Ab 1. März erhält der Bauer noch 87 Rp. für ein Kilogramm Milch, 10 Rp. weniger als bisher. Während der Preisabschlag bei Konsummilch, Rahm und Joghurt voll dem Konsumenten weitergegeben wird, sinkt der Käsepreis lediglich um 50 Rp. je kg. Bei der Butter geht die Preissenkung vollständig zugunsten der Milchrechnung, der Konsument spart nichts.
Die Eidgenössische Preiskontrollstelle (EPK) hat verbindliche Fristen festgelegt: Bis am 4. März muss offene Konsummilch billiger werden, bis am 5. März alle Past-milchen sowie pasteurisierter Rahm. Bis am 13. März müssen alle UHT-Erzeugnisse (Milch-, Magermilch, Rahm, Kaffeerahm, sterilisierter Rahm) sowie Milchgetränke und Frischkäse vergünstigt werden. Die Preisabschläge bei Weichkäse müssen bis spätestens Ende April, jene für Halbhartkäse bis spätestens Ende Juni und jene für Hartkäse bis spätestens Ende September erfolgen. Die beiden Grossverteiler Migros und Coop sowie die Usego-Gruppe wollen nach Auskunft ihrer Pressestellen die Fristen einhalten.
Bauern wieder die Verlierer
Die Schweizer Milchbauern verlieren durch den tieferen Milchgrundpreis jährlich 300 Mio. Fr.; 1996 sind es 250 Mio. Fr., da der Preis erst auf den 1. März gesenkt wird (vgl. Kasten). Zur Kompensation hat der Bundesrat im Januar 299 Mio. Fr. an zusätzlichen Direktzahlungen gesprochen. Diese müssen aber auch die tieferen Abnahmepreise für Brotgetreide sowie die prekäre Lage auf dem Schlachtviehmarkt und die allgemein sinkenden bäuerlichen Einkommen kompensieren. Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten (ZVSM) geht davon aus, dass die Bauern unter dem Strich 100 Mio. Fr. im Jahr verlieren. "Das laufende Jahr wird für die Bauern sehr schwer werden", erklärte im Januar Hans Burger, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW).
Keine Freude bei den Produzenten
"Von Seiten der Milchproduzenten darf nach den Preisbeschlüssen des Bundesrates kein Applaus erwartet werden", stellt Samuel Lüthi, Direktor des ZVSM, klar. Er hofft aber, dass die Konsumenten die Anstrengungen der Bauern durch einen höheren Konsum honorieren werden. Der ZVSM hätte es gerne gesehen, wenn die Preissenkung auf die gesamte Produkte-Palette übertragen worden wäre, damit die Nachfrage noch stärker angekurbelt worden wäre.
Ein halbes Prozent Entlastung für die Konsumenten
Der tiefere Milchpreis entlastet die Bundeskasse nach den Berechnungen des Bundesrates um rund 150 Mio. Fr. im Jahr. Daneben profitiert der Konsument von den tieferen Preisen. Zusammen mit der Preissenkung für Brotgetreide und den deutlich gefallenen Fleischpreisen rechnet der Bundesrat mit einem Einsparungspotential für die Konsumentinnen und Konsumenten von 0,5 %. LID
8000 Fr. Ersatz für Verluste in der Höhe von 32,000 Fr.
lj. "1996 werden wir auf unserem Betrieb, der bisher zweieinhalb Arbeitskräfte beschäftigen konnte, 32,000 Fr. weniger Verkaufserlös haben als in andern Jahren", schätzt IP-Bauer Jürg Wartmann aus Märstetten/TG. Wartmanns Betrieb verfügt über ein Milchkontingent von 120,000 Kilogramm im Jahr. Die Milchpreissenkung bewirkt bei ihm also einen Verlust von 12,000 Fr. Weitere 6000 Fr. verliert Wartmann durch die abgesackten Kuhpreise. Fünf Tiere verkauft er durchschnittlich in einem Jahr. "Eine Kuh ist heute 1200 Fr. weniger wert als noch vor kurzer Zeit", staunt Wartmann. Auch die Kälberpreise sind im Keller. Die Einbusse pro Tier beziffert der Landwirt auf 300 Fr. Wenn Wartmann gut 30 Kälber im Jahr aufzieht und verkauft, löst er 10,000 Fr. weniger. Die Preissenkungen beim Getreide (10 Fr. pro Dezitonne) und bei den Zuckerrüben (15 Fr. pro Tonne) machen 4000 Fr aus.
8000 Fr. Kompensation dank Anstrengungen in der Vergangenheit
"Bereits vor einigen Jahren haben wir die Tierbestände auf unserem Hof massiv abgebaut", erzählt Wartmann. Der Viehbestand sank um knapp die Hälfte, die Schweinemast wurde ganz aufgegeben. So konnte die Familie auf "Kontrollierte Freilandhaltung" und "Besonders tierfreundliche Haltung" umstellen, die Tiere geniessen grosse Bewegungsfläche, täglichen Auslauf und eine weiche Einstreu. Die Bundesbeiträge für die beiden Programme wurden für 1996 um je 1560 Fr. erhöht. "Das sind 3000 Fr. an zusätzlichem Einkommen, die aber lange nicht allen Bauern einfach so offen stehen", meint Wartmann. Daneben gewährt der Bund der Familie Wartmann 1500 Fr. mehr an allgemeinen Direktzahlungen und zusätzliche 3500 Fr. für die Integrierte Produktion. Unter dem Strich gehen 1996 der Familie 24,000 Fr. bachab. "Trotz Ausschöpfung aller ökologischen Beiträge sind solche Verluste für uns auf die Dauer nicht verkraftbar", zieht Wartmann Bilanz.
Bangen um die Zukunft
Um in der Zukunft bestehen zu können, wollen Wartmanns wo immer es geht rationalisieren um günstiger produzieren zu können. Weitere Möglichkeiten sehen die Bauern in Label-Produktionen, Lohnunternehmungen, tieferen Kosten beim Maschinen- und Gebäudeunterhalt, überbetrieblichem Maschinen- und Arbeitseinsatz und in bezahlter Arbeit für die Gemeinde, beispielsweise mit der Pflege des Dorfbaches. "Wir sind uns aber bewusst, dass wir den Gürtel enger schnallen und unsere Ansprüche tiefer ansetzen müssen", erklärt Wartmann. Was ihm am meisten weh tut, ist aber die Tatsache, dass er seinem 12-jährigen Sohn das Erlernen des Bauernberufes nicht mehr einfach so empfehlen kann. LID