Seit dem Höchststand Mitte 2008 sind die Ölpreise wieder gesunken, und damit sind auch Biotreibstoffe als Alternative zum Öl weg aus den Schlagzeilen. Der Absatz von Benzin, dem Bioethanol beigemischt wurde, ist mit der wegfallenden Preisdifferenz zum konventionellen Benzin eingebrochen. Wurden im letzten Jahr in der Schweiz noch rund vier Millionen Liter Bioethanol getankt, war es in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres erst ein Zehntel davon.
Für Ulrich Frei ist das alles kein Hindernis. Frei ist Sprecher der Firma Green Bio Fuel, die in Zurzach eine grosse Anlage plant, wo aus der Jatropha-Pflanze Biodiesel produziert werden soll (s. Kasten). "Der Tiefstpreis für das Öl war 40 Dollar pro Fass, jetzt sind wir bei 71 Dollar. Manche Experten reden davon, dass das Preisniveau schon innerhalb von ein paar Jahren bei 200 Dollar pro Fass sein wird." Bei den Treibstofffirmen sei das Interesse an Biotreibstoffen ungebrochen.
Kommission für ein Importmoratorium
Sorgen um das Projekt in Zurzach macht sich Frei nicht wegen dem Markt, sondern wegen der Politik. Denn die ständerätliche Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) entscheidet am Freitag, 26. Juni über eine parlamentarische Initiative des Basler SP-Nationalrats und Swissaid-Präsidenten Rudolf Rechsteiner. Diese verlangt, dass während fünf Jahren keine Biotreibstoffe und keine Rohstoffe zu deren Herstellung importiert werden dürfen – für das Projekt in Zurzach wäre dies praktisch der Todesstoss. Rechsteiner begründete die Initiative damit, dass Biotreibstoffe ein ökologisch und ökonomisch ineffizienter Ersatz für Erdöl seien und massgeblich zur Verteuerung von Lebensmitteln beitrügen. Unterstützt wurde er von über 100 Ratskollegen quer durch alle Parteien. Und die UREK des Nationalrates hat Rechsteiners Vorstoss Mitte Mai bereits gutgeheissen.
Das sei "politische Willkür" und einer Bananenrepublik würdig, ärgert sich Frei. Bevor das revidierte Mineralölsteuergesetz richtig in Kraft getreten sei, werde schon wieder daran herumgeschraubt. Die Green Bio Fuel habe bereits vier Millionen Franken investiert und hänge immer noch völlig in der Luft. Ebenso unklar ist die Zukunft für ein Projekt der Firma Green Bio Energy in Delémont, wo dereinst aus Zuckerrohr Bioethanol produziert werden soll.
130 Millionen Liter Biodiesel pro Jahr
wy. Die Firma Green Bio Fuels mit Investoren aus Deutschland plant in Zurzach ein Werk, das jährlich bis zu 130 Millionen Liter Biodiesel produzieren soll. Die Baubewilligung sei in den nächsten Wochen zu erwarten, sagt Firmensprecher Ulrich Frei. Das Werk würde insgesamt rund 80 Millionen Franken kosten.
Strenge Vorgaben
Tatsächlich ist das Mineralölsteuergesetz erst seit Mitte 2008 in Kraft, die dazu gehörige Verordnung seit April 2009. Darin wird minutiös festgelegt, welche Angaben die Gesuchsteller zum Anbau der landwirtschaflichten Rohstoffe, zu den ökologischen Implikationen und zu den sozialen Verhältnissen machen müssen, damit ihre Produkte von der Mineralölsteuer befreit werden. Diese Anforderungen seien zwar streng, aber klar, sagt Frei. Man sei daran, die Angaben für die Ökobilanzprüfung zusammenzustellen. Da nun aber ein Importmoratorium drohe, fehle jede Planungssicherheit.
Ungenügende Sozialklauseln
Tina Goethe von Swissaid erklärt, im geltenden Gesetz gebe es nur Regeln für die Steuerbefreiung, ein Importverbot sei aber wirksamer. Ferner seien auch die Bedingungen für die Steuerbefreiung zu wenig streng. Im sozialen Bereich etwa sei lediglich festgelegt, dass die jeweils nationale Gesetzgebung eingehalten werden müsse und dass das Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation gelte. Das gehe völlig an den zentralen Problemen vorbei, nämlich dass die Kleinbauern und die lokale landwirtschaftliche Produktion verdrängt würden. Dazu komme, dass der Bund praktisch keine Möglichkeit habe, zu prüfen, ob die Angaben der Biotreibstoffhersteller auch wirklich stimmten.
Jatropha, die Wunderpflanze?
wy. Die Jatropha-Pflanze, auch "Brechnuss" oder "Purgiernuss" genannt, ist für den Menschen ungeniessbar und wächst vor allem in Afrika, Asien und Südamerika. Die Pflanze wächst auf kargen Böden, ihre Samen haben einen sehr hohen Ölanteil.
Green Bio Fuel wirbt für den Rohstoff Jatropha als ideale Pflanze für die Biodieselproduktion: Im Produktionsland Moçambique würden bisher nicht bewirtschaftete Böden damit bepflanzt, die Ökobilanz sei positiv, es gebe keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und der lokalen Bevölkerung würden zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten geboten, heisst es auf der Homepage.
Tina Goethe von Swissaid ist allerdings skeptisch: "Wenn mit Jatropha ein gutes Geschäft gemacht werden kann, dann wird eben auch im grossen Stil angebaut, auf den fruchtbareren Böden und in der Nähe der Meereshäfen", sagt sie. Die grossen Mengen, die Green Bio Fuel aus Moçambique beziehen wolle, hätten möglicherweise genau den Effekt, dass die Nahrungsmittelproduktion verdrängt werde. Und das in einem Land, das von Nahrungsmittelhilfe abhängig sei.
