen und sich dort für eine nachhaltige und gerechte Welt einsetzen.