

Es ist einer dieser Tage an denen es nicht tagen will. Der Nebel hat sich dick wie Erbsensuppe über die Nüenalp hoch über Filzbach (GL) gelegt. Doch Christian Beglinger (38) lacht: "Wind und Wetter waren damals einer der Gründe, warum ich z’Alp gehen wollte." Der Glarner bewirtschaftet dieses Jahr zum 20. Mal die Nüenalp. Wind und Wetter, Schnee im August und endlose, unbeschwerte Sommernachmittage sind immer noch gleich und doch hat sich vieles verändert. Inzwischen sind nicht nur seine Frau Rahel (32) und die vier Kinder dazu gekommen. Inzwischen ist die Alp zu einem gleich starken Standbein wie der Talbetrieb mit seinen 30 Hektaren in Glarus-Nord geworden. Während der Sommermonate schaut dort Christians Vater zum Rechten.
Bauern und Unternehmer
Während draussen die Geissen einen "Regenbuckel" machen, erzählen Rahel und Christian wie das alles gekommen ist. Beglinger, der einst dem Terminzwang und der Agenda entfloh, hat heute eine eigene Homepage und Internetempfang auf der Nüenalp. Ausserdem hat er im Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Plantahof Fachkurse für Tourismus und Agrotourismus belegt. Rahel, die gelernte Ergotherapeutin, hat den Sennerinnenkurs gemacht. "Wir sind Bauern aber eben auch Unternehmer, betreiben Marketing und Verkauf und wir haben hier oben 400 Stellenprozente geschaffen", sagt Christian. Nächstes Jahr wollen sie möglicherweise noch einen Koch anstellen. Die Beglingers melken nicht nur 33 behornte Kühe, schauen zu 48 Rindern und den Geissen, die inzwischen vom Nebel verschluckt worden sind. Die Nüenalp ist zu einem Hotel – nun gut, zu einem Bed-and-Breakfast mit Seminarraum – geworden. Zu einer Erlebniskäserei und zu einem Ort, an dem sich vom Schüler bis zum Manager alle wohl fühlen. "Wir werden diesen Sommer rund 1‘000 Gäste bei uns begrüssen", sagt Beglinger.
Ist das nicht zu viel? Schliesslich suchte die Familie mal die Ruhe in der Natur. "Am Leben mit der Natur hat sich nichts verändert", sagt die Bäuerin. Die älteren drei spielen im Freien und kümmern sich weder um Regen noch um dreckige Kleider. Die Mutter schaut ihnen zu und fährt dann weiter: "Das Leben hier oben ist ein einziger, runder Ablauf der Sinn macht. Vom Misten im Stall bis zum Käsen ist alles miteinander verbunden. Mir liegt sehr daran, unseren Gästen einen Einblick in diese Zusammenhänge zu vermitteln und aufzuzeigen, was Alp- und Landwirtschaft bedeutet."
Lockpfosten als Teil der Marketing-Strategie
Vor diesem Hintergrund versteht es sich fast von selbst, dass die Beglingers auch bei der Aktion Lockpfosten mitmachen. Auf dem Talbetrieb stehen die Pfosten schon länger. "Zunächst haben wir gar keine Reaktionen gehabt", sagt Christian. "Doch mit der Zeit kamen die Leute auf uns zu, sagten, dass sie die Kurztexte gelesen und auch ein paar Mal ob der lustigen Wortkombinationen gegrinst haben. Und das sie das Ganze eine gute Sache finden." Und wie es der Zufall so will, gibt der Nebel in diesem Moment einen einsamen Wanderer frei. Einer mit Stemmeisen, Wasserwaage und Akkubohrer im Rucksack, wie es sich bald herausstellt. Der Wanderer ist Othmar Hüppi und er kommt, um zusammen mit Beglinger die Lockpfosten zu setzen. Auf der Alp sind die Lockpfosten neu und ein Mosaiksteinchen mehr in der Kommunikations- und Vermarktungsstrategie der Beglingers.
Viel Direktvermarktung
Während die Männer mit Schaufel, Pickel und Pfosten zugange sind, schwenkt Rahel das Käsechessi vom Holzfeuer, hebt den Bruch heraus und füllt ihn in die Formen. Sie weiss schon heute, dass sie dreiviertel der rund 3,5 Tonnen Alpkäse direkt vermarkten wird und dass so die Wertschöpfung auf der Alp und in der Familie bleibt. Der Rest wird via die Sortenorganisation Glarona vor allem als Pro Montagna-Käse bei Coop vermarktet. "Das mit dem Feuer, dem Chessi und überhaupt den ganzen Käseprozess mach ich so, ob nun Gäste da sind oder nicht", sagt sie. "Es geht darum, echt und authentisch zu sein – zuallererst auch mir selber gegenüber. Aber auch die Gäste würden sofort merken, wenn wir ihnen etwas vormachen." Sie schaut zum Fenster hinaus, wo die beiden Männer gerade den Pfosten mit der Aufschrift "Willkommen" einsetzen. Nach einer Weile meint sie dann: "Wenn du nicht echt bist, die Arbeit nicht gern hast, nicht von dem überzeugt bist was du tust, hilft auch der schönste Lockpfosten nichts."
Die Lockpfosten
Die Lockpfosten sollen in der Bevölkerung Interesse und Respekt für die Landwirtschaft wecken. Lanciert vom Schweizer Bauernverband in Brugg, entwickelt und realisiert vom Landwirtschaftlichen Informationsdienst in Bern, sind es Bauernfamilien in der ganzen Schweiz, welche die Pfosten von Frühling bis Herbst bei sich aufstellen.