
"Wenn jemand in der Region an Lebensmittel denkt, dann soll er an Sambia denken. Dies ist unsere Vision", sagt Evelyn Nguleka, Präsidentin des sambischen Bauernverbandes ZNFU und des Weltbauernverbandes WFO. Ihrer Ansicht nach hat Sambia gute Voraussetzungen, zum künftigen Brotkorb im Süden Afrikas zu werden. Das Nachbarland Simbabwe hat diese Rolle infolge Misswirtschaft verloren.
Der sambische Bauernverband ist überzeugt vom Potenzial der heimischen Landwirtschaft. Dies zeigen auch die eindrücklichen Säulen in Maiskolben-Form, welche die Eingangshalle zum Verbandsgebäude in Lusaka stützen. Mais ist das Grundnahrungsmittel und die Nutzpflanze Nummer 1 in Sambia. "No farmer – no food – no future” so lautet das Credo des ZNFU. Um die Mitglieder, die von Kleinstbauern bis zu den grossen kommerziellen Farmern reichen, zu unterstützen, hat sich die ZNFU verpflichtet, eine nachhaltige und gentechfreie Landwirtschaft zu fördern.
Verband und Politik wie Öl und Wasser
Der Bauernverband bezeichnet sich als politisch neutral und achtet auf eine strikte Trennung zwischen Verband, Politik und Verwaltung. Kein Verbandsfunktionär hat ein politisches Amt inne. Zudem sind die Amtszeiten auf fünf Jahre beschränkt. Die Zusammenarbeit mit der Regierung und Politik beschreibt Bauernverbandsdirektor Ndambo E.M. Ndambo so: "Wir sind wie Öl und Wasser, wir kommen uns sehr nahe, aber wir vermischen uns nicht."
Dennoch betreibt die ZNFU ein professionelles Lobbying und freut sich, wenn der Landwirtschaftsminister Investoren für den Primärsektor ins Land holen und die Infrastruktur verbessern will.
Wasserschloss im Süden Afrikas
Den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Belangen soll in gleichem Masse Rechnung getragen werden, wie Direktor Ndambo sagt. Rund 600'000 Kleinbauern und 800 kommerzielle Farmer sind Mitglieder des ZNFU, zudem Branchenorganisationen, Firmen aus der Agrarbranche und weitere Organisationen. Und das Potenzial sei riesig, schwärmt Ndambo: "Von den 42 Millionen Hektaren bebaubarem Land werden gerade 3 Prozent genutzt."
Bei der Bewässerung sieht es ähnlich aus. Da werden von den 523'000 Hektar bewässerungsfähigem Land erst 155'912 Hektar effektiv bewässert. In einem Land, das über rund 40 Prozent der Wasserreserven im Süden Afrikas verfügt und die gigantischen Viktoria Fälle beheimatet, fragt sich der Besucher, ob nicht mehr Wasser für die Bewässerung der oft staubtrockenen Landstriche genutzt werden könnte.
Die Landwirtschaft Sambias kämpft zudem mit ungenügenden Infrastrukturen, einem tiefen Mechanisierungsgrad, einem beschränkten Zugang zu Finanzen, Märkten und Technologie sowie hohen Ernte- und Lagerverlusten. Dies seien die grössten Herausforderungen, die vom ZNFU-Chef genannt werden.
Mehr Verarbeiten und Junge ansprechen
Landwirtschaftsminister Given Lubinda teilt diese Einschätzung, fügt aber noch zwei Punkte hinzu: die fehlende Verarbeitungsindustrie im Land und das Desinteresse der Jungen, in die Landwirtschaft einzusteigen. "Wir exportieren Jobs, indem wir Mais ins Ausland schicken und Corn Flakes wieder importieren", sagt Lubinda. Man habe viele Arbeitskräfte und müsse die Verarbeitungskapazitäten ausbauen. Obwohl Sambia mehr Mais produziert, als im Land selbst konsumiert wird, denkt er nicht primär daran, nur für den Export zu produzieren, sondern für die Versorgung mit verarbeiteten Produkten im Inland.
Es gibt einige Bespiele chinesischer Investoren, die tausende von Hektaren bewirtschaften, zum Teil die Rohstoffe in Sambia verarbeiten und die Produkte nach China exportieren. Geschaffen werden so nur wenige Arbeitsplätze für Sambier, weil die Chinesen ihre Arbeiter gleich aus der Heimat mitbringen.
