"Grosse Agrokonzerne investieren nicht in biologischen Pflanzenschutz", stellt Franz Bigler fest. Deshalb würden biologische Pflanzenschutzmassnahmen auch in den nächsten Jahren eine Nische bleiben. Bigler hat an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau (FAL) knapp zwanzig Jahre im Bereich biologischer Pflanzenschutz geforscht. Dass Feuerbrand zur Zeit nur mit biologischen Mitteln bekämpft werden darf, holt den biologischen Pflanzenschutz auch nicht aus der Nische. Bigler schätzt, dass beim Pflanzenschutz höchstens zwei von 100 Franken für biologische oder biotechnische Verfahren ausgegeben werden. Insgesamt haben die Schweizer Bauern für Mittel gegen Unkräuter, Krankheiten und Insekten 1999 rund 123 Millionen Franken bezahlt.
Biologischer Pflanzenschutz wird vor allem gegen Insekten und in kleinerem Umfang gegen Krankheiten angewendet. Unkräuter werden in erster Linie durch Massnahmen im Anbau und Hacken, Striegeln oder Abflammen bekämpft.
Den Feind des Feindes benutzen
Einige Erfolgsstorys kann der biologische Pflanzenschutz aber dennoch vorweisen, vor allem in Spezialkulturen wie Wein, Gemüse, Obst und Zierpflanzen. Auf dem Acker kann bis heute nur der Maiszünsler auf grösseren Flächen mit Nützlingen in Schach gehalten werden. "Von 12,000 bis 15,000 Hektaren, auf denen der Maiszünsler bekämpft werden sollte, werden auf rund 5,000 Hektaren Schlupfwespen angewendet", sagt Bigler auf Grund von Firmenangaben. Die Schlupfwespe, Trichogramma brassicae, ist ein natürlicher Feind des Maiszünslers. Die Schlupfwespen-Weibchen legen ihre befruchteten Eier in die Eier des Maiszünslers. Die Larven ernähren sich dann von den Maiszünsler-Eiern und töten diese ab. Aus den Larven schlüpfen später neue Trichogrammen, welche die Maispflanzen wieder nach Maiszünsler-Eiern absuchen.
"Die Methode hat sich durchgesetzt, weil chemische Bekämpfungsmethoden kaum angewendet werden können", erklärt Regina Burger von der Abteilung Nützlinge der Landi Basel. Wenn der Schädling Ende Juni bekämpft werden sollte, ist der Mais schon so hoch, dass das Feld nicht mehr mit dem Traktor befahren werden kann. Die Landi Basel ist die wichtigste Anbieterin von Trichogrammen in der Schweiz. Angeboten wird der Nützling auch von der Omya AG (bis Oktober 2000 Plüss-Staufer) in Oftringen und der Andermatt Biocontrol AG in Grossdietwil.
Quelle: FAL |
Biologische Methoden sind gut für das Image
Entwickelt wurde die Methode ab Mitte der 70er Jahre an der FAL, die Basiszucht war bis vor zwei Jahren im Reckenholz. Die Schweiz war das erste westeuropäische Land, das Trichogrammen freiliess. Die Idee kam aber aus Russland, die Trichogrammen aus Frankreich, "Es war nicht einfach, eine Firma zu finden, welche die Schlupfwespen vermehrt und verkauft", erinnert sich Franz Bigler. Schliesslich hat 1978 der Nordwestverband, damals einer von neun Genossenschaftsverbänden, diese Aufgabe übernommen. Eingerichtet wurde die Vermehrung in der Landi Basel. Traditionelle Hersteller von Pflanzenschutzmitteln zeigten kein Interesse an dieser biologischen Methode.
Das hat sich heute teilweise geändert. "Auch in Nischenmärkten lässt sich Geld verdienen", bemerkt Wulff Hansen, bei Omya für die Produktentwicklung im Bereich Landwirtschaft zuständig. Seit 1992 vertreibt die Firma Trichogrammen. Seine Firma gehört zu den grossen Anbietern von Nützlingen für das Gewächshaus und von Hummeln für die Bestäubung. "Ein Sortiment im Bereich biologischer Pflanzenschutz ist auch gut für das Image der Firma", ergänzt Wulff.
