Bioprodukte weisen heute einen Anteil von rund zwei Prozent am gesamten Lebensmittelumsatz in der Schweiz auf. Die Bio Suisse rechnet zwar mittelfristig mit einer Steigerung auf 5 Prozent, was aber nichts am Nischendasein der Bioprodukte ändert. Mit der Frage, wie mit biologisch und nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln grössere Teile der Bevölkerung erreicht werden können, hat sich in den letzten Jahren ein Nationalfondsprojekt beschäftigt. Die Ergebnisse zeigen, dass nachhaltige Ernährung als Ziel zwar schwierig, aber nicht unmöglich zu erreichen ist.
Dafür bieten sich einerseits regionale Organisationen an, wie sie in den letzten Jahren überall in der Schweiz entstanden sind: "Natürlich Aargau", "Ämmitaler Ruschtig", Agromarketing Thurgau, "Natürlich aus Graubünden", um nur ein paar wenige zu nennen. Diese können in ihrer Region für den Absatz der eigenen Produkte werben und damit gleichzeitig – bewusst oder unbewusst – eine nachhaltigere Ernährung fördern. Andererseits geht es darum, die biologischen und nachhaltigen Produkte selber besser zu vermarkten und in die boomenden Marktsegmente zu schleusen, zum Beispiel in den Bereich Convenience Food, also Nahrungsmittel, die rasch zubereitet sind.
Regionalmarketing bietet Möglichkeiten ...
Im Rahmen des Nationalfondsprojekts wurden mehrere innovative Organisationen im Bereich regionale Produktvermarktung genauer untersucht, darunter das Gemeinsame Agrarmarketing Aargau (GMA) mit der Marke "Natürlich Aargau", ursprünglich ein Konglomerat von bereits etablierten landwirtschaftlichen Verbänden, inzwischen angewachsen auf fast 1,000 Mitglieder. Bei GMA stehen zwar klar wirtschaftliche Überlegungen im Zentrum. Dadurch, dass die ganze Produktionskette regional läuft und lange Transporte wegfallen, werden aber auch ökologische Kriterien erfüllt.
Das regionale Marketing ermöglicht es, die Konsumenten im direkten Gespräch auf die eigenen Produkte aufmerksam zu machen und damit auch auf ökologische Kriterien zu sensibilisieren, im Gegensatz zur anonymen Massenwerbung bei Coop und Migros. "GMA hat gute Öffentlichkeitsarbeit geleistet", meint Simone Maier, Mitarbeiterin am Nationalfondsprojekt. Der hohe Bekanntheitsgrad der Marke "Natürlich Aargau" wurde durch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts link bestätigt.
... hat aber auch seine Grenzen
Allerdings zeigen sich auch die Grenzen von regionalen Projekten. Eine regionale Produktion, Verarbeitung und Vermarktung bedeutet auch eine Einschränkung auf regionale Ressourcen. So können etwa Produzenten, die sich nur knapp ausserhalb des Einzugsgebiets eines Regionalprojektes befinden, nicht mit einbezogen werden. So kann es sein, dass ein Mischsalat, der auch Salate von jenseits der Grenze enthält, nur von den beteiligten Produzenten vermarktet wird und die regionale Marke (eben zum Beispiel "Natürlich Aargau") nicht trägt.
Ausserdem steht eine Regionalisierung des Sortiments dem Bestreben der Grossverteiler entgegen, die Verwaltung möglichst zu zentralisieren und die Verteilung möglichst zu rationalisieren. Wie Simone Maier erläutert, hatte "Natürlich Aargau" Mühe, ihre Produkte bei Coop unterzubringen, weil für Coop der lokale Einkauf und auch die lokale Verteilung einen Zusatzaufwand bedeutete. Immerhin finden sich in den Coop-Filialen im Aargauischen drei regionale Milchprodukte, die von der Aargauischen Zentralmolkerei hergestellt wurden. Allerdings besteht etwa die "Natürlich Aargau"-Milch nur zu 70 bis 80 Prozent tatsächlich aus Aargauer Milch, weil zu wenig Milch vorhanden ist.
Die kleinen Regionalmarketing-Projekte (untersucht wurden im Teilprojekt des Geografischen Instituts der Uni Bern beispielsweise der "Ökomarkt Graubünden", "FRIOBA" im Freiburgischen oder "Wiistanner Fazenettli" im St. Galler Weisstannental) haben solche Probleme weniger, sie setzen bewusst auf die regionalen Absatzkanäle und müssen entsprechend weniger Kompromisse eingehen.
