Vor zehn Jahren ist der stark ansteckende Feuerbranderreger in der Schweiz zum ersten Mal entdeckt worden. Seither hat er sich stetig ausgebreitet. In stark gefährdeten Gebieten durften in den Jahren 2008 und 2009 streptomycinhaltige Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Das Antibiotikum Streptomycin ist bislang die effizienteste Waffe gegen die Bakterienkrankheit. Nach wie vor wird aber nach Alternativmethoden geforscht.
Das Obstjahr 2009 war ein gutes Jahr. Die Bäume haben früh geblüht, wie Eduard Holliger, Spezialist der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil (ACW), sagt. Ende April und in den ersten Maitagen hätten viele Bäume bereits abgeblüht und seien damit nicht in die kritische Blüteninfektionsperiode gekommen. 394 Gemeinden aus 21 Kantonen haben in diesem Jahr Feuerbrandbefälle gemeldet. Im Vorjahr wurden in 660 Gemeinden Befälle registriert. Neu ist allerdings der Kanton Wallis stärker von einer Ausbreitung der Feuerbrandkrankheit bedroht und wurde deshalb zum Schutzgebiet erklärt (siehe Kasten).
Strenge Richtlinien
Weil der Feuerbrand weniger grassierte, musste auch weniger Streptomycin dagegen eingesetzt werden: 303 Kilogramm waren es insgesamt, ein Drittel weniger als 2008. Ob Streptomycin eingesetzt werden darf, entscheidet die jeweilige kantonale Fachstelle. In elf Kantonen und 134 Gemeinden wurde Streptomycin tatsächlich angewendet.
Streptomycin wird nur auf Pflanzen angewendet, die in einer Zeit und Region mit hoher Ansteckungsgefahr blühen, "und auch dies wird von Fall zu Fall witterungsabhängig und täglich neu beurteilt", sagt Holliger. Das Problem besteht darin, dass der Feuerbranderreger Resistenzen bilden kann und das Antibiotikum damit seine Wirkung verliert. Analysen der Forschungsanstalt ACW haben bisher keine Resistenzbildungen festgestellt. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), das zuständig ist für die Bewilligung des Streptomycin-Einsatzes, hält jedes Jahr Rücksprache mit den Kantonen und passt die Richtlinien für das folgende Jahr bei Bedarf an.
Einteilung in Schutzgebiete
sd. Das Bundesamt für Landwirtschaft teilt die Schweiz in Schutz- und Nicht-Schutzgebiete ein. In den Schutzgebieten hat sich der Feuerbrand noch nicht stark ausgebreitet. Hier wird mit strengen Präventionsmassnahmen versucht, die Verbreitung zu verhindern. In eine Schutzzone dürfen deshalb keine Wirtspflanzen eingeführt werden. Ausnahmen macht das Bundesamt für Baumschulen mit kontrollierten Pflanzenpässen. Erstmals in diesem Jahr wurden im Kanton Wallis befallene Sträucher der Wirtspflanze Cotoneaster salicifolius entdeckt. Deshalb wurde der Kanton seit 15. November 2009 zum – in der Schweiz momentan einzigen – Feuerbrand-Schutzgebiet erklärt.
Regelmässige Analysen gefordert
Die Richtlinien, die 2009 getroffen wurden, reichen den Konsumentenschutzorganisationen nicht. Sie fordern, dass die Früchte aus bespritzten Anlagen regelmässig auf Streptomycin-Spuren analysiert werden. Solche Kontrollen wurden 2008 von den kantonalen Labors durchgeführt. In den Analysen wurden Rückstände in kleinsten Mengen gefunden: Nach den Grenzwerten des Expertenkomitees der Weltgesundheits- und Welternährungsorganisation JECFA hätte ein Konsument täglich mehr als 200 Kilogramm Äpfel aus bespritzten Anlagen essen dürfen, ohne dass er seine Gesundheit gefährdet hätte. Weil diese Werte so stark unter der bedenklichen Grenze lagen, haben die kantonalen Labors in diesem Jahr die Analysen nicht wiederholt.
Richtlinien 2010 noch offen
Im Bundesamt für Landwirtschaft ist die Forderung nach vermehrten Analysen angekommen. Olivier Félix, Leiter des Fachbereichs Pflanzenschutzmittel, sagt, dass sie zusammen mit anderen Inputs in die Diskussion zur Planung der Richtlinien 2010 aufgenommen werde. Die Richtlinien würden "in nächster Zeit" ausgearbeitet, den genauen Zeitpunkt lässt Félix noch offen.
Beim Schweizerischen Obstverband haben die Forderungen der Konsumentenschutzsorganisationen neue Gedanken angestossen: "Wir werden am Anfang des nächsten Jahres prüfen, ob wir allenfalls eine Laborkontrolle der Früchte aus bespritzten Anlagen durchführen lassen wollen", sagt Rolf Matter, Sprecher des Schweizerischen Obstverbandes. Die von den Konsumentenschutzorganisationen geforderten Untersuchungen müssten aber aus Gründen der Neutralität vom Bund oder von den Kantonen durchgeführt werden.
Der Obstverband nimmt Bienenhonig, in dem Streptomycin-Spuren festgestellt wurden, vor dem Verkauf vom Markt. Rolf Matter blickt diesbezüglich auf ein erfreuliches Jahr zurück: "Im Jahr 2008 haben wir 3'500 Kilogramm Honig aufgekauft. In diesem Jahr waren es nur 215 Kilogramm".
Forschung läuft auf Hochtouren
Die Forschung ist auf der Suche nach Alternativen zum Streptomycin. "Man kann die Feuerbranderreger mit natürlichen Feinden, so genannten Antagonisten, bekämpfen", sagt Feuerbrand-Experte Holliger. Solche Organismen, in diesem Fall hauptsächlich Bakterien oder auch Pilze, würden zur Zeit gesucht und getestet. Auf der anderen Seite werde die natürliche Feuerbrand-Resistenz verschiedener Obstpflanzen getestet. "Dabei infizieren wir die einzelnen Pflanzen und beobachten, wie schnell sie krank werden." Die Versuche würden zuerst im Labor, danach in geschützten Feldversuchen gemacht. Die Forschungsanstalt ACW kooperiert dabei mit Partnern aus Übersee und aus der Schweiz. Holliger macht aber klar: "Zur Zeit ist Streptomycin noch immer das wirksamste Schutzmittel gegen Feuerbrand."
