"Nebeneinander von biologischem Landbau und Gentechnik" war das Thema, über das an einer Podiumsdiskussion vom 19. Oktober an der Olma diskutiert werden sollte. Obwohl vom Wirtschaftsjournalisten Beat Glogger souverän geleitet, wurde daraus zeitweise eine wenig ergiebige Grundsatzdiskussion über Fortschritt und Risiko. Podiumsteilnehmer waren vier Gentechnik-Befürworter und nur ein Gegner, Organisatorin war – aha! – die Gentech-Lobbyorganisation Internutrition.
Ausgangspunkt für die Diskussion: Der Bundesrat hat Anfang Oktober die Koexistenzverordnung in die Vernehmlassung gegeben. Darin ist vorgesehen, dass die Firmen, die die Bewilligung für den Anbau und Vertrieb von Gentechsaatgut vom Bund erhalten haben, also etwa Syngenta, die volle Verantwortung dafür tragen, dass in der konventionellen Produktion keine Vermischung mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) stattfindet. Gleichzeitig ist der Abstimmungskampf zur "Gentechfrei-Initiative" in vollem Gang. Das in der Initiative verlangte fünfjährige Moratorium wird von den Befürworten als Chance gesehen, das Thema Gentechnik in der Landwirtschaft in der Schweiz ein für allemal zu versenken, die Gegner sehen dadurch die Forschung in diesem Bereich gefährdet.
Biobauern trauen dem Gesetzgeber nicht
Der einzige Gentech-Gegner auf dem Podium, Biobauer Heinrich Elliker aus Frauenfeld, warnte davor, dass die konkrete Anwendung von GVO-Pflanzen in der Schweiz zu einem enormen Zusatzaufwand führen würde. So müsse für den Biolandbau schon beim Saatgut GVO-Freiheit gewährleistet sein. Nach der GVO-Maisernte beispielsweise müsse der Maishäcksler gründlich gereinigt werden, damit keine Rückstände mehr vorhanden sind, wenn der Biomais gehäckselt wird. "Auf allen Stufen entsteht ein enormer Zusatzaufwand", sagte er. Die Koexistenzverordnung sei ja jetzt erst in der Anhörung und zum Zeitpunkt, da über das Moratorium abgestimmt werde, noch gar nicht unter Dach und Fach. Deshalb sei es wichtig, erstmal einen Stopp zu machen, falls in der Verordnung dann trotzdem ganz andere Dinge stünden, die den Biolandbau noch mehr in Bedrängnis brächten, fand Elliker.
Warenflusstrennung kein Problem
Hanspeter Schwendener, Landwirt aus Buchs und Gentechnikbefürworter, erklärte, man habe ja heute bereits getrennte Warenflüsse zwischen Bioprodukten und konventionellen Produkten, was im Gentechnikgesetz verlangt werde, sei also nicht neu. Und auch Walter Müller, FDP-Nationalrat und Landwirt aus dem sanktgallischen Azmoos, sah kein Problem: Dass in der Schweiz im grossen Stil GVO-Mais angebaut werde, so dass es für den Biolandbau zum Problem werde, sei sowieso nicht realistisch. Allenfalls könne er sich vorstellen, dass ganze Regionen sich in der Schweiz gemeinsam für oder gegen Gentechnik entschieden. Ausserdem falle der zusätzliche Aufwand ja bei den Verursachern an und auch allfällige Schäden würden von diesen bezahlt, Elliker habe also gar nichts zu befürchten.
Arthur Einsele von Internutrition erklärte, bei der Koexistenzverordnung müssten die Saatgutunternehmen die Kröte schlucken, dass sie die volle Verantwortung trügen. Sie würden also haften, auch wenn "das Produkt an sich perfekt" sei. Dass Syngenta dies akzeptiere, sei nur möglich, weil man sich absolut sicher sei, dass nichts passieren könne.
Maispollen kommt nicht weit
wy. Ein Team der ETH Zürich unter der Leitung von Professor Peter Stamp führte 2003 und 2004 in den Kantonen Zürich, Uri und Zug eine Auskreuzungsstudie durch. Statt mit GVO-Mais wurde mit weissen und gelbem Mais gearbeitet, wobei der weisse Mais für die konventionelle Produktion stand und der gelbe für GVO-Mais. Die Kolben der weissen Sorte setzten ein gelbes Korn an, wenn die entsprechende Blüte von einem Pollen aus einem gelbkörnigen Nachbarfeld befruchtet wurde. Zwischen den Feldern im Urner Reusstal gab es unterschiedliche Abstände von 52 Metern bis zu 4,440 Metern. Laut den Forschern blieb die Auskreuzungsrate in allen Fällen unter 0,017 Prozent. Die Koexistenzverordnung verlangt einen Höchstwert von 0,5 Prozent.