Convenience-Boom auch für Bioprodukte?
Eine zweite Möglichkeit, nachhaltige Ernährung bei einem Grossteil der Bevölkerung zu fördern, besteht darin, die Bioprodukte für den Convenience-Bereich anzubieten und damit breitere Bevölkerungsschichten zu erreichen. Coop bietet solche Produkte (Teigwaren, Burger, Pizzen, Gemüseplätzli) bereits an, in der Migros beschränkt sich die Auswahl auf Ravioli-Sorten.
Auch hier ergeben sich allerdings Probleme: Bei Bio-Produkten sind die Mengenschwankungen je nach Wetter und Saison grösser als bei konventionell produzierten, was bedeutet, dass die Abnehmer mehr Planungsaufwand und mehr Lagerkosten haben, um Lieferengpässe zu vermeiden. Noch wichtiger aber ist, dass neue Convenience-Produkte mit biologisch produzierten Rohstoffen anders hergestellt werden müssen. Sei es, weil die konventionellen Zusatzstoffe, etwa zur Konservierung, von der Bio Suisse verboten sind, oder weil die biologischen Zusatzstoffe, die erlaubt wären, auf dem Markt nicht vorhanden sind. Die Bedingungen der Bio Suisse sind restriktiver als die Bio-Verordnung des Bundes. Um Bio-Produkte in den Convenience-Markt bringen zu können, sind die Produzenten also auf die Lernfähigkeit und die Flexiblität der Industrie angewiesen. Deren Flexibilität wiederum steigt mit den Umsatzerwartungen.
Wege zur nachhaltigen Ernährung
wy. Das Integrierte Projekt Gesellschaft I, ein Teil des Schwerpunktprogrammes Umwelt des Schweizerischen Nationalfonds, hat aus sozialwissenschaftlicher Perspektive Wege aufgezeigt, wie bei der Schweizer Bevölkerung eine Ernährung gefördert werden kann, die umwelt- und ressourcenschonend ist. Das Projekt gliedert sich in Teilprojekte, die sich innerhalb von verschiedenen Disziplinen dem Thema annäherten, von Wirtschaftspolitik und Betriebswirtschaft über Bildung, Öffentlichkeitsarbeit und Beratungslehre bis hin zu Psychologie und Ökobilanzierung. Gestartet wurde das Projekt 1996, im Februar 2000 erschien der Schlussbericht, der die Ergebnisse aus allen Teilprojekten zusammenfasst.
Kontaktadresse für weitere Informationen: Institut für Wirtschaft und Ökologie an der Universität St. Gallen, Frau Simone Maier, Tigerbergstr. 2, CH-9000, St. Gallen, E-mail: Simone.Maier@unisg.ch, Internet: http://www.ipgesellschaft.ch
Weniger Zeit und weniger Ökobewusstsein
Eine weitere Schwierigkeit zeigt sich beim Absatzmarkt: Die Forscherinnen des Teilprojektes Psychologie (siehe Kasten) haben herausgefunden, dass diejenigen Konsumenten, die wenig Zeit haben, nicht unbedingt gewillt sind, für ökologische Produkte mehr zu zahlen. Ausserdem seien im Convenience-Bereich für die meisten Konsumenten geschmackliche Kriterien wichtiger als ökologische.
Angesichts dieser Hindernisse stellt sich die Frage, ob das Ziel, vermehrt biologische Produkte für den Convenience-Bereich anzubieten, überhaupt realistisch ist. Bei Coop wird dies klar bejaht. NaturaPlan-Convenience-Produkte, die seit 1995 im Sortiment sind, boomen und die Palette wird stetig ausgebaut. "Der Umsatz konnte 1999 auf 16,6 Mio. verdreifacht werden und bis 2001 erwarten wir eine weitere Verdoppelung", meint Karl Weisskopf, Pressesprecher bei Coop. Die Label-Bestimmungen über mögliche Verfahren seien inzwischen etwas lockerer, damit habe sich Coop auch dem grösseren Kreis von Bio-Konsumenten angepasst, der sich doch unterscheide von den als "Körnlipicker" verschrieenen Kunden in den Anfangsjahren von NaturaPlan.