
Ihre Existenz stehe auf dem Spiel, erklärte Schweinehalterin Fabienne Wyder, die in Büren an der Aare einen auf Schweinekernzucht spezialisierten Betrieb leitet. Mit 56 Muttertieren und insgesamt 700 Schweinen sei man international gesehen ein Kleinstbetrieb. «Doch nicht einmal wir erfüllen die Auflagen der Initiative», so Wyder. Es bräuchte unter anderem viel mehr Stallfläche für dieselbe Anzahl Tiere. Laut Wyder müssten 95 Prozent der Betriebe mit Zuchtsauen komplett umbauen, was in vielen Fällen gar nicht möglich sei. Die 25 Jahre Übergangszeit würden zwar nach viel klingen, aber effektiv greife dies bereits am Tag nach der Abstimmung, sobald am Stall Neuerungen anstünden. «Denn solche hohen Investitionen haben eine Abschreibungsdauer von 25 Jahren», erklärte Wyder. Die Schweinehalterin wies auch darauf hin, dass die Schweinebranche bereits heute doppelt so viel Label-Fleisch produziere wie verkauft werden könne. «Es sind also nicht wir, die auf die Bremse stehen», sagte Wyder.
Den Schweizer Bauernfamilien liege das Tierwohl am Herzen, betonte auch Bauernverbands-Präsident und Nationalrat Markus Ritter im Medienzentrum des Bundeshauses. Die Schweiz verfüge über ein einzigartig strenges Tierschutzgesetz. «Der EU sind wir um Meilen voraus», so Ritter. Und wenn Konsumentinnen und Konsumenten auch die Schweizer Verhältnisse noch beengend fänden gebe es unzählige Label, die über das Gesetz hinausgingen, so der Bauernpräsident. Aber: «Das Tierwohl scheint bei viele Menschen spätestens an der Ladenkasse zu enden.» Das Angebot sei da, aber Labels hätten einen tiefen Marktanteil, bestätigte er die Aussagen Wyders.

Die Entwicklung in der Landwirtschaft zeige, dass es jedes Jahr Fortschritte gebe, erklärte FDP-Ständerätin Johanna Gapany. Es seien noch Fortschritte möglich und es brauche ein Nein zur Initiative, um weiterhin in die richtige Richtung zu gehen. «Denn im Gegensatz zu dem, was uns die Initiative glauben lassen will, ist es nicht möglich, eine so strenge Importregelung einzuführen, ohne unsere Verpflichtungen gegenüber der WTO zu verletzen», so die Ständerätin. Sie plädiert dafür relevante, sinnvolle Massnahmen statt «eine willkürliche Zahl einzuführen», wie etwa die Beschränkung auf 2000 Legehennen pro Betrieb. «Wenn die Initianten gewinnen, verliert die Schweiz», so Gapany auch im Hinblick auf befürchtete teurere Preise.
Wirtschaftliche Folgen fürchtet auch Christoph Mäder, Präsident von economiesuisse. «Mit der vorgesehenen staatlichen Angebotsregelung verstösst die Initiative gegen die Prinzipien des freien Marktes», so Mäder. Es solle offensichtlich die Wahlfreiheit genommen und ein Angebot erzwungen werden, für das nicht genügend Nachfrage bestehe. Die vorgesehene Einfuhrregelung sei problematisch, besonders für exportorientierte Unternehmen, warnte Mäder. Denn die Forderungen der Initiative seien nicht WTO-konform und stünden in Konflikt mit EU-Verträgen. Andere Länder könnten den Spiess umdrehen und für Schweizer Produkte zusätzliche Anforderungen stellen oder diese zu diskriminieren beginnen. Die Initiative gefährde damit die gesamte Schweizer Wirtschaft.
Wenn sie die Argumentation der MTI-Befürworter lese, wähne sie sich in einem Schurkenstaat, in dem die landwirtschaftliche Tierhaltung gesetzeswidrig, ungeregelt und intransparent vonstattengehe, sagte Babette Sigg, Präsidentin des Konsumentenforums. Die Realität sehe zum Glück deutlich besser aus und dank eines strengen Gesetzes und darüberhinausgehenden Labels gebe es für die Konsumentinnen und Konsumenten eine Auswahl. Auch der von der Initiative verlangte Standard bestehe bereits. «Aber die Initiative verlangt von unseren Fleischproduzenten Produkte, die nicht abgesetzt werden können», so Sigg. Den Konsumentinnen und Konsumenten solle nicht durch staatliche Massnahmen befohlen werden, was sie zu kaufen und zu essen hätten.

Als unglaubliche Zwängerei und als gefährlich für die Schweiz bezeichnete auch SVP-Präsident und Ständerat Marco Chiesa die Initiative. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg hätten gezeigt, dass in der Krise jedes Land zunächst für sich selbst schaue. Die Initiative jedoch gefährde die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Lebensmitteln. Eine geringere Produktion würde die Abhängigkeit vom Ausland noch vergrössern, Import von Fleisch und Käse in grösseren Mengen fürchtet Chiesa als Folge. «Die Folge der Initiative wäre weniger Produktion in der Schweiz, dafür mehr Importe aus dem Ausland», so der SVP-Präsident. Mit einem Nein zur Initiative helfen man, die Versorgung der Schweiz mit einheimischen Lebensmitteln zu sichern.
Die befürchteten Mehr-Importe sind ebenso Mitte-Nationalrat und Gewerbeverbands-Präsident Fabio Regazzi ein Dorn im Auge. Ein Rückgang der Fleischproduktion bei stabiler Nachfrage führe zu Importen und einer Verschiebung der Produktion ins Ausland und damit auch einer Auslagerung der negativen Effekte für die Umwelt. «Tausende Arbeitsplätze in der Land- und Ernährungswirtschaft wären gefährdet», so Regazzi. Dieser unvermeidlich eintretende Verlust von Arbeitsplätzen würde ihn als Wirtschaftsvertreter besonders schmerzen.
Aus einer sozialpolitischen Perspektive für gefährlich hält Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger die Initiative. Diese hätte eine starke negative Auswirkung auf die Kaufkraft der Bevölkerung, da sie hohe Mehrkosten in der Produktion verursachen würde. «Tierische Lebensmittel würden um 20 bis 40 Prozent teurer und das Portemonnaie der Konsumentinnen und Konsumenten mit rund 1800 Franken jährlich zusätzlich belasten», so Gmür-Schönenberger. Dies sei unsozial und hochgradig unsolidarisch, da es zuallererst die Ärmsten der Gesellschaft treffen würde. «Gesellschaftlich würde uns diese Initiative um Jahrzehnt zurückwerfen, in eine Zeit, als es für Menschen in der Schweiz nicht selbstverständlich war, jeden Tag genug zu essen zu haben», so die Mitte-Ständerätin.