Um private Investoren anzulocken, bietet die Regierung mit dem "Farming blocks program" Land für Investoren an. Dieses umfasst 1,1, Millionen Hektar Land, aufgeteilt in 11 Blöcke mit je 100'000 Hektar Fläche. Diese können nicht gekauft werden, sondern werden für 99 Jahre zur Verfügung gestellt. Wer aber eine grössere Farm bauen will, muss oft auch Strassen, Wasser, Stromversorgung und Wohngelegenheiten für Mitarbeiter bauen. Bei grossen Farmen werden meist kleine Spitäler und Schulen eingerichtet. Dies freut zwar die Bewohner, ist aber mit einem hohen finanziellen Einsatz verbunden – den sich nur wenige leisten können.
Agrarminister Lubinda verspricht den Investoren aber, dass das politische System stabil sei und die Investitionen damit sicher. Wegen dieser Stabilität siedelten seit 2004 auch rund 300 weisse Farmer aus Simbabwe nach Sambia um, nachdem sie fliehen mussten.
Grosse Farmen übernehmen Staatsaufgaben
Graham Rae ist einer dieser Grossfarmer, er managt die Zambesi Ranching and Cropping Ltd., mit 30'000 Hektar eine grosse "Commercial Farm", wie sie in Sambia genannt wird. Er hat die Landwirtschaft im Blut, sein Grossvater und Vater – alle waren Farmer. Als er vor 14 Jahren begann, habe nichts funktioniert, erklärt er. Heute beherbergt die Farm 4'000 Rinder, 350 Kühe, 380'000 Mastpoulets, die in jeweils weniger als zwei Monaten gemästet werden. Um die Sicherheit seiner Viehherden im weiten Buschland sicher zu stellen, bewachen 20 Mitarbeiter die Herden. Manchmal kommt es dabei zu Schiessereien mit Viehdieben. Vor kurzem haben Investoren zudem für rund 1,8 Mio. Franken einen modernen Schweinestall für 500 Muttersauen erbaut. Der Stall ist mit Stacheldraht und soliden Zäunen gesichert. Farmmanager Rae sagt, Tierseuchen und mangelnde Futter- und Lebensmittelsicherheit gehörten zu den grössten Bedrohungen der Nutztierhaltung in Sambia.
Bei der Schilderung der Pflanzenproduktion muss Rae studieren, ob der vielen Flächen. Er baut 1'000 Hektaren Soja, 1'000 Hektaren Saatmais, 500 Hektaren Weizen, 470 Hektaren Kartoffeln, aber auch Tabak, Wiesenfutter und Gemüse an. Ein eigenes kleines Spital sorgt für die freie medizinische Versorgung der rund 1'800 Mitarbeiter und ihrer Familien. Zudem investiert er in die Schulbildung und engagiert Lehrpersonen. Er frage sich, wieso er trotz so viel Einsatz für die Gemeinde noch Steuern bezahlen müsse, sagt Raeh.
Neue Kolonialisierung verhindern
Während es nur knapp 1'000 solcher Grossfarmen gibt, sind es vor allem die 1,4 Mio. Kleinbauern, welche die Szene bestimmen. Viele von ihnen sind zufrieden, wenn sie für sich und ihre Familien genügend Nahrungsmittel für den Tag produzieren oder beschaffen können.
Wenn sie sich in Genossenschaften zusammenschliessen, ihre Produktion verbessern und entwickeln würden, müsste Sambia seine Rolle als Brotkorb im südlichen Afrika nicht nur Grossfarmen überlassen. Zahlreiche Initiativen dazu sind im Gange. Diese müssen aber gefördert werden, damit nicht nach der britischen eine zweite – chinesische – Kolonialisierung das Land in erneute Abhängigkeiten stürzt.
Austausch unter Agrarjournalisten
Exposure for Development (E4D) Tours so nennen sich Pressereisen für Journalisten aus dem Norden in Länder des Südens. Sie werden vom Verband der internationalen Agrarjournalisten IFAJ und von Agriterra, einer Entwicklungsorganisation der holländischen Landwirtschaft organisiert. Damit sollen Agrarjournalisten hautnah Einblicke in die Herausforderungen der Land- und Ernährungswirtschaft Afrikas erhalten. Bereits wurden solche Pressereisen nach Tansania, Uganda, Kenya und Sambia organisiert. www.ifaj.org