Der Markt entscheidet
Skeptisch bezüglich der Koexistenz äusserte sich Josef Wüest vom Schweizerischen Bauernverband, der ebenfalls im Publikum sass. Er zeigte sich vor allem besorgt über den Zusatzaufwand und die zusätzlichen Kosten, die auf die Bauern zukommen. Landwirt Walter Müller kritisierte, das sei veraltetes Denken. Wenn Gentech-Pflanzen sich für die Bauern nicht rechneten, dann kämen sie eben gar nicht zum Einsatz. Hier entscheide der Markt, was gehe und was nicht.
Der Markt entscheidet: Das gilt auch im Ladengestell. Franziska Troesch, Präsidentin des Konsumentenforums, erklärte in St. Gallen, bei den Umfragen seien zwar 80 Prozent der Befragten jeweils gegen Gentechnik. Gleichzeitig sei ein grosser Teil aber immer auch dagegen, dass man Gentechnik ganz verbiete. Die Konsumenten wollten Wahlfreiheit und dafür setze sich auch das Konsumentenforum ein. Die Konsumenten sähen vorläufig noch keinen konkreten Nutzen in der Gentechnik, möglicherweise sähe es ganz anders aus, wenn bereits Lebensmittel in den Läden zu finden wären, die billiger, besser oder haltbarer seien. Etwa Karotten, die garantiert nicht von der Schwarzfäule befallen sind und nach ein paar Tagen schwarz werden.
Peter Stamp, Professor für Pflanzenbau an der ETH, sah bezüglich Koexistenz in der Schweiz wenig Grund zur Beunruhigung. Versuche im Urnertal unter seiner Leitung hätten gezeigt, dass bei einer Distanz über 50 Meter nur noch sehr wenige Maispollen in ein benachbartes Feld gelangten (siehe Kasten). 50 Meter schlägt die Forschungsanstalt Agroscope FAL als Isolationsabstand zwischen GVO-Mais und konventionellem Mais vor.
Ängste in der Bevölkerung
Im Verlauf der Diskussion zeigte sich auch, welche Ängste bei der Bevölkerung vorhanden sind: "Früher hat man uns die Kernkraft als die Lösung für das Energieproblem verkauft oder das Pflanzenschutzmittel DDT als die Lösung gegen Schädlinge", ereiferte sich eine Zuhörerin, "und heute will man uns die Gentechnik verkaufen." Und Elliker störte sich daran, dass biologische Grenzen überschritten werden: "Bei der Gentechnik werden artfremde Gene in einen Organismus eingebracht, das passiert bei der konventionellen Pflanzenzüchtung nie."
Hanspeter Schwendener dagegen konnte keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Gentechnik und konventioneller Züchtung erkennen – ausser dem Tempo: Wenn der Mensch im Verlauf von Jahrtausenden aus dem Wolf beispielsweise einen Pudel heranzüchte, dann sei das für die Gentechgegner in Ordnung, wenn das gleiche dank Gentechnik innerhalb von ein paar Jahren passieren würde, wäre es ein Verbrechen.
Schon die konventionelle Züchtung habe extrem viel verändert, sagte auch Stamp. Hier sei man ebenfalls immer Risiken eingegangen, ohne Risiken gehe es gar nicht. So sei etwa die Kartoffelzucht mit der Einkreuzung von Wildkartoffeln ein Risiko gewesen, weil man nicht gewusst habe, ob in den neuen Knollen nicht auch giftige Stoffe entstünden. Ferner würden die Erträge im Pflanzenbau seit Jahrzehnten durch Zuchtfortschritt stark verbessert. Dadurch sei es möglich, mehr Menschen zu ernähren. "Wir alle sind Kinder dieser Entwicklung, und die Entwicklung geht weiter."
Siehe auch: "Koexistenz: Der Ball liegt bei den Firmen" im LID-Mediendienst Nr. 2736 vom 6. Oktober 2005