Noch stehen die Birnenbäume erst in der Blüte. Und trotzdem bereitet die Ernte den Obstproduzenten bereits Kopfzerbrechen. Grund: Die Lager mit Birnensaft-Konzentrat aus den Vorjahren sind noch immer randvoll. Vor allem die Grossernte im Jahr 2009 hat eingeschenkt. Ende 2012 waren 28'000 Tonnen an Lager. Das reicht aus, um den Schweizer Markt zwei Jahre zu versorgen. Aufgrund der vollen Lager habe man unter anderem über einen Ernteverzicht oder eine Kontingentierung diskutiert, erklärt Josef Christen, Mediensprecher des Schweizer Obstverbandes (SOV). Letztlich hat sich das Produktezentrum Mostobst für die Weiterführung des Rückbehalt-Systems ausgesprochen. Wie in den Vorjahren müssen die Produzenten auch heuer auf der abgelieferten Menge einen Abzug in Kauf nehmen. Mit diesem wird ein Fonds gespiesen, der dazu dient, überschüssiges Konzentrat ins Ausland zu exportieren. Anders als in den Vorjahren ist der Abzug in diesem Jahr besonders hoch. Ausgehend von 10 Franken je 100 kg wird der Rückbehalt je nach Menge schrittweise bis auf 17 Franken erhöht. Mit anderen Worten: Das Ernten von Mostbirnen soll unattraktiv gemacht werden, um die Mengen tief zu halten. Denn: Laut Berechnungen des SOV werden lediglich 5'000 Tonnen Mostbirnen benötigt, etwa für Saft ab Presse. Das entspricht lediglich einem Drittel der Menge, die in den letzten drei Jahren durchschnittlich geerntet wurden. Viele Mostbirnen dürften in diesem Jahr daher liegen bleiben. "Bei uns werden keine Birnen geerntet bei einem solchen Rückbehalt", erklärt Robert Brunner, Obstproduzent und -verarbeiter aus Steinmaur.
Grosses Angebot – sinkende Nachfrage
Bei den Mostbirnen gibt es strukturelle Überschüsse. Dies, obwohl der Baumbestand in den letzten zehn Jahren um 15 Prozent auf 330'000 Stück abgenommen hat und tendenziell immer weniger geerntet wurde (siehe Grafik). Der Absatz von Mostbirnen schrumpfte in den letzten Jahren, weil Birnensaft nicht mehr so gefragt ist, weil die Verkäufe von Birnenschnaps einbrachen und weil einzelne Grossverteiler Essig verkaufen, der mit Import-Konzentrat hergestellt wird. Deshalb reichen heute jährlich 12'000 Tonnen aus, um den Markt zu versorgen. In den letzten vier Jahren wurden aber durchschnittlich je 18'000 Tonnen geerntet.
Keine Probleme bei den Mostäpfeln
Besser sieht die Marktsituation bei den Mostäpfeln aus. Der Rückbehalt für die diesjährige Ernte beläuft sich auf 3 Franken je 100 kg. Dieser Betrag gilt bei einer Erntemenge unter 80'000 Tonnen. Werden mehr Mostäpfel geerntet, wird der Rückbehalt schrittweise erhöht. Man versuche, wiederum die ganze Ernte zu übernehmen, teilt der SOV mit. Nun sind Ernte-Überschüsse freilich kein neues Phänomen. Denn im einen Jahr meint es die Natur gut und die Bäume hängen voller Früchte, in einem anderen Jahr tragen sie hingegen kaum Obst. Früher konnte die Obstbranche überschüssige Mostbirnen dank finanzieller Hilfe des Bundes in Form von Konzentrat exportieren und so den Markt stabilisieren. Seit 2010 muss die Branche die Ausfuhren selber berappen. Und diese sind teuer, denn exportiert werden kann nur, wenn das teurere Schweizer Obstkonzentrat künstlich verbilligt wird. Im letzten Jahr wurde für eine Mio. Franken Birnensaftkonzentrat ausgeführt. Für einen weiteren Lagerabbau fehlt derzeit aber das Geld. Der SOV hat den Bund deshalb um eine Finanzspritze gebeten – jedoch ohne Erfolg. Dass der Bund die Obstproduzenten im Regen stehen lässt, ist für diese unverständlich: "Der Bund fördert die Hochstammbäume finanziell, doch wenn es um den Absatz der Früchte geht, lässt er Branche im Stich", erklärt Josef Christen.
Angesichts der strukturellen Überschüsse versucht der SOV, neue Absatzkanäle zu erschliessen. "Das ist schwierig und braucht viel Zeit", gibt Christen zu bedenken. Dabei könnte es so einfach sein: "Wenn jede Person in der Schweiz 1 kg Birnel konsumieren würde pro Jahr, dann müssten wir Birnenbäume pflanzen", so Brunner.
Druck auf Birnenbäume steigt
Gelingt es der Branche nicht, künftig den Absatz von Mostbirnen zu steigern, dürfte der Druck auf die Birnenbäume zunehmen. Christen: "Bäume werden nur gepflegt und deren Früchte nur geerntet, wenn das Obst auch verkauft werden kann."

