
Die Delegiertenversammlung der Branchenorganisation Milch (BOM) war beinahe zu Ende, als Rudolf Bigler, Milchproduzent und Vizepräsident der BOM, zum Mikrofon griff: "Die Schweizer Milchproduzenten bluten aus, die Milchpreise decken die Kosten nicht mehr." In den letzten Monaten habe man einen regelrechten Preiszerfall hinnehmen müssen. Weltweit gesehen gehe es den meisten Milchbauern deutlich besser als den Schweizer Milchbauern. "Wenn Sie in Zukunft noch genügend Rohstoff erhalten wollen, dann fordern wir sie auf, die Richtpreise zu bezahlen, wie sie in der BOM beschlossen werden", appellierte Bigler an die anwesenden Milchverarbeiter. Derzeit seien alle anderen landwirtschaftlichen Produktionsrichtungen lukrativer als die Milchbranche.
Schützenhilfe erhielt Bigler von Berufskollege Bernard Treboux (PMO LRG). Dieser warf in einer schriftlich verteilten Stellungnahme den Verarbeitern ebenfalls vor, sich nicht an die Richtpreise zu halten. Derzeit erhielten die Bauern 60 Rappen pro Kilo Industriemilch, während der Richtpreis bei 68 Rp./kg liege. Die Situation werde immer unerträglicher, viele Bauern würden Verluste einfahren, weil der Milchpreis die Kosten nicht decke.
Das Milch-ABC
mw. Seit 2011 wird Milch in den Segmenten A, B und C gehandelt. Für die Unterteilung entscheidend ist, welche Produkte aus der Milch hergestellt und wo diese abgesetzt werden. Ins A-Segment gehören unter anderem Trinkmilch und Konsumrahm; Produkte, die durch Zölle geschützt sind bzw. die vom Bund gestützt werden durch Verkäsungszulage oder Schoggigesetzgelder. Für A-Milch erhalten die Bauern die höchsten Preise. Tiefer sind sie bei B-Milch. Dazu gehören beispielsweise Quark und Milchmischgetränke, welche nicht durch Zölle geschützt sind und für die es keine staatlichen Zulagen gibt. Am wenigsten Geld erhalten Bauern für C-Milch. Dabei handelt es sich um überschüssige Milch, die zu Butter und Milchpulver verarbeitet wird, die auf dem Weltmarkt verkauft werden. Im letzten Jahr wurde 85,1% der eingelieferten Milch im wertschöpfungsstarken A-Segment verwertet (2013: 89%). Der Anteil B-Milch belief sich auf 13,2%, der Anteil C-Milch betrug 1,7%.
Industriemilch-Lieferanten gehören zu den Verlierern
Sorgen um die Schweizer Milchwirtschaft machte sich auch BOM-Präsident Markus Zemp. "Heute sind die Milchpreise für Molkereimilch auf ein Niveau gefallen, das die Milchwirtschaft als Pfeiler der Schweizer Landwirtschaft bedroht." Die Preise für Molkereimilch tendierten in Richtung 50 Rappen. Höhere Preise erhielten Bauern, deren Milch zu Käse verarbeitet wird. "Noch nie war die Spannweite der Produzentenpreise so gross wie jetzt", so Zemp.
Nicht nur die Milchpreise gaben an der BOM-Delegiertenversammlung zu reden, sondern auch das Segmentierungs-Modell. Dieses stand in den letzten Monaten angesichts sinkender Preise und einer Rekordmilchproduktion 2014 wieder vermehrt am Pranger. Unwirksam sei die Segmentierung, kritisierte Marc Benoît (Prolait), weil sie keinen Einfluss auf Menge und Milchpreise habe. Dem widersprach Markus Zemp: "Tatsache ist, dass dank der Segmentierung der A-Richtpreis um einige Rappen höher liegt, als er ohne Segmentierung wäre." Insgesamt habe die Segmentierung zu einer höheren Wertschöpfung in der Höhe von 100 bis 120 Mio. Franken beigetragen.
Kein Wundermittel
BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler zeigte anhand von Statistiken, dass Richtpreise und ausbezahlte Preise im letzten Jahr gar nicht so weit auseinanderlagen. "Richtpreise sind keine Fantasiepreise, sondern eine Richtschnur, die in der Branche eine grosse Wirkung haben." Punkto Segmentierung sagte Kohler, dass sie kein Wundermittel sei. Grundsätzliche Probleme wie eine zu hohe Milchproduktion oder sehr tiefe Milchpreise könnten nicht mittels Segmentierung gelöst werden. Sie helfe aber, den Markt zu stabilisieren und den Druck auf das A-Segment abzumildern. Er erinnerte daran, dass im letzten Jahr der Richtpreis für A-Milch stabil blieb trotz Rekordmilchproduktion. Kohler verhehlte aber nicht, dass noch Handlungsbedarf besteht. Noch immer würden Mischpreise bezahlt, würden es Verarbeiter mit der Transparenz nicht so genau nehmen.
Lob für Lactofama
mw. Im Frühjahr 2014 haben die Schweizer Milchproduzenten (SMP) und zehn Milchvermarkter die Firma Lactofama AG gegründet. Diese will den Markt stabilisieren, indem sie saisonal überschüssige Milch aufkauft, zu Butter, Milchstreichfett und Milchpulver verarbeiten und ins Ausland exportieren lässt. BOM-Präsident Markus Zemp lobte die Lactofama. "Richtig angewandt, verhindert sie zusätzlichen Preisdruck."