
Gerade mal zwei Sätze umfasst das Volksbegehren "Für Ernährungssicherheit" des Schweizer Bauernverbands (SBV). Zu offen formuliert sei der Initiativtext, zu unklar die Ziele, welche die Landwirtschaft damit verfolge, bemängelten Kritiker. Und überhaupt: Die Anliegen der Bauern seien ohnehin schon in der Verfassung verankert.
Der Vorstand des SBV hat deshalb eine Charta ausarbeiten lassen, worin die Ziele konkretisiert werden. 17 Punkte enthält die Schrift, welche die SBV-Delegierten an ihrer Versammlung vom 19. November in Bern verabschiedet haben. Man wolle damit die Deutungshoheit über die Volksinitiative behalten, sagte SBV-Präsident Markus Ritter.
In der Charta wird unter anderem gefordert, dass die Bauern ein Einkommen erzielen sollen, das mit jenem anderer Berufe vergleichbar ist. Man wolle nicht die "Working Poor" der Gesellschaft werden, sagte Francis Egger vom SBV an der Delegiertenversammlung.
Bauernpräsident kritisiert Sparpläne
"Hammerschlag", "Affront", "Verstoss gegen Treu und Glauben": SBV-Präsident Markus Ritter ging mit den Sparplänen des Bundesrates hart ins Gericht. Die Landwirtschaft sei der einzige Bereich des Bundeshaushalts, bei dem die Mittel effektiv gekürzt würden. Bundesrat Schneider-Ammann warf Ritter Wortbruch vor: "In der parlamentarischen Debatte zur Agrarpolitik 2014-17 hat er x-Mal betont, dass die Landwirtschaft mit dieser Reform mehr leisten müsse, dafür aber mit einer gleichbleibenden Unterstützung rechnen könne."
Man wolle auch nicht den Grenzschutz ausbauen oder weniger für die Ökologie tun, dämpfte Urs Schneider, Vizedirektor SBV, Befürchtungen von Wirtschafts- und Ökokreisen. Den Einwand, dass alles bereits in der Verfassung stehe, was die Bauern fordern, konterte Schneider: "Wir sind fest der Überzeugung, dass es einen Zusatz auf Verfassungsstufe braucht, der die Ernährungssicherheit abdeckt."
Positive Botschaften
Der Bauernverband hat seine Volksinitiative, die von knapp 150'000 Personen unterschrieben wurde, im Juli 2014 bei der Bundeskanzlei eingereicht. Wann sie zur Abstimmung kommt, ist derzeit noch unklar. Urs Schneider hält einen Termin im Frühjahr 2017 für wahrscheinlich. Der SBV arbeitet derzeit eine Vorkampagne aus, zwei Monate vor dem Urnengang wird dann die Hauptkampagne lanciert. Laut Schneider wolle man langfristig auf einen Erfolg an der Urne hingearbeitet. "Säen und ernten" heisst die Strategie. Die Kampagne soll Emotionen wecken, verknüpft mit positiven Botschaften wie beispielsweise: "Genuss aus der Heimat bewahren" oder "Zukunft der Schweizer Nahrungsmittelproduktion sichern".
Schneider betonte, dass man zwar etwas Gegenwind verspüre, jedoch einige Trümpfe im Ärmel habe. Er erinnerte an die rekordschnelle Sammlung der Unterschriften. Positiv stimme ihn zudem eine Umfrage: 83 Prozent der Befragten unterstützten das Anliegen der Bauern, während lediglich 4,7 Prozent die Initiative ablehnten. Dennoch: Eine erfolgreiche Unterschriftensammlung sei noch kein Garant, so Schneider. Es müsse noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
SBV-Präsident Markus Ritter bezeichnete die Volksinitiative als "Schlüsselprojekt" der Schweizer Landwirtschaft, mit der die Weichen in der Agrarpolitik langfristig gestellt werden sollen. Er zeigte sich überzeugt, dass das Thema Ernährungssicherheit künftig an Bedeutung gewinnt. "In der reichen Schweiz vergisst man gerne, dass immer ausreichend Essen zu haben, keine weltweite Selbstverständlichkeit ist", betonte Ritter.
Bundesrat lehnt Bauern-Initiative ab
Der Bundesrat wollte die Volksinitiative des Schweizer Bauernverbands zunächst mit einem Gegenvorschlag kontern. Er zog diesen aber wieder zurück, nachdem er in der Vernehmlassung durchgefallen war. Die Landesregierung lehnt das Volksbegehren der Bauern ab. Sie hält die Anliegen bereits für abgedeckt in der Verfassung. Gemäss Bundesrat impliziert die Initiative, dass mit der aktuellen Agrarpolitik die landwirtschaftliche Produktion geschwächt wird. Der Bundesrat verneint dies und verweist darauf, dass die Schweizer Landwirtschaft in den vergangenen drei Jahren im Mittel auf Rekordniveau produziert habe.
Die Volksinitiative im Wortlaut
Art. 104a Ernährungssicherheit
1 Der Bund stärkt die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln aus vielfältiger und nachhaltiger einheimischer Produktion; dazu trifft er wirksame Massnahmen insbesondere gegen den Verlust von Kulturland einschliesslich der Sömmerungsfläche und zur Umsetzung einer Qualitätsstrategie.
2 Er sorgt dafür, dass der administrative Aufwand in der Landwirtschaft gering ist und die Rechtssicherheit und eine angemessene Investitionssicherheit gewährleistet sind.
Art. 197 Ziff. 11. Übergangsbestimmung zu Art. 104a (Ernährungssicherheit) Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung spätestens zwei Jahre nach Annahme von Artikel 104a durch Volk und Stände entsprechende Gesetzesbestimmungen.