Hummeln zur Bestäubung und Nützlinge gegen Schädlinge bei Gemüse und Zierpflanzen im Gewächshaus vertreibt seit 1985 auch Leu&Gygax. Nutzinsekten gehören heute dazu, auch wenn sie nur einen kleinen Teil der Aktivitäten ausmachen. "Die Firmen haben Erfolg, weil sie nicht nur Nützlinge, sondern auch die dazugehörende Beratung anbieten", meint FAL-Forscher Bigler. Denn Schädlinge mit Nützlingen in Schach zu halten ist anspruchsvoller, als ein chemisches Mittel zu spritzen. Dennoch haben sich Nützlinge im Gewächshaus bei Gemüse- und Zierpflanzengärtner durchgesetzt. Dazu beigetragen hat, dass Nützlinge beim MigrosSano-Programm ein Muss waren. In rund der Hälfte der Tomaten-, Gurken und Weihnachtssternkulturen wird heute das Prinzip "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" angewendet. Biologischer Pflanzenschutz wird heute auch ausserhalb des Biolandbaus angewendet bei Produkten wie Obst und Gemüse, bei denen Konsumentinnen und Konsumenten sensibel auf Pflanzenschutzmittelrückstände reagieren, oder wenn Resistenzen entstehen.
Biologische Bekämpfung im Überblick
LID. Werden Insekten, Milben, Nematoden, Bakterien oder Viren eingesetzt, damit Schädlinge keinen zu gros-sen Schaden in einer Kultur anrichten können, spricht man von biologischem Pflanzenschutz. Solche Massnahmen wollen die Schädlinge nicht ganz vernichten, sondern ihre Vermehrung soweit einschränken, dass der wirtschaftliche Schaden begrenzt ist. Anders als bei konventionellen Methoden gibt es weniger Probleme mit Resistenzbildung. Läuse können zum Beispiel keine Strategie entwickeln, damit sie nicht mehr von Marienkäfern gefressen werden.
Werden nicht Organismen selbst, sondern nur bestimmte wirksame Stoffwechselprodukte eingesetzt, zum Beispiel Pheromone (Duftstoffe), so spricht man von biotechnischen Verfahren. Das wichtigste ist heute die Verwirrungstechnik, die vor allem im Obst- und Weinbau angewendet wird.
Bei den "klassischen" biologischen Verfahren kommen Räuber, Parasiten und Krankheitserreger zum Einsatz. Unter Räubern (zum Beispiel Raubmilben) versteht man Tiere, die sich von anderen Tierarten ernähren. Zu den Parasiten gehören Organismen, die sich auf Kosten eines so genannten Wirtes entwickeln (zum Beispiel Schlupfwespen). Als Krankheitserreger bezeichnet man Pilze, Bakterien und Viren, die in ihrem Wirt Infektionen hervorrufen und ihn so schwächen oder töten (zum Beispiel Beauveria-Pilze).
Eine weitere Methoden im biologischen Pflanzenschutz ist, die natürlich vorhandenen Nützlinge zu fördern. So schaffen Hecken und Brachflächen gute Lebensbedingungen. Auf chemische Pflanzenschutzmittel verzichten oder nützlingsschonende Mittel anwenden, schont die vorhandenen Nützlinge.
Duft verwirrt Männchen
Eine weitere Erfolgsstory ist die Verwirrungstechnik, ein so genanntes biotechnisches Verfahren. Im Weinbau ersetzt das seit 1996 bewilligte Verfahren zur Zeit auf knapp einem Drittel der Fläche Spritzungen gegen Traubenwickler, im Obstbau wird sie auf acht Prozent der Fläche gegen Apfelwickler eingesetzt. "Der Einsatz wird in Apfelkulturen in den nächsten Jahren stark zunehmen", schätzt Pierre-Joseph Charmillot von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Pflanzenbau (RAC) in Changins VD. Das teurere biologische Verfahren bekommt Aufwind, weil in der Schweiz die ersten Apfelwickler gegen die heute gängigen Spritzmittel resistent sind.
