Das Bauern lohnt sich in der Schweiz nicht. Zu diesem Schluss kommt, vereinfacht gesagt, die Agrarplattform (siehe Kasten). Was ein Bauer am Markt erzielt und was er dazu vom Bund an Direktzahlungen erhält, reicht in vielen Fällen nicht aus, um die Produktionskosten zu decken. Der Zusatzaufwand, den ein durchschnittlicher, fiktiver "Musterbauer" etwa für eine tierfreundliche Stallhaltung trägt, ist grösser als die Direktzahlung, die er dafür vom Bund erhält. Dabei wird immer von einem Stundenlohn von 25 Franken ausgegangen.
"Das fehlende Geld kann der Bauer auch am Markt nicht hereinholen", erklärte Markus Wyser, umtriebiger Zampano und Leiter der Agrarplattform, an einer Medienkonferenz vom 25. Januar in Horgen ZH. Die Preise im Labelfleischmarkt zum Beispiel seien in den letzten Jahren gesunken.
Der Zampano der Agrartransparenz in einem
nachdenklichen Moment: Markus Wyser. (wy)
Marktstützungen kommen den Bauern zugute
Neben den Direktzahlungen, die an die Bauern fliessen, hat die Agrarplattform auch Zahlungen an nicht-bäuerliche Empfänger untersucht. Für die Vertreter des Bäuerlichen Zentrums (BZS), Mitinitianten der Agrarplattform, hatten diese immer ein grosses Empörungspotenzial. "Geld für die Walfisch-Kommission, Hunderte von Millionen für die Verwaltung, das ist eine Frechheit", hiess es jeweils. Doch Markus Wyser, öffnete den Bauern die Augen: Diese Dinge machen nur einen verschwindend geringen Teil der ganzen Ausgaben aus.
Vielmehr gehen zwei Drittel der Gelder, die nicht an Bauern fliessen, nämlich 629 Millionen Franken, als Marktstützungen an die so genannt nachgelagerten Stufen: Milchverarbeiter, Schlachthöfe, Mostereien und so weiter.
Nach dem Motto "ein grosser Teil des Bauerngeldes geht gar nicht an die Bauern" bauschte der Tages-Anzeiger am 20. Januar diese Tatsache zum grossen "Bauern-Bschiss" auf. Doch diese Gelder kommen letztlich auch den Bauern zugute, indem ihre Produzentenpreise gestützt werden. Das machte auch Josef Dissler, Vizepräsident des Schweizerischen Bauernverbandes, in Horgen klar: "Nur weil diese Gelder in die Produktestützung fliessen, haben wir Bauern die Möglichkeit, etwas höhere Preise zu erzielen als in der EU."
Kompendium der Agrarzahlungen
In einem persönlich unterschriebenen Pressetext zieht Wyser aus der Tatsache, dass es vielen Bauern trotz staatlichen Geldern nicht allzu rosig geht, den kruden Schluss, dass "das vorgegebene Subventionsinstrumentarium die landwirtschaftliche Produktion nicht sicherstellen kann." Weder wird erklärt, wieso es die Schweizer Landwirtschaft denn trotzdem noch gibt, noch wird klar, was geändert werden sollte. Das erstaunt nicht: Zu unterschiedlich sind die Interessen der Teilnehmer der Agrarplattform. So wurde auch von den Vertretern des Bäuerlichen Zentrums weitgehend im luftleeren Raum argumentiert. Denn sie blendeten zwei wichtige Schlüssel für bessere Bauerneinkommen aus: Die Strukturen der Betriebe, und den Organisationsgrad der Bauern am Markt.
Agrarplattform
wy. Die Agrarplattform wurde 2002 von den konservativen Bauerngruppierungen Bäuerliches Zentrum Schweiz (BZS) und Neue Bauernkoordination Schweiz (NBKS) zusammen mit der Migros aufgebaut und hat sich zum Ziel gesetzt, Transparenz in alle Geldflüsse zwischen Bund und Land- und Ernährungswirtschaft zu bringen. Vertreten sind Lebensmittelverarbeiter, Natur- und Tierschutzverbände und Politiker. Auslöser für die Bildung der Agrarplattform waren Bauernblockaden vor den Migros-Verteilzentren im November 2001 wegen der tiefen Rindfleischpreise nach der zweiten BSE-Krise.
Keinen Skandal gefunden
Neben den Marktstützungen macht der Bund Zahlungen an eine ganze Reihe von Akteuren: Die Forschung, die Beratung und Bildung, Marketingorganisationen und viele weitere. In beeindruckender Fleissarbeit trug die Agrarplattform bis zu den kleinsten Beträgen alles zusammen. Doch die Zahlen bringen wenig neue Erkenntnisse und schon gar nichts Skandalöses. "Wir haben keine Zahlen gefunden, die unrechtmässig geschehen wären", sagte auch Wyser. Jede einzelne Zahlung sei aufgrund irgend eines Gesetzes oder irgend einer Verordnung erfolgt. "Die Frage ist, ob das politisch sinnvoll ist."
Über den Sinn oder Unsinn einzelner Zahlungen wird man wohl streiten können – doch an der Situation der Bauern ändert die Verschiebung von ein paar Millionen nichts. Politisch ist weder eine massive Aufstockung von Direktzahlungen noch ein starker Abbau von ökologischen Anforderungen machbar. Wyser sprach auch von Problemen beim Controlling, ohne dass er genaue Beispiele nannte. Es wurde auch in Horgen nie ganz klar, ob nur dargestellt oder auch gewertet werden sollte, oder welches nun konsolidierte Meinung aller Agrarplattform-Teilnehmer ist und welches die persönliche Meinung von Wyser.
Der Berg hat eine Maus geboren. Jetzt, da die Transparenz hergestellt ist: Was tun damit? Das Wortgeklingel, das unerspriessliche Hin und Her zwischen Bauern, Vertretern der Milchindustrie und von Avenir Suisse, das in Horgen an Stelle der versprochenen Podiumsdiskussion trat, zeigte: Auch nach der Agrarplattform gehen die Debatten genau gleich weiter – mit den gleichen Fronten und den gleichen Argumenten.
siehe auch: "Die Agrarplattform bringt viel Wirbel und wenig Nutzen" im LID-Mediendienst Nr. 2671 vom 17. Juni 2004 und "EU-Millionen für die Queen", im LID-Mediendienst Nr. 2772 vom 8. Juni 2006