Die Verwirrungstechnik beruht auf der Tatsache, dass Nachtfalter – die Schädlinge Traubenwickler und Apfelwickler gehören dazu – Duftstoffe (Pheromone) aussenden um Männchen anzulocken. Die Männchen sind in der Lage, den Weibchenduft über einige hundert Meter zu riechen und in der Duftfahne gegen den Wind zum lockenden Weibchen zu fliegen. Die Wein- und Obstbauern, die sich vor diesen Schädlingen schützen wollen, verbreiten den Männchenanziehenden Duft in der ganzen Anlage. Bei so viel Duft finden nur noch wenige Männchen den Weg zu einem Weibchen. Die Folge: Es werden weniger Eier befruchtet, die Schädlinge können sich nicht mehr vermehren.
Die Methode funktioniert aber nur, wenn die Lockstoffe auf grossen Flächen verteilt werden, mindestens drei Hektaren, am besten im ganzen Rebbaugebiet. Wenn viele Rebbauern in einem Gebiet ihre Parzellen haben, müssen alle sich entschliessen, die teurere Verwirrungstechnik (kostet rund 300 Franken pro Hektar) anzuwenden. Wenn der Traubenwickler keine grossen Probleme macht, fallen Spritzmittelkosten von rund 20 Franken an, bei grösserem Schädlingsdruck von 200 bis 250 Franken. Die umweltfreundliche Methode hat aber auch einen grossen Vorteil: Die Verwirrungstechnik bringt in den meisten Fällen das bessere Resultat als traditionelle Spritzungen.
Der verwendete Duftstoff wird in Japan hergestellt. Das Material für die Verwirrungstechnik wird in der Schweiz von der Firma Andermatt Biocontrol in Grossdietwil vertrieben. Die private Aktiengesellschaft wurde 1988 von Martin und Isabel Andermatt gegründet. Sie haben an der ETH Zürich erlebt, dass viele Methoden für einen biologischen Pflanzenschutz in Laborversuchen erarbeitet, aber nicht in die Praxis umgesetzt wurden. Andermatt Biocontrol ist bis heute die einzige Firma in der Schweiz, die nur Pflanzenschutzmittel produziert und vertreibt, die im Biolandbau zugelassen sind.
Biologischer Pflanzenschutz bleibt in der Nische
Für biotechnische Methoden sieht Franz Bigler ein grösseres Potenzial als für Nützlinge. Der Weg aber ist beschwerlich: "In diese Forschung wird zu wenig investiert." Um ein chemisches Produkt zu entwickeln, setze die Agrochemie heute rund 200 Millionen Franken ein. Für alternative Projekte stünden im besten Fall einige 100,000 Franken zur Verfügung.
Das hängt damit zusammen, dass sich bis heute nur wenige kleinere Firmen für biologischen Pflanzenschutz engagieren. Diese sind zu klein für einen eigenen Forschungsstab. Häufig müssen sie sich darauf beschränken, Resultate von öffentlichen Forschungsanstalten und Hochschulen umzusetzen oder den Schweizer Bauern Produkte von ausländischen Firmen zugänglich zu machen. Für biologischen Pflanzenschutz gelten nämlich die gleichen Bedingungen wie für chemische Mittel: Sie brauchen eine Zulassung des Bundesamtes für Landwirtschaft.
Ferner gibt es für einige wichtige Probleme noch keine Lösung. So ist es bis heute nicht möglich, die natürlichen Feinde von zwei wichtigen Ackerbauschädlingen, Rapsstengelbohrer und Rapsglanzkäfer, zu züchten. Der Weg vom Forschungslabor bis zum Acker ist für biologische Methoden oft weit und steinig.
Unter dem Titel "Der Feind meines Feindes" hat Alex Hagmann 1998 ein Video über biologische Schädlingsbekämpfung und Artenvielfalt gedreht. Der Film dauert 34 Minuten und kann beim LID ausgeliehen werden. Details im LID-Mediendienst Nr. 2375 vom 13. August 1998